Kurzinfo für Netzbetreiber von Strom und Gas! Insolvenz des Energielieferanten TelDaFax Energy GmbH

ENERGIERECHT Nr. 11
29.06.2011 | Wibke Reimann, Tatjana Schleicher

Einleitung

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Ihnen sicherlich bekannt ist, ist über das Vermögen der TelDaFax Energy GmbH (im Folgenden TelDaFax) das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet worden. TelDaFax verkündet auf ihrer Homepage, dass sie die Endkundenbelieferung seit 17. Juni aussetzt. Aus diesem Grund haben nach unserer Kenntnis bereits einige Übertragungsnetzbetreiber und Marktgebietsverantwortliche ihre Bilanzkreisverträge mit TelDaFax gekündigt. Ferner kündigt TelDaFax an, dass sie die Wiederaufnahme ihrer Geschäfte mit einem neuen Investor anstrebt.

Mit diesem Informationsschreiben möchten wir Ihnen Handlungsoptionen für folgende Fälle aufzeigen:

  •     Lieferantenrahmenvertrag wurde noch nicht gekündigt,
  •     TelDaFax will Netznutzung zur Kundenbelieferung wieder aufnehmen.

 

Handlungsempfehlung:

Sollten Sie die mit TelDaFax bestehenden Lieferantenrahmenverhältnisse noch nicht gekündigt haben, empfehlen wir Ihnen eine außerordentliche Kündigung auszusprechen. Dies gilt auch dann, wenn Sie TelDaFax zuvor den Netzzugang ohne Abschluss eines Lieferantenrahmenvertrages gewährt haben. Auf welcher Grundlage und unter welchen Voraussetzungen Sie eine Kündigung wirksam aussprechen können, muss je nach Einzelfall beurteilt werden. Hierzu erhalten Sie nachfolgend Anhaltspunkte.


Sollte TelDaFax ihre Geschäfte wiederaufnehmen, empfehlen wir, in die neuen Lieferantenrahmenverträge die Pflicht zur Leistung von Sicherheiten und/oder Vorauszahlungen vorzusehen und eine Sicherheitsleistung bzw. Vorauszahlung auch vor Beginn des Vertrages einzufordern.

I. Kündigung bestehender Lieferantenrahmenverträge

Falls Sie mit TelDaFax einen Lieferantenrahmenvertrag abgeschlossen haben, muss der Vertragstext daraufhin geprüft werden, ob und unter welchen Voraussetzungen er Ihnen ein außerordentliches Kündigungsrecht einräumt. Mögliche Kündigungsgründe könnten sein:

  •    Wegfall des Bilanzkreisvertrages
  •    Verschlechterung der Vermögenslage der TelDaFax
  •    Zahlungsrückstände
  •    Verweigerung einer Sicherheitsleistung

1. Wegfall der Bilanzkreisverträge

 Wenn die Übertragungs- bzw. Bilanzkreisnetzbetreiber die Bilanzkreisverträge mit TelDaFax kündigen bzw. gekündigt haben, könnte darin ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Lieferantenrahmenvertrages liegen. In solchen Fällen wäre die Belieferung der Endkunden durch TelDaFax nicht mehr möglich.

Die Netznutzung setzt voraus, dass die Entnahmestellen der Letztverbraucher des Lieferanten in ein vertraglich begründetes Bilanzkreissystem einbezogen sind. Nicht alle Lieferantenrahmenverträge regeln den Wegfall des Bilanzausgleichs als einen außerordentlichen Kündigungsgrund.

Sollte Ihr Lieferantenrahmenvertrag Ihnen ein außerordentliches Kündigungsgrund wegen des Wegfalls des Bilanzausgleichs einräumen, können Sie ihn aus diesem Grund kündigen.


Sollte dies nicht der Fall sein, müssten Sie sich auf andere Kündigungsgründe berufen. Welche Kündigungsgründe in Betracht kommen, hängt vom Vertragstext sowie von den Umständen des Einzelfalls ab.

2. Insolvenz der TelDaFax

Sind in Ihrem Lieferantenrahmenvertrag z. B. ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, das vorläufige Insolvenzverfahren oder eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Lieferanten als mögliche Kündigungsgründe vereinbart, muss zunächst die Rechtmäßigkeit dieser Klausel für jeden Einzellfall geprüft werden. Diese Frage ist äußerst umstritten, eine pauschale Empfehlung können wir ohne Kenntnis des Vertragstextes nicht abgeben.

Empfehlung:

Lassen Sie Ihren Lieferantenrahmenvertrag prüfen, ob und unter welchen Vorausset­zungen er Ihnen ein außerordentliches Kündigungsrecht einräumt.

3. Weitere Kündigungsgründe

Sollte Ihr Lieferantenrahmenvertrag keinen solchen Kündigungsgrund regeln oder zwi­schen Ihnen und TelDaFax kein Lieferantenrahmenvertrag bestehen, ist fraglich, ob Sie sich allein auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Kündigungsgrund berufen kön­nen. Diese Frage ist, wie bereits oben ausgeführt, schon bei ihrer ausdrücklichen Rege­lung im Vertrag umstritten. Wir empfehlen Ihnen daher, Ihre Kündigung nicht auf der Er­öff­nung des Insolvenzverfahrens als dem alleinigen Kündigungsgrund aufzubauen.

a. Zahlungsrückstand


Um eine wirksame Kündigung zu bewirken, müssten Sie sich auf weitere Kündigungs­grün­de, z. B. eine Vertragspflichtverletzung, berufen können, die eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung begründet. Eine solche liegt - vorbehaltlich Abweichungen in Ein­zelfällen - in der grundlosen und nachhaltigen Nichtzahlung der Netznutzungsent­gel­te. Ist TelDaFax ihren vertraglichen Zahlungspflichten nicht nachgekommen, stellt dies in der Regel einen zulässigen Kündigungsgrund dar.

b. Verweigerung einer Sicherheitsleistung


Sollte TelDaFax Ihnen gegenüber ausnahmsweise die Netznutzungsentgelte bis zur Er­öff­nung des Insolvenzverfahrens gezahlt haben, würden Sie sich nicht auf die Verletzung von vertraglichen Zahlungspflichten berufen können. In diesen Fällen könnten Sie gegen­über dem vorläufigen Insolvenzverwalter Ihren ggf. bestehenden Anspruch auf Erbrin­gung einer Sicherheitsleistung geltend machen. Ein solcher Anspruch und seine Vor­aus­set­zungen ergeben sich ggf. aus dem Lieferantenrahmen­vertrag oder aus § 321 BGB. Lehnt TelDaFax bzw. der vorläufige Insolvenzverwalter die Sicherheitsleistung ab, kommt ebenfalls eine außerordentliche Kündigung in Betracht.

Empfehlung:

Auch wenn Ihr Lieferantenrahmenvertrag keine Gründe für eine außerordentliche Kün­di­gung regelt oder zwischen Ihnen und TelDaFax gar kein Lieferantenrahmenvertrag ab­ge­schlossen wurde, können Sie solche Netznutzungsverhältnisse kündigen. Auf welcher Grund­lage und unter welchen Voraussetzungen Sie eine Kündigung aussprechen kön­nen, muss je nach Sachverhalt individuell beurteilt werden.

II. Wiederaufnahme der Belieferung

1. Lieferantenrahmenverträge wurden nicht gekündigt

Sollten Sie die Lieferantenrahmenverträge mit TelDaFax dennoch nicht gekündigt haben oder kündigen wollten, stellt sich die Frage, was bei Wiederaufnahme der Lieferung durch TelDaFax gilt. In diesem Fall sollten Sie Leistung einer Sicherheit aus dem noch bestehen­den Vertrag oder nach den gesetzlichen Bestimmungen geltend machen. Das Be­ste­hen des Anspruchs auf eine Sicherheitsleistung und seine Voraussetzungen müssen je nach Einzelfall anhand des Vertragstextes und des Sachverhalts geprüft werden. Lehnt TelDaFax bzw. der vorläufige Insolvenzverwalter die Sicherheitsleistung ab, könnte - wie oben gezeigt - eine Kündigung in Betracht kommen.

2. Neuabschluss von Lieferantenrahmenverträgen

Sollte TelDaFax nach gekündigten Verträgen den Neuabschluss für die Belieferung von Kun­den verlangen, sollten Sie zunächst auf den Abschluss eines Lieferantenrahmenvertrags bestehen. Bitte achten Sie dabei darauf, Änderungswünsche der TelDaFax nicht un­be­antwortet zu lassen.

Im Lieferantenrahmenvertrag sollten Sie die Leistung einer Sicherheit und/oder Vor­aus­zah­lungen wegen der in der Vergangenheit bekannt gewordenen Zahlungspflichtver­letzung der TelDaFax zum Vertragsgegenstand machen und diese unbedingt auch ein­for­dern. Falls TelDaFax hierauf nicht eingeht, müsste geprüft werden, ob der Netzzugang ver­weigert werden kann. Dies wird auch davon abhängen, wie die Bonität von TelDaFax ein­zuschätzen ist. Bitte beachten Sie, dass Sie jede Netzzugangsverweigerung der Regu­lie­rungsbehörde anzeigen müssen.

Falls Sie noch weitere Fragen zu dieser Thematik haben, wenden Sie sich bitte an die nachstehenden Ansprechpartner:

Rechtsanwältin Wibke Reimann: reimann@brs-rechtsanwaelte.de, 030/890492-12

Rechtsanwältin Tatjana Schleicher: schleicher@brs-rechtsanwaelte.de, 030/890492-12


gez.
Wibke Reimann
Rechtsanwältin

gez.
Tatjana Schleicher
Rechtsanwältin

 

Redaktion

Redaktion: Rechtsanwältin Wibke Reimann und Rechtsanwältin Tatjana Schleicher

Herausgeber: Bethge.Reimann.Stari Rechtsanwälte, Berlin 

Sekretariat: Susanne Rothe, Tel: 030 - 890492-11, Fax: 030 - 890492-10

Recht aktuell wird nach sorgfältig ausgewählten Unterlagen erstellt. Diese Veröffentlichung verfolgt ausschließlich den Zweck, bestimmte Themen anzusprechen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für die Anwendung im konkreten Fall kann eine Haftung nicht übernommen werden. Sollten Sie weitere Fragen zu den angesprochenen Themen haben, so wenden Sie sich bitte an unsere Ansprechpartner. Der Nachdruck - auch auszugsweise - ist nur mit Quellenangabe gestattet.

Wenn Sie die Publikation nicht mehr erhalten wollen, teilen Sie uns dies bitte per E-Mail mit.



# Tags: Recht Aktuell, Energierecht, Wibke Reimann