Wichtige geplante Änderungen und Handlungsbedarf für Energieversorgungsunternehmen

ENERGIERECHT Nr. 4
13.06.2006 | Wibke Reimann

I. Bundesnetzagentur veröffentlicht geplante Inhalte für Lieferantenrahmenverträge im Strombereich mit der Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum 23. Juni 2006

Nach §§ 29 Abs. 1, 66 Abs. 1 EnWG i.V.m. § 27 Abs. 1 Nrn. 7, 15 StromNZV hat die 6. Beschlusskammer der Bundesnetzagentur (BNetzA) die Inhalte vorstellt, welche sie den Netzbetreibern für den Abschluss von Lieferantenrahmenverträgen vorzugeben beabsichtigt. Bis zum 23. Juni 2006 haben alle interessierten Marktteilnehmer Gelegenheit, zu diesen Inhalten Stellung zu nehmen. 

Die beabsichtigten Regelungsinhalte betreffen folgende Themenbereiche:       

1. Voraussetzungen für die Aufnahme der Belieferung von Entnahmestellen durch den Lieferanten 

* Abschluss von Netzanschluss- und Anschlussnutzungsverträgen

* Widerlegbare Vermutung, dass entsprechende Verträge mit den Entnahmestellen und dem Netzbetreiber bestehen. 

* Möglichkeit für den Lieferanten, diese Verträge in Vollmacht der Letztverbraucher in Form einer Rahmenvereinbarung abzuschließen.  (G Handlungsbedarf: Vertragsmuster für Rahmenvereinbarung müssten erstellt werden. Bei Sonderkunden mit Leistungsmessung empfiehlt es sich, neue Anschluss- und Anschlussnutzungsverträge unmittelbar zwischen Netzbetreiber und Anschlussnutzer abzuschließen oder bestehende Verträge anzupassen.)

* Bilanzkreiszuordnung sowie das Bestehen eines Vollversorgungs- oder offenen Liefervertrages müssen vom Lieferanten versichert werden.

* Lieferant muss auf Wunsch des Netzbetreibers den Bilanzkreisverantwortlichen und dessen Bestätigung der Datenzuordnungsermächtigung nachweisen.     

2. Voraussetzungen der Sperrung von Entnahmestellen im Auftrag des Lieferanten 

* Die vorgesehene Regelung entspricht dem Regelungsentwurf in den Netzanschlussverordnungen.

* Zu beachten ist, dass zwar eine Haftungsfreistellungspflicht des Lieferanten besteht, diese aber nicht über eine Sicherheitsleistung abgesichert werden kann (siehe unten).  

Handlungsbedarf:  

Es empfiehlt sich in einer Stellungnahme gegenüber der BNetzA darauf hinzuweisen, dass gerade bei der Sperrung von Industriekunden für die Forderung einer angemessenen Sicherheitsleistung ein Bedürfnis besteht, wenn der Lieferant über keine ausreichende Bonität verfügt und beim Kunden erhebliche Schäden eintreten können.        

3. Lastprofilverfahren (synthetisch/analytisch erweitert)   * Fristen und Art der Datenübermittlung      

4. Abrechnungsregelungen für Lieferstellen mit und ohne Leistungsmessung. Insbesondere Abrechnung der Leistung bei unterjährigen Verträgen.     

5. Fälligkeit von Forderungen etc.  

* Zahlungsverweigerung des Lieferanten begrenzt, insbesondere kein Recht zur Zahlungsverweigerung bei Einwand der Unbilligkeit nach § 315 BGB.      

6. Möglichkeit zur Forderung einer Sicherheitsleistung unter bestimmten Voraussetzungen      

7. Laufzeit und Kündigung     

Bewertung:  

Die vorgeschlagenen Regelungen sind bis auf die widerlegbare Vermutung zu Lasten des Netzbetreibers hinsichtlich des Bestehens von Netzanschluss- bzw. Anschlussnutzungsverträgen, den Abschluss von Rahmenanschluss- und Anschlussnutzungsverträgen durch den Lieferanten sowie das Fehlen einer Sicherheitsleistung bei Sperrungen im Auftrag des Lieferanten grundsätzlich für die Netzbetreiber akzeptabel.               

II. Bundesnetzagentur veröffentlicht das von den ÜNB vorgelegte Muster eines Bilanzkreisvertrages nebst Anlagen mit der Möglichkeit zur Stellungnahme

Handlungsbedarf: 

Sie sollten prüfen oder prüfen lassen, ob die Regelungen des vorgelegten Bilanzkreisvertrages mit den Regelungen bestehender Verträge übereinstimmen und welche wirtschaftlichen Auswirkungen sich aus dem vorgelegten neuen Entwurf eines Bilanzkreisvertrages für Ihre Regelzone ergeben. Bei schwerwiegenden wirtschaftlichen oder rechtlichen Nachteilen sollten Sie dies der Bundesnetzagentur bis zum 10. Juli 2006 mitteilen.

III. Bundesregierung legt Entwürfe der Netzanschlussverordnungen (Niederspannung (NAV)/Niederdruck (NDAV)) vor

Die Bundesregierung hat unter dem 26. Mai 2006 dem Bundesrat die Entwürfe zu einer Verordnung zum Erlass von Regelungen des Netzanschlusses von Letztverbrauchern in Niederspannung und Niederdruck zur Zustimmungserteilung weitergeleitet (BR-Drs. 367/06). Es ist geplant, die Abstimmungen im Bundesrat noch vor der Sommerpause abzuschließen, damit die Verordnungen noch im Juli/August 2006 in Kraft treten können. 

1. Niederspannungsanschlussverordnung (NAV)  Die Regelungen betreffen den Niederspannungsanschluss und die Anschlussnutzung. 

a. Geltungsbereich

Die NAV wird rückwirkend für alle nach dem 12. Juli 2005 abgeschlossenen Netzanschlussverhältnisse gelten.  Anschlussverträge, die vor Inkrafttreten des EnWG 2005 (13. Juli 2005) geschlossen wurden, können nach § 115 Abs. 1 Satz 2 EnWG auf Wunsch eines Anschlussnehmers angepasst werden. Auf Wunsch des Netzbetreibers kann die Anpassung gegenüber allen Anschlussnehmern im Niederspannungsnetz durch öffentliche Bekanntgabe geltend gemacht werden und wird dann einen Tag nach der Bekanntgabe wirksam. Zu beachten ist, dass die AVBEltV mit Inkrafttreten der NAV aufgehoben wird und somit nicht mehr automatisch Vertragsbestandteil von Netzanschlussverträgen ist.  

Handlungsbedarf! 

Es empfiehlt sich, die Anschlussverträge von Niederspannungs- und auch Mittelspannungskunden dahingehend überprüfen zu lassen, welche Auswirkungen die Aufhebung der AVBEltV im Einzelfall haben wird. Gerade bei Mittelspannungskunden wird dringender Anpassungsbedarf bestehen! Für Anschlussnutzungsverträge gilt, dass die Verordnung rückwirkend auf alle auch vor Inkrafttreten der Verordnung geschlossenen Verhältnisse anzuwenden ist. 

b. Netzanschlussverhältnis

Besonders hervorzuheben ist, dass in § 2 Abs. 4 NAV erstmalig ausdrücklich klargestellt wird, dass Zahlungsansprüche des Netzbetreiber gegen den Anschlussnehmers nicht auf einen Erwerber des Grundstücks im Rahmen einer Rechtsnachfolge übergehen, sondern dass der ursprüngliche Anschlussnehmer verpflichtet bleibt. Damit setzt der Verordnungsgeber die vom BGH insoweit bereits vertretene Rechtsauffassung um. Es ist insoweit aber zu beachten, dass der Netzbetreiber dem neuen Anschlussnehmer den Vertragsschluss unverzüglich schriftlich zu bestätigen hat.  

c. Anschlussnutzungsverhältnis

Die Anschlussnutzung kommt nach § 3 NAV bereits durch Entnahme von elektrischer Energie aus dem Versorgungsnetz zustande, wobei dem Anschlussnutzer oder dessen Lieferanten ein Recht auf Netzzugang zustehen muss. Sollte Letzteres nicht der Fall sein, ist der Netzbetreiber verpflichtet, sowohl den Anschlussnutzer als auch den Grundversorger zu informieren und den Anschlussnutzer auf den Umstand hinzuweisen, dass eine Grundversorgung oder Ersatzversorgung eingreifen kann. Die Regelung zum Zustandekommen des Anschlussnutzungsvertrages ist derzeit noch etwas holprig und wird hoffentlich im Bundesrat noch Veränderungen, insbesondere Klarstellungen erfahren.  

Handlungsbedarf! 

Der Netzbetreiber muss zukünftig sicherstellen, dass die Voraussetzungen der zulässigen Aufnahme der Anschlussnutzung geprüft werden, sobald die Entnahme von Energie festgestellt wird. Ferner ist ausdrücklich klargestellt, dass der Netzbetreiber nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, den Grundversorger zu informieren, wenn elektrische Energie von einem Anschlussnutzer ohne Vorliegen eines Lieferanten entnommen wird. Organisatorische Abläufe sollten deshalb insoweit überprüft und ggf. angepasst werden. 

d. Anforderungen an den Vertragsinhalt

Der Netzanschlussvertrag sowie die Bestätigung gegenüber einem Grundstückserwerber müssen ebenso wie der Anschlussnutzungsvertrag jetzt folgende Angaben enthalten:     

  1. Angaben zum Anschlussnehmer oder -nutzer (Firma, Registergericht, Registernummer, Familienname, Vorname, Geburtstag, Adresse, Kundennummer)     
  2. Anlagenadresse und Bezeichnung des Zählers oder des Aufstellungsortes     
  3. Angaben zum Netzbetreiber (Firma, Registergericht, Registernummer und Adresse)     
  4. Am Netzanschluss vorzuhaltende Leistung 

Die allgemeinen Bedingungen sind dem neuen Anschlussnehmer oder -nutzer - sowie bei Altverträgen auf Wunsch - auszuhändigen! 

Handlungsbedarf! 

Es ist zu prüfen, ob die organisatorischen Abläufe und derzeit verwendeten Formulare oder Vertragsmuster entsprechend umgestellt werden müssen. 

e. Haftung gegenüber Anschlussnutzern Beweislastumkehr zu Lasten der Netzbetreiber

Neben der unten näher dargestellten Haftungsregelung soll zu Lasten der Netzbetreiber die widerlegbare Vermutung geregelt werden, dass der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde. Dies bedeutet, dass die Netzbetreiber nunmehr gegenüber den Anschlussnutzern nachweisen müssen, dass ein Schaden von ihnen nicht verschuldet wurde! Die Privilegierung von Netzbetreibern hinsichtlich der für grobe Fahrlässigkeit bisher ausgeschlossenen Verschuldenszurechnung von Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB soll abgeschafft werden! 

Handlungsbedarf! 

Es sollte die Organisationsstruktur im Netzbetrieb darauf überprüft werden, ob zukünftig der Nachweis erbracht werden könnte, dass Verrichtungsgehilfen sorgfältig ausgewählt und überwacht werden (Insbesondere erforderlich, wenn Fremdunternehmen eingesetzt werden!). Auswahl und Kontrollen sollten dokumentiert werden können. Interne Abläufe sollten so gestaltet werden, dass grob fahrlässiges Verhalten von Mitarbeitern möglichst ausgeschlossen werden kann (Schulungen, Kontrolle durch Vorgesetzte etc.).

Neue Haftungssystematik

 

 

Verschulden

Personenschäden

Sachschäden

Vermögensschäden

 

 

 

Vorsatz

Volle Haftung

Volle Haftung

Volle Haftung

 

 

 

Grobe Fahrlässigkeit

Volle Haftung

Gegenüber Anschlussnutzern (AN) keine individuelle summenmäßige Haftungsbegrenzung mehr! (NEU)

   

Summenmäßige Haftungsbeschränkung je Schadensereignis insgesamt.
10 Mio. € bei < 100.000 AN
20 Mio. € bei 100.001 -
200.000 AN
30 Mio. € bei 200.001 bis
1 Mio. AN
40 Mio. € bei > 1 Mio. AN

Haftungssummen vervierfacht!

  

Summenmäßige Haftungsbeschränkung je Schadensereignis pro AN: 5.000 €

Gesamt:
2 Mio. € bei < 100.000 AN
4 Mio. € bei 100.001 -
200.000 AN
6 Mio. € bei 200.001 bis
1 Mio. AN
8 Mio. € bei > 1 Mio. AN
    

Haftungssummen verringert!

  

 

 

 

Sonstige Fahrlässigkeit

Volle Haftung

Haftung (NEU)

Summenmäßige Haftungsbeschränkung je Schadensereignis 
pro AN: 5.000 €
Gesamt: Wie oben

   

Keine Haftung

 

 

 

Keine Haftung bei Schäden unter 30 €.

   

    

Handlungsbedarf! 

Versicherungsverträge sind zu überprüfen und an die neuen Anforderungen anzupassen! Eine rechtzeitige Vorklärung mit der Versicherung empfiehlt sich, um Kosten abschätzen zu können. 

Versäumnis des Verordnungsgebers:

Bislang ist die Einbeziehung von Kunden, die außerhalb dieser Verordnung an das Netz des Netzbetreibers angeschlossen sind (Kunden im Mittel, Hoch- und Höchstspannung), in die Gesamtsumme der Haftungsbegrenzung nur für Ansprüche geregelt, die von Anschlussnutzern gegenüber dritten Netzbetreibern geltend gemacht werden. Bislang war in § 6 Abs. 2 AVBEltV/AVBGasV vorgesehen, dass in die Gesamthöchstgrenzen generell auch die Schäden von Sondervertrageskunden einbezogen werden können.  

Handlungsbedarf! 

Es empfiehlt sich, den VKU auf dieses Versäumnis hinzuweisen, damit dieser im Bundesratsverfahren noch auf eine Änderung hinwirken kann. Denn bliebe es bei der ausschließlichen Regelung in § 18 Abs. 3, hätte dies für Verteilnetzbetreiber die Folge, dass Schäden von sonstigen Anschlussnehmern außerhalb der Verordnung (Kunden im Mittel, Hoch- und Höchstspannung) nicht als Teil der Gesamthöchstgrenzen gewertet werden dürfen, wodurch sich die Erstattungspflicht der Verteilnetzbetreiber gegenüber der jetzigen Haftung noch weiter erhöhen würde.   Im Übrigen hat der Verordnungsgeber die Systematik des § 6 AVBEltV/AVBGasV beibehalten. 

f. Baukostenzuschüsse (BKZ)

BKZ dürfen nur noch für den Teil der Leistungsanforderung erhoben werden, der eine Leistungsanforderung von 40 kW übersteigt. Sog. BKZ-freier Sockel.  

Auch im weiteren enthält die Neuregelung in § 11 NAV einige Einschränkungen des Netzbetreibers. So darf ein BKZ nur zur teilweisen Deckung (50 %) der bei wirtschaftlich effizienter Betriebsführung notwendigen Kosten verlangt werden. Ferner werden nur die Kosten ansatzfähig sein, die auf die Erstellung oder Verstärkung der örtlichen Niederspannungsnetze sowie Transformatoren entfallen. Maßnahmen im Mittelspannungsnetz sind nicht mehr berücksichtigungsfähig. Ein weiterer BKZ ist ferner nur noch bei erheblichen Leistungserhöhungen zulässig. Die Folge ist, dass Netzerstellungs- und Netzerweiterungsmaßnahmen überwiegend bei der Berechnung der Netznutzungsentgelte anzusetzen sind.  

Wegen der erheblichen Auswirkungen der Neuregelung hat der Verordnungsgeber eine Übergangsregelung vorgesehen, welche bei bis zum 01. Juli 2007 hergestellten Anschlüssen, welche vor Inkrafttreten der Verordnung errichtet oder bei denen mit der Errichtung begonnen wurde, regelt, dass noch die alten Berechnungsweisen angewendet werden dürfen. Allerdings ist auch hier der BKZ auf maximal 50 % der Kosten gedeckelt. 

Handlungsbedarf! 

Die unternehmensinternen Berechnungsvorlagen für BKZ sind zu überarbeiten. Die Vorgaben der NAV sind bei der Netzentgeltkalkulation zu berücksichtigen. 

g. Sonstige für Netzbetreiber ungünstige Änderungen

* Zu beachten ist, dass der Verordnungsgeber eine unentgeltliche Grundstücksbenutzung nach Einstellung der Anschlussnutzung bzw. Beendigung des Anschlussverhältnisses statt für bisher 5 auf nur noch 3 Jahre vorsieht. Gleiches gilt für Transformatorenstationen.

* Die Androhungsfrist für eine Sperrung des Anschlussnutzungsverhältnisses wurde von 2 auf 4 Wochen verlängert.

* Der Netzbetreiber muss Anschlussnutzer von einer beabsichtigten Ablesung mit einem Vorlauf von 3 Wochen benachrichtigen und mindestens einen Ersatztermin nennen. Ein Aushang im Haus reicht als Benachrichtigung aus. 

h. Für Netzbetreiber positive Änderungen

* Die Voraussetzungen für eine Unterbrechung der Anschlussnutzung sind nun in § 17 NAV geregelt.

* In § 23 Abs. 1 NAV wird klargestellt, dass der Einwand der Unbilligkeit nach § 315 BGB nicht zur Zahlungsverweigerung berechtigt.

* Die Voraussetzungen für eine Unterbrechung der Anschlussnutzung im Auftrag eines Lieferanten ist in § 24 Abs. 3 NAV geregelt. Positiv ist, dass der Verordnungsgeber das Bedürfnis des Netzbetreibers für eine Haftungsfreistellung gesehen hat. Negativ ist, dass dem Netzbetreiber eine Prüfungspflicht obliegt, ob der Lieferant die Berechtigung einer Sperrung glaubhaft gemacht hat. 

2. Niederdruckanschlussverordnung (NDAV)

Im Wesentlichen entspricht der Regelungsgehalt der NDAV unter Berücksichtigung der gasspezifischen Besonderheiten den Regelungen der NAV.  Auf folgende Abweichungen möchten wir hinweisen:

* Kein BKZ-freier Sockel, wegen des bestehenden Substitutionswettbewerbes im Gasbereich

* Beibehaltung des bisherigen Installateurwesens bei der Errichtung und Veränderung von Kundenanlagen wegen der besonderen Sorgfalt, die bei Gasanlagen aufgewendet werden muss. 

3. Sonstige wichtige Änderungen anderer Verordnungen

Die Konzessionsabgabenverordnung soll dahingehend ergänzt werden, dass nicht nur Rabatte auf Netznutzungsentgelte für die Belieferung in Niederspannung, sondern auch auf Transportentgelte für die Belieferung in Niederdruck gewährt werden dürfen!            

IV. Bundesregierung legt Entwürfe der Grundversorgungsverordnungen (StromGVV und GasGVV) vor

Die Bundesregierung hat unter dem 04. Mai 2006 dem Bundesrat die Entwürfe zu einer Verordnung zum Erlass von Regelungen des Netzanschlusses von Letztverbrauchern in Niederspannung und Niederdruck zur Zustimmungserteilung weitergeleitet (BR-Drs. 306/06). Es ist geplant, die Abstimmungen im Bundesrat noch vor der Sommerpause abzuschließen, damit die Verordnungen noch im Juli/August 2006 in Kraft treten können. 

Die Verordnungen regeln die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung von allen Letztverbrauchern. 

§ 2 Vertragsschluss (Grundversorgung)

* Der Kunde muss den Grundversorger informieren, wenn er Energie entnimmt oder wenn er über keinen neuen Energieliefervertrag nach Beendigung des bisherigen Energieliefervertrages verfügt.

* Der Grundversorger muss in der Vertragsbestätigung dem Kunden mitteilen, dass bei Versorgungsstörungen Ansprüche gegenüber dem Netzbetreiber geltend gemacht werden können. 

(Handlungsbedarf: Entsprechende Kundenbestätigungen sind als Muster zu erstellen!) 

§ 3 Ersatzversorgung

Der Grundversorger wird verpflichtet, den Letztverbraucher unverzüglich nach Kenntnisnahme auf den Zeitpunkt des Beginns und des Endes der Ersatzversorgung sowie auf die Notwendigkeit des Abschlusses eines Energieliefervertrages nach 3 Monaten hinzuweisen. Haushaltskunden sind ferner über die Möglichkeit der Grundversorgung zu informieren.  

Handlungsbedarf! 

Standardschreiben sollten vorbereitet werden. 

§ 4 Bedarfsdeckung

Den Kunden trifft eine Gesamtbedarfsdeckungsverpflichtung (Grund- und Ersatzversorgung). Ausnahmen bei Eigenanlagen wie KWK-Anlagen <50 kW, EEG-Anlagen und Notstromagregaten. 

§ 5 Art der Versorgung

Richtet sich nach den Anforderungen des Netzes der allgemeinen Versorgung. Preise und ergänzende Bestimmungen können durch öffentliche Bekanntgabe einseitig geändert werden. Bekanntgabe sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung mit Wirkung zum Monatsbeginn nach Bekanntgabe. 

§ 6 Umfang der Grundversorgung

Keine Leistungspflicht des Grundversorgers bei Unregelmäßigkeiten oder Unterbrechungen der Elektrizitätsversorgung als Folge des Netzbetriebes oder Netzanschlusses. Damit haftet der Grundversorger gegenüber dem Haushaltskunden nur dann, wenn er die Lieferunterbrechung pflichtwidrig herbeigeführt hat (z.B. zulässige Verweigerung der Durchleitung wegen Nichtzahlung von Netznutzungsentgelten etc.). Der Grundversorger hat die Haushaltskunden darüber zu informieren, was die Ursachen einer Lieferunterbrechung waren. 

§ 7 Erweiterung und Änderung von Kundenanlagen und Verbrauchsgeräten

Mitteilungspflicht des Haushaltskunden entsprechend § 15 Abs. 2 AVBEltV. Ergänzende Bedingungen des Grundversorgers können weitere Details regeln. 

§ 8 Messeinrichtungen (entspricht § 19 AVBEltV unter Berücksichtigung der Neuerungen nach § 21 b EnWG) 

§ 9 Zutrittsrecht (Wie in NAV geregelt. Diese Regelung gilt nicht für den Ersatzversorger!)

Die Herausnahme des § 9 aus dem Anwendungsbereich für Ersatzversorger ist problematisch. 

§ 10 Vertragsstrafe (entspricht § 23 Abs. 1 - 3 AVBEltV) 

§ 11 Ablesung

Wichtige Rechte des Grundversorgers zur Datenabfrage beim Netzbetreiber und zur Zwischenablesung sowie Verbrauchsschätzung. 

§§ 12 - 18 (Regelungen zur Abrechnung, Abschlagszahlungen etc.)

Die Regelungen entsprechen §§ 21, 24, 25, 26, 27, 28, 29 AVBEltV, zum Teil Sonderregelungen für die Abrechnung der Ersatzbelieferung. Aus der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 3 ergibt sich im Zusammenhang mit der Gesetzesbegründung jedoch, dass Einwände gegen die Billigkeit nach § 315 BGB den Kunden zur Zurückbehaltung von Zahlungen berechtigen. 

§ 19 Unterbrechung der Grundversorgung

Die Regelung entspricht § 24 NAV und enthält die Berechtigung des Grundversorgers, den Netzbetreiber mit der Unterbrechung der Grundversorgung, z. B. in Fällen des Zahlungsverzuges, zu beauftragen. 

§§ 20, 21 ordentliche und außerordentliche Kündigung

Es gibt keine Mindestlaufzeit des Grundversorgungsvertrages mehr. Eine Kündigung muss mit einer Frist von einem Monat zum Ende des Monats erfolgen. Bei Umzügen gilt - wie bisher auch - die Frist von 2 Wochen. Zu beachten ist, dass die Kündigungserklärung schriftlich zu erfolgen hat und vom Grundversorger gegenüber dem Kunden zu bestätigen ist. 

Geltungsbereich

Die Strom-/GasGVV gelten rückwirkend für alle nach dem 12. Juli 2005 geschlossenen Versorgungsverträge mit Haushaltskunden. Bei Lieferverhältnissen, die mit Tarifkunden vor dem 13. Juli 2006 geschlossen wurden, muss der Grundversorger diese Kunden über eine Vertragsanpassung durch öffentliche Bekanntgabe und Veröffentlichung auf seiner Internetseite gem. § 115 Abs. 2 Satz 3 EnWG informieren. Es besteht insoweit eine Anpassungspflicht. Die Verordnung findet dann auf bestehende Vertragsverhältnisse ab dem auf die Bekanntmachung folgenden Tag Anwendung. 

Handlungsbedarf! 

Bestehende ergänzende Bestimmungen zur AVBEltV/AVBGasV sind zu überarbeiten und gesonderte ergänzende Bestimmungen zur NAV/NDAV sowie zur StromGVV/GasGVV zu erstellen. Zu beachten ist, dass bei der NAV/NDAV nicht mehr in gleichem Umfang wie bei der AVBEltV/AVBGasV ergänzende Bestimmungen zulässig sind. 

Wir haben nur die aus unserer Sicht wichtigsten Änderungen dargestellt. Die Aufstellung der Neuregelungen ist deshalb nicht abschließend. 

Zu weiteren Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

gez. 

Wibke Reimann

Rechtsanwältin

Redaktion

Redaktion: Rechtsanwältin Wibke Reimann

Herausgeber: Bethge.Reimann.Stari Rechtsanwälte, Berlin 

Sekretariat: Susanne Rothe, Tel: 030 - 890492-11, Fax: 030 - 890492-10

Recht aktuell wird nach sorgfältig ausgewählten Unterlagen erstellt. Diese Veröffentlichung verfolgt ausschließlich den Zweck, bestimmte Themen anzusprechen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für die Anwendung im konkreten Fall kann eine Haftung nicht übernommen werden. Sollten Sie weitere Fragen zu den angesprochenen Themen haben, so wenden Sie sich bitte an unsere Ansprechpartner. Der Nachdruck - auch auszugsweise - ist nur mit Quellenangabe gestattet.

Wenn Sie die Publikation nicht mehr erhalten wollen, teilen Sie uns dies bitte per E-Mail mit.



# Tags: Recht Aktuell, Energierecht, Wibke Reimann