Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen - Alles hat ein Ende, nur die Widerrufsfrist nicht? -

BANK- UND KAPITALMARKTRECHT Nr. 14
12.01.2016 | 

Bereits mit Kurzinfo Nr. 13 vom 24. September 2014 hatten wir über Widerrufsmöglichkeiten von Verbraucherdarlehensverträgen berichtet. Auch im Jahr 2015 sind zahlreiche Entscheidungen zu diesem Thema ergangen. Genauso spannend waren die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, auf die alle gewartet hatten und dann doch nicht ergangen sind.

I.    Die Ausgangslage

Seit dem 01. November 2002 steht einem Darlehensnehmer beim Verbraucherkreditvertrag ein Widerrufsrecht zu (§ 495 Abs. 1 BGB). Danach kann der Verbraucher seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung innerhalb einer Frist von zwei Wochen widerrufen (§§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 2 BGB). Gemäß § 356b Abs. 2 BGB beginnt die Widerrufsfrist u. a. erst, wenn dem Verbraucher Pflichtangaben (in der "Widerrufsbelehrung") mitgeteilt worden sind, die sich aus § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 § 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ergeben. Fehlen diese Pflichtangaben oder entsprechen sie nicht den gesetzlichen Anforderungen, kann der Darlehensnehmer das Darlehen auch noch nach Jahren widerrufen.

Viele Darlehensverträge aller großen Kreditinstitute enthalten fehlerhafte Pflichtangaben, so dass die zweiwöchige Widerrufsfrist oftmals nicht zu laufen beginnt. Diese Darlehensverträge können heute noch widerrufen werden. Selbst bereits gekündigte Darlehensverträge sollen im Einzelfall noch widerrufen werden können (vgl. z. B. OLG Hamm, Beschl. v. 17. März 2015 - 31 U 40/15). In diesem Fall kann den Darlehensnehmern ein Anspruch auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung zustehen. Umstritten und weiterhin nicht höchstrichterlich geklärt ist die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Recht auf Widerruf eines Darlehensvertrages verwirkt sein kann.

II.    Verbraucherdarlehensverträge

Ein Widerrufsrecht besteht (nur) für Verbraucherdarlehensverträge. Das sind Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer - in der Regel einer Bank - als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer. Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft - hier ein Darlehensvertrag - zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können (vgl. § 13 BGB). Im Einzelfall kann auch eine vermögensverwaltende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ausschließlich aus natürlichen Personen besteht, Verbraucher sein. Auch eine im Übrigen gewerblich tätige Person, die für private Zwecke ein Darlehen aufnimmt, kann Verbraucher sein. 

III.    Fehlerhafte Widerrufsbelehrung

Viele Widerrufsbelehrungen sind fehlerhaft. So hat der Bundesgerichtshof beispielsweise entschieden, dass die Formulierung "Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" nicht ausreichend sei, weil die Verwendung des Wortes "frühestens" dem Verbraucher nicht ermögliche, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen (vgl. BGH; Urt. v. 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10). Auch die nachfolgenden Formulierungen hat der Bundesgerichtshofs als nicht ausreichend erachtet: "… eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt wird." (BGH, Urt. v. 10. März 2009 - XI ZR 33/08); "Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn Ihnen diese Belehrung ausgehändigt worden ist, jedoch nicht bevor uns die von Ihnen unterschriebene Ausfertigung des Darlehensvertrages zugegangen ist." (BGH, Urt. v. 24. März 2009 - XI ZR 456/07). Diese und andere fehlerhafte Formulierungen sind oftmals in Widerrufsbelehrungen von Darlehensverträgen enthalten, die zwischen 2002 und 2009 abgeschlossen worden sind. 

Hat der Darlehensgeber das jeweils vom Gesetzgeber vorgesehene und mehrfach veränderte Muster einer Widerrufsbelehrung in jeder Hinsicht vollständig verwandt, besteht ein Vertrauensschutz zu Gunsten des Darlehensgebers, auch wenn das Muster selbst inhaltlich falsch ist und beispielsweise die dargestellten Fehler aufweist. Viele Widerrufsbelehrungen weichen jedoch von den Mustern ab, so dass der Darlehensgeber keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen kann. 

Das OLG München hat in seinem Urteil vom 21. Mai 2015 (OLG München, Urt. v. 21. Mai 2015 - 17 U 334/15) auch eine Widerrufsbelehrung für unwirksam erachtet, die bei Abschluss eines Darlehensvertrages im Jahr 2011 verwendet worden war. Nach Auffassung des OLG München ist eine lediglich beispielhafte Nennung von Pflichtangaben in der Widerrufsbelehrung für die Beschreibung des Fristbeginns nicht eindeutig. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, so dass abzuwarten bleibt, ob und ggf. wie der Bundesgerichtshof sich hierzu positioniert. Das Urteil des OLG München macht indes deutlich, dass im Einzelfall auch solche Darlehensverträge widerrufen werden können, die nach 2009 abgeschlossen worden sind. 

IV.    Unendliches Widerrufsrecht?

Im Ergebnis steht dem Verbraucher im Fall einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung ein "unendliches" Widerrufsrecht zu. 

1.    Status Quo: Wohl keine Verwirkung

Viele Banken vertreten die Rechtsauffassung, dass die Ausübung des Widerrufsrechts mehrere Jahre nach Vertragsschluss eine unzulässige Rechtsausübung darstellen würde bzw. ihr Widerrufsrecht verwirkt sei. Die Verwirkung eines Rechts setzt voraus, dass der Inhaber des Rechts von diesem lange Zeit keinen Gebrauch macht, obwohl ihm dies möglich war (sog. "Zeitmoment") und der Verpflichtete sich aufgrund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen (sog. "Umstandsmoment"). Eine Verwirkung wird nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, weil es regelmäßig am Umstandsmoment fehlen wird. So wird es wohl auch von der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung gesehen. Nach der aktuellen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte scheidet eine Verwirkung grundsätzlich aus (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 26. August 2015 - 17 U 202/14; OLG Stuttgart, Urt. v. 06. Oktober 2015 - 6 U 148/14, OLG Hamm, Beschl. v. 25. August 2014 - 31 U 74/14).

Der Bundesgerichtshof sollte bereits am 23. Juni 2015 über die Frage entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Verwirkung des Widerrufsrechts in Betracht kommt. Der Verhandlungstermin wurde jedoch kurzfristig aufgehoben, weil sich die Parteien verglichen hatten. Es schien zunächst so, dass der Bundesgerichtshof am 15. Dezember 2015 eine zweite Möglichkeit bekommen sollte, über die Frage der Verwirkung zu entscheiden. Aber auch dieser Termin wurde kurzfristig aufgehoben, nachdem sich die Parteien verglichen hatten. Der Bundesgerichtshof hatte somit bisher nicht die Möglichkeit, zur Frage der Verwirkung Stellung zu nehmen.

2.    Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie

Am 21. März 2016 soll ein Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie in Kraft treten. Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung ist eine Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts vorgesehen. Danach soll das Widerrufsrecht spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem Vertragsschluss erlöschen. Ob und mit welcher Konsequenz dies auch für Altverträge, also Darlehensverträge, die vor dem 21. März 2016 abgeschlossen wurden, gelten soll, ist noch nicht geklärt. Es könnte jedoch sein, dass das Widerrufsrecht für solche Verträge ebenfalls erlischt.

Es kann somit sein, dass ein Widerruf von alten Darlehensverträgen trotz fehlerhafter Widerrufsbelehrung schon in wenigen Wochen nicht mehr möglich ist!

V.    Ausblick

Das Thema Widerruf von Darlehensverträgen wird die Gerichte auch im Jahr 2016 beschäftigen. Zudem bleibt spannend, ob und wie das Erlöschen der Widerrufsrechte für neu abzuschließende Verträge sowie für Altverträge geregelt wird.

Selbstverständlich stehen wir Ihnen bei allen Fragen rund um den Abschluss, die Beendigung und die Abwicklung von Darlehensverträgen gerne zur Verfügung.

 

 

Redaktion:

Rechtsanwalt und Dipl.-Kfm. (FH) Malte Beuster, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

BEHTGE.REIMANN.STAR Rechtsanwälte, Berlin

Sekretariat: Peggy Lüder, Tel.: 030 / 89 04 92 - 36, Fax: 030 / 89 04 92 - 10

 

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