Aktuelle Urteile des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu den Rechten des Kreditnehmers gegenüber der Bank beim kreditfinanzierten Erwerb von Anteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds

IMMOBILIENRECHT Nr. 3
24.08.2004 | Dr. Christian Stari, Andreas Noack

1. Grundlagen der Entscheidungen

a. Grundsatzentscheidungen des II. Senats - Urteile in sechs Verfahren am 14. Juni 2004

Wie wir bereits in der letzten Ausgabe unserer Reihe "Recht aktuell" zum Immobilienrecht vom 22. Juni diesen Jahres mitgeteilt hatten, hat der für Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in insgesamt sechs Verfahren über unterschiedliche Rechtsfragen im Zusammenhang mit den Verbraucherrechten von Kreditnehmern gegenüber der den Erwerb von Anteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds finanzierenden Bank zu entscheiden gehabt (Urteile v. 14. Juni 2004 - II ZR 392/01 - II ZR 395/01 - II ZR 374/02 - II ZR 385/02 - II ZR 393/02 - II ZR 407/02 -).

 

b. Vorliegen eines verbundenen Geschäfts als Grundlage

Wesentlicher Kernpunkt dieser Entscheidungen war jeweils der Umstand, dass dem erkennenden Senat Sachverhalte vorlagen, bei welchen dieser vom Vorliegen eines verbundenen Geschäfts zwischen dem Kreditvertrag mit der Bank, mit welchem der Anleger seinen Beitritt zu der Fondsgesellschaft finanzierte und dem Beitritt des Anlegers zu der Fondsgesellschaft ausgehen durfte, was bei den dem XI. Senat in vorangegangenen Entscheidungen (vgl. Urt. v. 09.04.2002, Az.: XI ZR 33/99; Urt. v. 21.01.2003, Az.: XI ZR 125/02; Urt. v. 15.07.2003, Az.: XI ZR 162/00; Urt. v. 23.09.2003, Az.: XI ZR 135/02 und Urt. v. 28.10.2003, Az.: XI ZR 263/02) vorgelegenen Sachverhalten stets zu verneinen war. Die Entscheidungen des II. Senats sind daher unter der Prämisse zu analysieren, dass nahezu sämtliche entschiedenen Rechtsfragen zunächst einen Sachverhalt voraussetzen, der die Annahme eines verbundenen Geschäfts zwischen dem Kreditvertrag zur Finanzierung des Eigenkapitals und dem Fondsbeitritt rechtfertigt.

 

c. Voraussetzungen eines verbundenen Geschäfts

Ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 9 VerbrKrG ist nach dem Gesetzeswortlaut dann anzunehmen, wenn der Kreditvertrag und das finanzierte Geschäft als wirtschaftliche Einheit anzusehen sind, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn der Kreditgeber sich bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Kreditvertrages der Mitwirkung des Vertragspartners des zu finanzierenden Geschäfts bedient. Entsprechendes ist nach Ansicht des II. Senats nun auch dann anzunehmen, wenn der Kreditgeber und die Initiatoren der Fondsgesellschaft sich derselben Vertriebsorganisation bedienen. Hierfür ist zum Beispiel ausreichend, dass die Vertriebsgesellschaft, welche von den Fondsinitiatoren mit der Veräußerung von Fondsbeteiligungen beauftragt wurde, die Darlehensanträge oder auch nur die Selbstauskunftsformulare der finanzierenden Bank den Anlegern aushändigt und sodann der Darlehensvertrag formell mit einem von den Initiatoren ausgewählten Treuhänder abgeschlossen wird und nicht mit den einzelnen Anlegern, wodurch die Bank sich nach Ansicht des erkennenden Senats bewusst in die Vertriebsorganisation des Fonds eingliedert.

d. Einzelfallbetrachtung erforderlich

In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Einordnung sich nicht ohne weiteres auf eine Vielzahl schematisierter Fälle übertragen lässt, sondern jeweils eine genaue Prüfung der konkreten Umstände des Einzelfalls erfolgen muss, um eine belastbare Aussage darüber treffen zu können, ob ein verbundenes Geschäft anzunehmen ist oder nicht.

2. Verbraucherkreditgesetz

Auf der Grundlage des Vorliegens eines verbundenen Geschäfts hat der II. Senat sodann einige grundsätzliche Fragen geklärt, ohne sich hierbei in Widerspruch zu der Rechtsprechung des XI. Senats zu setzen, da dieser stets von einer abweichenden Sachverhaltsgrundlage ausging und das Vorliegen eines verbundenen Geschäfts sogar wiederholt und ausdrücklich verneint hatte.

a. Mindestangaben nach VerbKrG für jeden Anleger auch bei GbR als Kreditnehmer

So hat der II. Senat entschieden, dass in dem Fall, dass der zur Finanzierung des Fondsbeitritts geschlossene Kreditvertrag nicht die Mindestangaben nach § 4 VerbrKrG enthält, dieser gemäß § 6 VerbrKrG nichtig ist und der Mangel jedenfalls dann nicht durch die Auszahlung der Darlehensvaluta an den Fonds gemäß § 6 Abs. 2 VerbrKrG geheilt wird, wenn der Fondsbeitritt und der Kreditvertrag ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 9 VerbrKrG bilden.

b. Keine Heilung der Nichtigkeit durch Auszahlung an Fondsgesellschaft

Der Senat ist hierbei davon ausgegangen, dass bei einem Darlehensvertrag zwischen der Bank und der Fondsgesellschaft in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, welcher der Finanzierung des Eigenkapitals der Anleger dient, die einzelnen Gesellschafter als Verbraucher Vertragspartner der Bank werden, weshalb für jeden Gesellschafter die nach dem VerbrKrG erforderlichen Verbraucherangaben in den Kreditvertrag aufzunehmen sind. Soweit bei Vorliegen eines verbundenen Geschäftes diese Angaben fehlen, ist somit von der Nichtigkeit des Kreditvertrages auszugehen.

c. Kein Eingreifen der Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG , wenn Grundpfandrecht bereits vor Abschluss des Verbraucherkreditvertrages bestellt wurde

In diesem Zusammenhang ist zudem nach Ansicht des Senats die Anwendbarkeit des § 9 VerbrKrG nicht gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG (Ausnahmevorschrift für Kredite, die von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht werden und zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite üblichen Bedingungen gewährt werden) ausgeschlossen, da der Kredit in dem zu entscheidenden Fall zwar durch ein Grundpfandrecht gesichert war, dieses Grundpfandrecht aber schon bestellt war, bevor der Anleger beitrat und er in die voran gegangene Bestellung nicht einbezogen war. Dieser Fall liege außerhalb des Anwendungsbereichs der Ausnahmevorschrift, welche darauf basiere, dass bei einem Realkreditvertrag eine notarielle Beurkundung erforderlich ist, im Rahmen welcher der Verbraucher umfassend aufgeklärt wird, so dass er des weiteren Schutzes des VerbrKrG nicht mehr bedürfe.

3. Rückabwicklung des Darlehensvertrages

Hieran anknüpfend und ausdrücklich unter der Voraussetzung des Vorliegens eines verbundenen Geschäfts hat der Senat sodann ausgeführt, dass es an einem wirksamen Kreditvertrag fehlt, der Anleger jedoch gleichwohl nicht die Rückzahlung der Darlehensvaluta schuldet, sondern der Bank nur seinen Fondsanteil zu übertragen hat. Umgekehrt hat die Bank die geleisteten Zins- und Tilgungsraten abzüglich vereinnahmter Erträgnisse zurückzuzahlen.

a. Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung gegenüber der Bank - Abtretung der Fondsbeteiligung gegen Rückzahlung geleisteter Zins- und Tilgungsraten

Bei dieser bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung gegenüber der Bank geht der II. Senat davon aus, dass die erlangte Leistung nicht die Darlehensvaluta, sondern unmittelbar die Fondsbeteiligung war, was er darauf zurückführt, dass es sich um ein verbundenes Geschäft handelt und der Verbraucher bei der Anwendung der Schutzvorschriften des VerbrKrG nicht schlechter gestellt werden darf, als dies ohne die Schutzvorschriften der Fall wäre. Würde man aber davon ausgehen, dass die Darlehensvaluta in vollem Umfang an die Bank zurück zu gewähren wäre, so wäre der Anleger schlechter gestellt, als bei Wirksamkeit des Darlehensvertrages, da er dann die Möglichkeit gehabt hätte das Darlehen in Monatsraten zu tilgen.

Hieraus folgt, dass der Fondsanteil, soweit er ausschließlich fremdfinanziert wurde, an die Bank zu übertragen ist und zwar Zug um Zug gegen Rückzahlung der vom Anleger geleisteten Zahlungen an die Bank, wobei bereits durch den Anleger vereinnahmte Erträge aus der Fondsbeteiligung anzurechnen sind. Etwaige Steuervorteile, welche der Anleger durch seine Fondsbeteiligung realisiert hat, sollen im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nicht angerechnet werden.

b. Bei Täuschung des Anlegers durch die Initiatoren, können Schadensersatzansprüche auch gegenüber der Bank geltend gemacht werden

Wenn der Anleger darüber hinaus bei dem Fondsbeitritt über die Rentabilität des Fonds getäuscht worden ist, kann er die ihm gegen die Gründungsgesellschafter und die sonst für die Täuschung Verantwortlichen zustehenden Schadensersatzansprüche auch gegenüber der Bank geltend machen, wenn der Fondsbeitritt und der Kreditvertrag ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 9 VerbrKrG bilden. Die Bank hat ihn dann so zu stellen, als wäre er dem Fonds nicht beigetreten und hätte den Kreditvertrag nicht abgeschlossen. Dabei sind die von ihm vereinnahmten Erträgnisse des Fonds und in diesem Fall auch die Steuervorteile anzurechnen. Außerdem kann die Bank verlangen, dass der Anleger im Gegenzug seinen Fondsanteil und seine Schadensersatzansprüche gegen die Prospektverantwortlichen und Gründungsgesellschafter an die Bank abtritt.

c. Erklärung gegenüber Bank ausreichend

Um diese Rechtsfolgen auszulösen, braucht der Anleger seine Beteiligung an dem Fonds nicht diesem gegenüber zu kündigen. Es genügt, dass er sich gegenüber der Bank auf die Täuschung beruft, da die Fondsgesellschaft und die Bank als wirtschaftliche Einheit auftreten.

4. Schadensersatzpflicht der Bank

a. Haftung der Bank wegen Verschuldens bei Vertragsschluss

Die Bank haftet dem Anleger zudem auch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss auf Schadensersatz, wenn sie ihn über ihr bekannte Risiken des Fondsprospekts nicht aufklärt, obwohl sie in Bezug auf diese Risiken einen konkreten Wissensvorsprung gegenüber dem Anleger hat und dies auch erkennen konnte. In dem vorliegenden Fall ging der Senat davon aus, dass der finanzierenden Bank jedenfalls dann eine vorvertragliche Aufklärungspflicht gegenüber dem einzelnen Anleger obliegen würde, wenn ihr schon vor Vertragsschluss bekannt war, dass der im Fondsprospekt vorgesehene Mietgarant bereits zu diesem Zeitpunkt insolvent war und somit davon ausgegangen werden musste, dass Mietgarantiezahlungen durch die Fondsgesellschaft nicht realisiert werden könnten.

5. Unwirksamkeit der Treuhändervollmacht

a. Keine Anwendung der Grundsätze der Anscheins- oder Duldungsvollmacht

Schließlich hat der II. Senat, in Einklang mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgesprochen, dass die im Rahmen eines geschlossenen Immobilienfonds erteilte Treuhändervollmacht gemäß § 134 BGB i.V.m. § 1 RBerG nichtig ist, wenn der Treuhänder zum Abschuss von Verträgen bevollmächtigt wird und dafür keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz hat. Ob dieser Mangel nach §§ 171, 172 BGB oder den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht geheilt werden kann, war für die dem II. Senat vorliegenden Fälle zwar nicht entscheidungserheblich, doch führte er dennoch aus, dass bei Vorliegen eines verbundenen Geschäfts eine Heilung dieses Vollmachtsmangels nach den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht nicht in Betracht komme, da die Bank aufgrund der besonderen Sachverhaltskonstellation nicht wie ein gutgläubiger Dritter behandelt werden könne, was aber für die Anwendung der Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht erforderlich sei.

6. Haustürwiderrufsgesetz

a. Haustürwiderrufsgesetz und Verbraucherkreditgesetz nebeneinander anwendbar

Ebenfalls im Zusammenhang mit dem Vorliegen eines verbundenen Geschäfts hat der II. Senat zudem entschieden, dass auf einen kreditfinanzierten Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds die Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes auch dann zur Anwendung kommen, wenn das Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz ausgeschlossen oder erloschen ist. Er begründet dies damit, dass zwischen diesen beiden Verbraucherschutzgesetzen kein verdrängendes Konkurrenzverhältnis bestehe und diese daher grundsätzlich nebeneinander Anwendung finden.

b. Haustürsituation der Bank zurechenbar

Das Vorliegen einer Haustürsituation ist der den Beitritt finanzierenden Bank nach Ansicht des Senats zudem dann zurechenbar, wenn sie dem von dem Fonds eingeschalteten Vermittler die Anbahnung auch des Kreditvertrages überlässt und wenn aufgrund des Inhalts der Kreditunterlagen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Anleger in einer Haustürsituation geworben worden ist, so dass der Anleger auch gegenüber der Bank seinen Kreditvertrag dann widerrufen kann, wenn er über sein Widerrufsrecht nach dem Haustür WG nicht belehrt wurde.

Nach einem Widerruf gemäß § 1 HaustürWG ist der Anleger nicht verpflichtet, der Bank die Darlehensvaluta zurückzuzahlen. Er hat lediglich seinen Fondsanteil an die Bank abzutreten. Umgekehrt schuldet ihm die Bank Rückzahlung der geleisteten Zins- und Tilgungsraten abzüglich der vereinnahmten Erträgnisse, was wiederum auf die Annahme eines verbundenen Geschäfts zwischen den beiden getätigten Rechtsgeschäften zurückzuführen ist.

7. Zusammenfassung

a. Prämisse ist stets das Vorliegen eines verbundenen Geschäfts

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der II. Senat weitreichende und einschneidende Entscheidungen getroffen hat, welche sich aber nicht ohne eine in jedem Einzelfall vorzunehmende Analyse auf sonstige Fälle übertragen lassen, da bereits die Grundfrage, nämlich das Vorliegen eines verbundenen Geschäfts, jeweils nur für den konkreten Einzelfall beurteilt werden kann.

Vor diesem Hintergrund sind auch die diversen bereits kursierenden Presseverlautbarungen zu diesen Urteilen stets mit Vorsicht zu genießen, da in einer Vielzahl der Fälle Verallgemeinerungen vorgenommen werden, die von den angeführten Urteilen in dieser Form nicht gedeckt werden. Die Urteile eröffnen dem Anleger zwar neue Möglichkeiten, doch stellen sie keinen Freifahrtsschein dar, mit welchem sich der Anleger stets den Forderungen der finanzierenden Bank entziehen kann.

Redaktion

Redaktion: Rechtsanwalt Dr. Christian Stari und Rechtsanwalt Andreas Noack

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