AKTUELLE ENTSCHEIDUNGEN ZUR PFLEGE- UND ELTERNZEIT

ARBEITSRECHT NR. 7
30.03.2011 | Glenn Dammann, Stephanie Musiol

I. Mehrfache Inanspruchnahme von Pflegezeit

- LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 31. März 2010 - Az.: 20 Sa 87/09 -

Nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg lässt das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) nur eine einmalige ununterbrochene Pflegezeitnahme von längstens sechs Monaten für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen zu. 

Eine Aufteilung der Pflegezeit in mehrere getrennte Abschnitte sieht § 3 PflegeZG nicht vor.

Einleitung

In einem Betrieb mit mindestens 15 Beschäftigten sind Arbeitnehmer gem. § 3 PflegeZG auf schriftliches Verlangen zur Pflege eines nahen Angehörigen - vollständig oder teilweise - von der Arbeitsleistung freizustellen. Diese Pflegezeit beträgt nach § 4 Abs. 1 PflegeZG für jeden nahen Angehörigen höchsten sechs Monate. Für den Arbeitnehmer besteht darüber hinaus gem. § 2 PflegeZG die Möglichkeit, im Falle einer akut auftretenden Pflegesituation eine Arbeitsfreistellung von bis zu zehn Tagen in Anspruch zu nehmen. 

Nach § 5 PflegeZG genießt der Arbeitnehmer ab der Ankündigung bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung (§ 2 PflegeZG) oder der Pflegezeit (§ 3 PflegeZG) Sonderkündigungsschutz; eine ordentliche Kündigung ist in diesen Zeiträumen ausgeschlossen.

Die Entscheidung

In dem zugrunde liegenden Fall hatte der klagende Arbeitnehmer wegen seiner nachweislich pflegebedürftigen Mutter zunächst Pflegezeit nur für einen kurzen Zeitraum beansprucht. Nachfolgend beantragte er zusätzlich eine Pflegezeit für zwei weitere Tage, um seine Mutter erneut zu pflegen. Dies lehnte der Arbeitgeber mit der Begründung, der Arbeitnehmer habe vom Recht auf Freistellung zur Pflege seiner Mutter bereits einmal Gebrauch gemacht, ab und bot ihm statt dessen eine unbezahlte Freistellung an. Der Arbeitnehmer vertrat die Auffassung, dass der Anspruch auf Pflegezeit auch mehrmals in nicht zusammenhängenden Abschnitten bis zur Erreichung der Pflegehöchstdauer beansprucht werden kann. 

Das sah das LAG Baden-Württemberg anders und wies die Klage des Arbeitnehmers ab. 

Zur Begründung führte es aus, dass § 3 PflegeZG eine mehrfache Inanspruchnahme von Pflegezeit für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen gerade nicht vorsehe. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus Sinn und Zweck des Gesetzes. Der Gesetzgeber habe nicht gewollt, dass sämtliche Interessen des Arbeitgebers zurücktreten müssen und sich daher bewusst gegen eine Aufteilung der Pflegezeit in mehre Abschnitte entschieden. Andernfalls läge die Gestaltungsmacht allein bei dem pflegenden Arbeitnehmer, der sich je nach Verteilung der Pflegezeit u. U. sogar einen langjährigen besonderen Kündigungsschutz verschaffen könnte.

Fazit

Mit seiner Entscheidung hat das LAG Baden-Württemberg klargestellt, dass eine Verteilung der Pflegezeit - wie bspw. im Falle der Elternzeit - nach dem PflegeZG nicht möglich ist. Der Arbeitgeber ist folglich auch nicht dazu verpflichtet, eine weitere Pflegezeit für die Pflege derselben pflegebedürftigen Person zu gewähren. 

Diese Entscheidung ist gerade mit Blick auf die Problematik des Sonderkündigungsschutzes des pflegenden Arbeitnehmers zu begrüßen. Da der besondere Kündigungsschutz nach § 5 Abs. 1 PflegeZG nicht erst ab einer bestimmten Zeit vor dem Beginn der pflegebedingten Arbeitsverhinderung, sondern bereits ab der Ankündigung gilt, besteht hier von vornherein ein hohes Missbrauchsrisiko. Mit der zusätzlichen Möglichkeit einer Aufteilung der Pflegezeit würde letzteres erheblich zu Lasten des Arbeitgebers ausgeweitet, da der Arbeitnehmer bei geschickter Verteilung von Ankündigung und Durchführung mehrfacher Pflegezeiten ggf. langjährig ordentlich unkündbar wäre.

Vor dem Hintergrund dieses Sonderkündigungsschutzes ist Arbeitgebern auch insoweit von langfristigen Ankündigungen beabsichtigter Kündigungsmaßnahmen weitgehend abzuraten, um einem Missbrauch des Sonderkündigungsschutzes bei Pflegezeit vorzubeugen.

II. Ablehnung der Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit

- BAG, Urteil vom 15. Dezember 2009 - Az.: 9 AZR 72/09 -

Dem Anspruch auf Elternteilzeit können gem. § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG (Bundeselterngeld - u. Elternzeitgesetz) dringende betriebliche Gründe entgegenstehen. An das objektive Gewicht dieser Gründe sind jedoch erhebliche Anforderungen zu stellen.

Die Entscheidung

n dem vom BAG zu entscheidenden Fall klagte eine Arbeitnehmerin auf Zustimmung zur Verringerung ihrer vertraglichen Arbeitszeit während der Elternzeit. Die Arbeitnehmerin war vor der Geburt ihres Kindes in einem Betrieb mit mehr als 15 Arbeitnehmern als Leiterin des Controllings vollzeitig beschäftigt. Nach Geburt ihres Kindes beantragte sie beim Arbeitgeber Elternzeit, verbunden mit dem Begehren, während dieser in Teilzeit 20 Stunden pro Woche zu arbeiten. Der Arbeitgeber lehnte dies ab und begründete die Ablehnung mit dringenden betrieblichen Gründen und insbesondere der Unteilbarkeit ihres Arbeitsplatzes. 

Das BAG gab der Klägerin - anders als die Vorinstanz - Recht. Nach Ansicht der Richter in Erfurt hatte der Arbeitgeber keinen dringenden betrieblichen Grund dargelegt, der einem Anspruch auf Elternteilzeit entgegenstand. In seiner Begründung folgt das BAG den schon in seinem Urteil vom 05. Juni 2007 (Az.: 9 AZR 82/07) aufgestellten Grundsätzen, wonach die betrieblichen Hinderungsgründe in einer mehrfach gestuften Prüfung zu beurteilen sind. 

In der ersten Stufe ist zu untersuchen, ob der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein bestimmtes betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt. Sodann ist festzustellen, inwieweit diese Arbeitzeitregelung dem Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegensteht. Abschließend ist das Gewicht der betrieblichen Gründe zu prüfen. Hierbei ist zu klären, ob das betriebliche Organisationskonzept oder die zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung wesentlich beeinträchtigt werden. Nach Ansicht des BAG fehlt es an einem Organisationskonzept, wenn der Arbeitgeber lediglich - wie im zugrunde liegenden Fall - die Aufgaben nach seiner unternehmerischen Zielsetzung allein von einem Vollzeitbeschäftigten erledigen lassen will. Das gilt auch für Leitungsfunktionen.

Fazit

Mit seiner Entscheidung hat das BAG nochmals bekräftigt, dass an die Ablehnung des Elternteilzeitbegehrens aufgrund dringender betrieblicher Gründe strenge Voraussetzungen zu stellen sind. 

Der Arbeitgeber hat das Vorliegen eines Organisationskonzepts, die Beeinträchtigung dieses Konzepts für den Fall der Umsetzung des Teilzeitverlangens und darüber hinaus auch das besondere Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe darzulegen und ggf. zu beweisen. Letztere müssen zwingend und unabweisbar sein. 

Für den Arbeitgeber besteht demnach bei Elternteilzeit - im Gegensatz zum allgemeinen Anspruch auf Teilzeitarbeit - nur ein enger Spielraum, um den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit ablehnen zu können. Daher ist bei einer Ablehnung - und insbesondere deren Begründung - erhebliche Achtsamkeit geboten. Bei Unsicherheiten empfiehlt es sich, bereits frühzeitig Rechtsrat einzuholen, um kostenintensive Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Redaktion

Redaktion: Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Glenn Dammann und Rechtsanwältin Stephanie Musiol, LL.M.

Herausgeber: Bethge.Reimann.Stari Rechtsanwälte, Berlin 

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# Tags: Glenn Dammann, Arbeitsrecht, Recht Aktuell