AKTUELLES URTEIL DES EUROPÄISCHEN GERICHTSHOFES ZU DEN RECHTFOLGEN DES WIDERRUFS EINES BEITRITTS ZU EINEM GESCHLOSSENEN IMMOBILIENFONDS NACH MASSGABE DES HAUSTÜRWIDERRUFSGESETZE

IMMOBILIENRECHT Nr. 10
22.04.2010 | Andreas Noack

Mit unserer Kurzinfo Immobilienrecht Nr. 5 vom 15. Oktober 2008 hatten wir berichtet, dass der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 05. Mai 2008 (Az. II ZR 292/06) dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zur Entscheidung vorgelegt hatte, welche im Zusammenhang mit den Rechtsfolgen des Widerrufs eines Beitritts zu einem geschlossenen Immobilienfonds nach Maßgabe des Haustürwiderrufsgesetzes standen.

Ausgangspunkt war die Frage, ob ein Gesellschafter aufgrund des von ihm fristgemäß erklärten Widerrufes zum Ausgleich des bei der Auseinandersetzung ermittelten negativen Auseinandersetzungsguthabens verpflichtet werden könnte oder ob dies mit dem Schutzzweck der dem Haustürwiderrufsgesetz zugrunde liegenden Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen unvereinbar wäre, sofern diese auch auf diesen Sachverhalt Anwendung findet.

In dem Vorlagebeschluss führte der Bundesgerichtshof aus, dass auf Grundlage der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft, eine solche Zahlungspflicht anzunehmen wäre, jedoch nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine solche Zahlungspflicht gegen die Richtlinie verstoßen würde, so dass nachfolgende Fragen dem Europäischen Gerichtshof zur Beantwortung vorgelegt wurden:

Mit der ersten Vorlagefrage wollte der Bundesgerichtshof die Frage klären, ob die Richtlinie auf derartige Rechtsgeschäfte, mithin den Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds überhaupt Anwendung finde, was seinen Grund offensichtlich in den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes vom 25. Oktober 2005 hatte, mit welchen dieser eine Anwendbarkeit der Richtlinie auf den direkten Erwerb einer Immobilien eindeutig verneint hatte, worüber wir in unserer Kurzinfo Immobilienrecht Nr. 5 vom 16. Dezember 2005 berichtet haben. Die Bundesregierung vertrat in ihrer Stellungnahme diesbezüglich die Rechtsansicht, dass die Richtlinie auch bei einem Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds keine Anwendung finden könne, da es sich hierbei um einen Tatbestand handele, der nicht vom Schutzweck der Richtlinie erfasst werde und unter den Ausnahmetatbestand des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie falle, welcher "Verträge über andere Rechte an Immobilien" neben deren unmittelbarem Erwerb aus dem Anwendungsbereich ausklammert.

Der Europäische Gerichtshof hat die "Vor"-Frage eindeutig dahingehend beantwortet, dass er eine Anwendbarkeit der Richtlinie bejaht. Es wurde klargestellt, dass die Ausnahmetatbestände stets eng auszulegen seien und daher der Umstand, dass der Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds einen Bezug zu einer Immobilie habe, keinesfalls ausreichend sei, um die Anwendung des Ausnahmetatbestandes zu rechtfertigen. Es gehe bei derartigen Geschäften ausschließlich um den Beitritt zu einer Personengesellschaft gegen Leistung einer Kapitaleinlage, was unzweifelhaft dem Schutzzweck der Richtlinie unterfalle.

Mit der zweiten Vorlagefrage wollte der Bundesgerichtshof die Frage klären, ob die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft mit Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie vereinbar ist, wonach die Anzeige des Widerrufs bewirken soll, dass der Verbraucher aus allen aus dem widerrufenen Vertrag erwachsenen Verpflichtungen entlassen wird.

Der Europäische Gerichtshof stellte in diesem Zusammenhang zunächst klar, dass die Richtlinie in Art. 7 zunächst selbst vorsehe, dass die Rechtsfolgen der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher nach einzelstaatlichen Regeln erfolgen. Zwar obliege die Rechtsfolgenausgestaltung somit der Hoheit der einzelnen Mitgliedstaaten, doch müssten diese sich hierbei selbstverständlich an den Zielen der Richtlinie derart orientieren, dass die praktische Wirksamkeit der Richtlinie auch im nationalen Recht gewährleistet wird. Daran, dass die Richtlinie dem Schutz der Verbraucher dient, ließ der Europäische Gerichtshof keinen Zweifel, doch betonte er zugleich, dass dieser Schutz keineswegs absolut sei, weshalb dieser im Einzelfall angemessene Einschränkungen hinnehmen müsse.

Der EuGH verwies dabei auf vorangegangene Entscheidungen, welche sich nicht auf den Beitritt zu einer Gesellschaft bezogen, bei welchen aber ebenfalls klargestellt wurde, dass der Verbraucher trotz seines Widerrufs in ganz bestimmten Fällen Verpflichtungen gegenüber dem Vertragspartner haben kann und gegebenenfalls gewisse Folgen tragen muss, die sich aus der Ausübung seines Widerrufsrechts ergeben.

Vor diesem Hintergrund hat der EuGH unter Berücksichtigung der Ausführungen des BGH in dessen Vorlagebeschluss, wonach die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts zu einem vernünftigen Ausgleich und einer gerechten Risikoverteilung zwischen den Beteiligten sorgen soll, festgestellt, dass diese Rechtsfolge mit der Richtlinie vereinbar sei.

Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft ermöglichen nach Einschätzung des EuGH dem Verbraucher, der seinen Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds widerruft, seine Anteile zurückzugeben und gleichzeitig einen Teil der Risiken zu übernehmen, die untrennbar mit jeder Kapitalanlage dieser Art verbunden sind. Zugleich wird durch die Anwendung dieser Grundsätze vermieden, den Mitgesellschaftern und Drittgläubigern die finanziellen Folgen des Widerrufs dieses Beitritts aufzubürden, die sich aus der Unterzeichnung eines Vertrages ergeben, an dem diese "Dritten" nicht beteiligt waren.

Hieraus will der EuGH offensichtlich ableiten, dass der Verbraucherschutzgedanke der Richtlinie keinesfalls dazu führen dürfe, das Dritte, die an dem Haustürgeschäft nicht beteiligt waren, die Folgen des Widerrufs zu tragen hätten.

Auf dieser Grundlage wurde sodann die entscheidende zweite Vorlagefrage, wie folgt beantwortet:

"Art. 5 der Richtlinie 85/577 steht unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einer nationalen Regelung nicht entgegen, die besagt, dass im Falle des Widerrufs eines in einer Haustürsituation erklärten Beitritts zu einem geschlossenen Immobilienfonds in Form einer Personengesellschaft der Verbraucher gegen diese Gesellschaft einen Anspruch aus sein Auseinandersetzungsguthaben geltend machen kann, der nach dem Wert seines Anteils im Zeitpunkt des Ausscheidens aus diesem Fonds berechnet wird, und dass er dementsprechend möglicherweise weniger als den Wert seiner Einlage zurückerhält oder sich an den Verlusten des Fonds beteiligen muss."

Für die Anleger bedeutet dies das Ende der Hoffnung, sich von den finanziellen Belastungen der von ihnen gezeichneten Immobilienfondsbeteiligungen durch einfachen Widerruf nach dem Haustürwiderrufsgesetz zu lösen. Auch wenn die Begründung des EuGH viele Fragen offen lässt und man sich die begründete Frage stellen muss, welcher Schutz des Verbrauchers mit dieser Rechtsfolge noch erreicht werden soll, da er sämtliche Nachteile seiner Beitrittserklärung uneingeschränkt zu tragen hat, wird man doch zur Kenntnis nehmen müssen, dass nach dieser Entscheidung die nationale Rechtsprechung bei der Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft und deren nachteiliger Folgen für den den Widerruf erklärenden Anleger bleiben wird.

Redaktion

Redaktion: Rechtsanwalt Andreas Noack

Herausgeber: Bethge.Reimann.Stari Rechtsanwälte, Berlin 

Sekretariat: Susanne Rothe, Tel: 030 - 890492-11, Fax: 030 - 890492-10

Recht aktuell wird nach sorgfältig ausgewählten Unterlagen erstellt. Diese Veröffentlichung verfolgt ausschließlich den Zweck, bestimmte Themen anzusprechen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für die Anwendung im konkreten Fall kann eine Haftung nicht übernommen werden. Sollten Sie weitere Fragen zu den angesprochenen Themen haben, so wenden Sie sich bitte an unsere Ansprechpartner. Der Nachdruck - auch auszugsweise - ist nur mit Quellenangabe gestattet.

Wenn Sie die Publikation nicht mehr erhalten wollen, teilen Sie uns dies bitte per E-Mail mit.



# Tags: Andreas Noack, Immobilienrecht, Recht Aktuell