Entwurf einer neuen Anreizregulierungsverordnung

ENERGIERECHT Nr. 56
28.04.2016 | 

Unter dem 19. April 2016 legte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) zur Länder- und Verbändeanhörung den lang erwarteten Entwurf einer zweiten Verordnung zur Änderung der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) vor. Die Stellungnahmefrist für die Verbände läuft am 03. Mai 2016 aus.

Der Verordnungsentwurf enthält erhebliche Änderungen der regulatorischen Rahmenbedingungen, die wir nachfolgend kurz aufzeigen.

  • Die Regulierungsperiode wird von fünf auf vier Jahre verkürzt.
  • Die bisherigen Instrumente der Berücksichtigung von Investitionen im Basisjahr, Erweiterungsfaktor und Beantragung sog. Investitionsmaßnahmen für Investitionen in der Hochspannungsebene werden insgesamt durch das Instrument des sog. Kapitalkostenabgleichs ersetzt.
  • Die Führung des Regulierungskontos wird stark vereinfacht und von der Verantwortung der Regulierungsbehörde in die Verantwortung der Netzbetreiber übergeben.
  • Die Schwellenwerte für das vereinfachte Verfahren werden derzeit noch nicht abgesenkt.
  • Das vereinfachte Verfahren bleibt erhalten. Fristablauf zur Beantragung für die Teilnahme am vereinfachten Verfahrens wird zukünftig bereits der 31. März sein. Dies gilt aber noch nicht für einen Antrag zum vereinfachten Verfahren für die dritte Regulierungsperiode.
  • § 26 ARegV zur Behandlung von Erlösobergrenzen bei Teilnetzübergängen wird erheblich angepasst. Zukünftig ist die Regulierungsbehörde verpflichtet, bei einer fehlenden Einigung über den Übergang der Erlösobergrenze nach sechs Monaten von Amts wegen eine Aufteilung der Erlösobergrenze vorzunehmen. Die Aufteilungsgrundsätze werden in § 26 ARegV näher konkretisiert.
  • Das Prinzip des Effizienzvergleichs bleibt auf der Grundlage der bisherigen Methodik erhalten. Zusätzlich wird jedoch ein sog. Effizienzbonus für besonders effiziente Netzbetreiber eingeführt, der bis zu 5 % betragen kann.

Nachfolgend gehen wir auf einige der Änderungen noch näher ein.

Änderungen zum Regulierungskonto

  • Verantwortung zum Führen des Regulierungskontos beim Netzbetreiber
  • Jährlicher Ausgleich

Neben der Verlagerung der Verantwortung zur Führung des Regulierungskontos von der Regulierungsbehörde auf die Netzbetreiber ist nunmehr vorgesehen, dass eine Anpassung der Erlösobergrenze zum 01. Januar eine Kalenderjahres auch durch die Verteilung des Saldos des Regulierungskontos erfolgen soll. So sollen eine Verstetigung der Erlösobergrenze erreicht und Sprünge in den Netzentgelten zukünftig vermieden werden, die erst durch einen Ausgleich des Regulierungskontos nach Ablauf der Regulierungsperiode in der Vergangenheit entstanden sind oder zu entstehen drohten.

Der bisherige Zeitverzug zum Ausgleich des Regulierungskontos wird damit abgeschafft.

Abschaffung des Zeitverzugs bei Kapitalkosten

  • Kapitalkostenaufschlag für Investitionen nach dem Basisjahr auf Ist-Kosten- oder Plankosten-Basis
  • Kapitalkostenabschlag für Investitionen
  • Abschaffung des Erweiterungsfaktors
  • Abschaffung der sog. Investitionsmaßnahme

Die Behandlung von Kapitalkosten für Abschreibungen, kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung, kalkulatorische Gewerbesteuer sowie für Fremdkapitalzinsen wird neu geregelt.

Bisher wurden diese Kapitalkosten für die Dauer einer Regulierungsperiode auf dem Niveau des Basisjahres festgeschrieben. Auf diese Weise wurde in der ersten und zweiten Regulierungsperiode ein finanzieller Sockel für den Netzbetreiber generiert, der dem Ausgleich des Zeitverzugs bis zur Berücksichtigung der Kapitalkosten aus Neuinvestitionen diente. Diese Vorgehensweise wird aufgegeben (Seite 27 der Begründung).

Nunmehr sollen Netzbetreiber ihre Investitionskosten und damit verbunden auch ihre übrigen Kapitalkosten ohne Zeitverzug über eine sofortige Anhebung ihrer Erlösobergrenze zurückverdienen können (Kapitalkostenaufschlag). Demgegenüber werden jedoch auch die sinkenden Kapitalkosten ohne Zeitverzug in der Erlösobergrenze abgebildet. Hierzu wird ein sog. Kapitalkostenabzug eingeführt. Die Berechnung der fortgeführten Kapitalkosten erfolgt nach den Grundsätzen der Entgeltverordnungen und einer neu eingeführten Anlagen 2a.

Der Kapitalkostenaufschlag nach § 10a ARegV-E gilt ausschließlich für Verteilnetzbetreiber.

Auswirkungen auf die Investitionsstrategie: Für Verteilnetzbetreiber ist deshalb relevant, dass sie sich damit auseinandersetzen, wie ihre Investitionsstrategie, die bisher häufig auf den Nutzen eines Sockeleffektes durch den Zeitverzug ausgerichtet war, unter Berücksichtigung der neuen rechtlichen Rahmenbedingungen ggf. umgestellt werden muss.

Welche Investitionen sind berücksichtigungsfähig?

Der Kapitalkostenaufschlag wird nur für Kapitalkosten aus Neuinvestitionen gewährt, die nicht bereits im Basisjahr berücksichtigt wurden und also nicht in die anzupassende Erlösobergrenze eingeflossen sind. Soweit die Kapitalkosten bereits entstanden sind, hat der Netzbetreiber durch Nachweis der Ist-Kosten die entsprechenden Kapitalkosten bei der Regulierungsbehörde darzulegen. Soweit es sich nur um geplante Investitionen handelt, hat der Netzbetreiber die Kapitalkosten auf Plankostenbasis nachzuweisen.

Wie setzt sich der Kapitalkostenaufschlag zusammen?

Der Kapitalkostenaufschlag setzt sich zusammen aus den Kosten des Netzbetreibers für

  • die kalkulatorische Abschreibung,
  • eine kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung und
  • die kalkulatorische Gewerbesteuer.

Zu berücksichtigen ist, dass die Ermittlung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung abweichend zur sonstigen Verzinsungspraxis erfolgt, da ein pauschaler Ansatz zur Verzinsung der Neuinvestitionen vorgenommen wird. Es wird insoweit ein Mittelwert aus Eigenkapital- und Fremdkapitalzinssatz angewendet, wobei als Fremdkapitalzinsen nicht branchenübliche Zinsen, sondern der Eigenkapitalzinssatz für Neuanlagen anzusetzen ist. Hinsichtlich der Aufteilung von Eigen- und Fremdkapitalzinssatz wird eine Gewichtung von 40 zu 60 unterstellt. Die Verzinsung wird dann erst wieder in der nächsten Kostenprüfung an die individuellen Verhältnisse des Netzbetreibers auf Basis des vorhandenen Anlagenbestandes angepasst.

Vorbereitung auf die Kostenprüfung: Im Hinblick auf die bevorstehende Kostenprüfungsperiode ist deshalb anzuraten, dass sich die Unternehmen hinsichtlich der geplanten Investitionsmaßnahmen Gedanken machen und die Belegbarkeit von Plankosten vorbereiten.

Zu beachten ist, dass ein Erweiterungsfaktor nicht mehr zur Verfügung steht. D.h. sollten im Zuge der Regulierungsperiode erhebliche unvorhergesehene Investitionen notwendig werden, können diese erst wieder in der nächsten Regulierungsperiode angesetzt werden.

Anerkennbarkeit von Personalzusatzkosten

Erfreulich ist, dass Vereinbarungen zu Personalzusatzkosten als dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten nunmehr auch anerkannt werden, wenn eine Vereinbarung für beim Netzbetreiber direkt angestellte Mitarbeiter vor dem 31. Dezember 2016 geschlossen wurde. Bisher war hier Stichtag der 31. Dezember 2008. Damit will der Verordnungsgeber insbesondere auch neuen Netzbetreibern den Ansatz von Personalzusatzkosten als dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten ermöglichen.

Entschädigungszahlungen an Betreiber von EE-Anlagen

Entschädigungszahlungen des Verteilnetzbetreibers an Betreiber von Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität aus erneuerbaren Energien aus Maßnahmen des Einspeisemanagements dürfen nun ohne Zeitverzug angesetzt werden. Diese Kosten werden zukünftig als volatile Kosten eingestuft, so dass sie ohne Zeitverzug angepasst werden können.

Effizienzvergleich und Effizienzbonus

Die Vorgaben zum Effizienzvergleich werden beibehalten. Mit § 31 ARegV beabsichtigt der Gesetzgeber eine erhöhte Transparenz, indem er weitere Veröffentlichungspflichten einführt. So ist z.B. auch die kalenderjährliche Erlösobergrenze eines Netzbetreibers zukünftig ebenso zu veröffentlichen, wie Anpassungen der Erlösobergrenze im Laufe der Regulierungsperiode, Entscheidungen zu Netzübergängen, der ermittelte Effizienzwert und die Werte, die in den Effizienzvergleich eingegangen sind, die Supereffizienzwerte, der Summenwert des Erweiterungsfaktors etc. Diese Veröffentlichung erfolgt durch die Regulierungsbehörden. Offensichtlich soll in dieser Form sichergestellt werden, dass Netzbetreiber keine Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ihrer Daten durch eine Veröffentlichung der Bundesnetzagentur bzw. der Regulierungsbehörden beanstanden.

Mit § 12a ARegV soll ein sog. Effizienzbonus für besonders effiziente Netzbetreiber eingeführt werden. Bisher werden tatsächlich eingetretene Effizienzgewinne vor jeder neuen Regulierungsperiode vollständig abgeschöpft und an die Netzkunden ausgekehrt. Mit der Einführung des Effizienzbonus sollen besonders effiziente Netzbetreiber dadurch belohnt werden, dass ihnen bestimmte Effizienzgewinne verbleiben können. Voraussetzung für einen Bonus ist, dass ein Netzbetreiber nach der sog. Best-of-four-Regelung einen Effizienzwert von 100 % erhält. Zur Berechnung des Bonus wird auf die bereits im Rahmen der Ausreißeranalysen gem. Anlage 3 beschrieben Supereffizienzanalyse zurückgegriffen (Anlage 3, Ziffer 5 ARegV).

Der Effizienzbonus ist über die Regulierungsperiode zu verteilen.

Der Effizienzvergleich soll transparenter werden. Vor diesem Hintergrund werden die Pflichtparameter für die Ermittlung des Effizienzvergleichs nunmehr konkret vorgegeben. Der Absenkungspfad für Ineffizienzen wird in § 16 von fünf auf drei Jahre verkürzt.

Die Härtefallregelung nach § 16 Abs. 2 ARegV bleibt erhalten.

Qualitätselement

Mit § 19 wird nunmehr ein Qualitätselement für den Gasbereich eingeführt.

Vereinfachtes Verfahren

Die Schwellenwerte werden beibehalten.

Die Antragsfrist wird auf den 31.03. für die 4. Regulierungsperiode vorgezogen.

Der Anteil der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile am Ausgangsniveau ohne vorgelagerte Netzkosten und vermiedene Netzentgelte für die Strom- und Gasnetzbetreiber wird nunmehr mit 5 % und nicht mehr mit 45 % festgesetzt. In der Begründung wird dazu ausgeführt, dass im Regelverfahren die entsprechenden nicht beeinflussbaren Kostenanteile in der Regel unter 5 % ausgemacht hätten.

Der Effizienzwert für das vereinfachte Verfahren wurde von den Regulierungsbehörden für die 3. Regulierungsperiode Gas wurde mit 93,29 % bekannt gegeben.

§ 26 ARegV – Aufteilung der Erlösobergrenze für den Fall eines Teilnetzübergangs

  • Festlegungspflicht der Regulierungsbehörden im Falle der Nichteinigung
  • Aufteilungsmaßstab bei Behördenentscheidung wird festgelegt

Im Falle einer Nichteinigung und Festlegung durch die Regulierungsbehörde wird ein verbindlicher Maßstab für die Bestimmung des Anteils der Erlösobergrenze vorgegeben werden. Er besteht aus den individuellen Kapitalkosten des übergehenden Netzanteils und einem pauschalen Anteil für die übrigen Netzkosten.

Der Pauschalbetrag für die übrigen Kosten des übergehenden Netzanteils berechnet sich aus der Multiplikation des Verhältnisses der Kapitalkosten des übergehenden Netzteils des jeweiligen Kalenderjahres zu den in der ursprünglich festgelegten Erlösobergrenze des abgebenden Netzbetreibers enthaltenen Kapitalkosten des jeweiligen Kalenderjahres mit der ursprünglich festgelegten Erlösobergrenze des jeweiligen Kalenderjahres abzüglich der darin enthaltenen Kapitalkosten, der vermiedenen Netzentgelte und der vorgelagerten Netzkosten (§ 26 Abs. 5 ARegV-E).

Ebenfalls wurden Regelungen für den Fall aufgenommen, dass selbst der Anteil der zu überlassenen Anlagegüter zwischen den Vertragsparteien umstritten sein sollte. Auch hier ist eine Festlegung durch die Regulierungsbehörden vorgesehen, die sich an den vom Altkonzessionär veröffentlichten Netzdaten zur Konzessionsvergabe orientieren soll.

Ausblick

Zu begrüßen ist, dass mit der beabsichtigten Änderung der ARegV in vielen Punkten mehr Rechtsklarheit geschaffen wird. Für die Netzbetreiber dürfte beruhigend sein, dass die kostenbasierte Herangehensweise derzeit noch beibehalten wird. Für innovative Unternehmen könnten die sehr kapitalkostenorientierten Änderungen problematisch sein, da Aufwendungen in eine Optimierung von Abläufen nicht während der laufenden Regulierungsperiode berücksichtigt werden.

Eine Umstellung des regulatorischen Regimes von einer Kostenorientierung hin zu einem indikatorbasierten Investitionsregime steht weiterhin auf dem Prüfstand. Eine Umstellung wird jedoch frühestens in der nächsten Regulierungsperiode zu erwarten sein.

Es bleibt abzuwarten, ob es im Gesetzgebungsverfahren noch weitere Änderungen geben wird. Allerdings ging der Veröffentlichung des Entwurfs ein längeres Abstimmungsverfahren zwischen Bund und Ländern voraus, so dass die grundsätzlichen Gesichtspunkte wohl nicht mehr in Frage gestellt werden sollten.

Wir werden über den Fortgang berichten.

 

Redaktion:

Rechtsanwältin Wibke Reimann

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