AKTUELLE RECHTSPRECHUNG ZUM GESCHÄFTSFÜHRER

ARBEITSRECHT Nr.10
19.07.2011 | Glenn Dammann, Stephanie Musiol

I. AGB-Kontrolle und Geschäftsführeranstellungsverträge

- BAG, Urteil vom 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 -

Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH handelt bei Abschluss seines Dienstvertrages als sog. Verbraucher. Wird ein Geschäftsführeranstellungsvertrag nicht tatsächlich individuell ausgehandelt, unterliegen die von der Gesellschaft gestellten Vertragsbedingungen der AGB-Kontrolle gem. §§ 305 ff. BGB auf Transparenz, Bestimmtheit und Angemessenheit.

Die Entscheidung

In dem hier vom BAG zu entscheidenden Fall war der Kläger als Fremdgeschäftsführer bei der beklagten GmbH beschäftigt. In seinem Anstellungsvertrag waren u. a. die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte sowie eine zweistufige Ausschlussfrist geregelt. Danach sollten sämtliche Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich bzw. im Fall der Ablehnung innerhalb von weiteren drei Monaten gerichtlich geltend gemacht wurden. Nachdem die Beklagte das Dienstverhältnis außerordentlich gekündigt hatte, machte der Kläger im Wege der Kündigungsschutzklage zunächst allein die Unwirksamkeit der Kündigung geltend. Erst einige Monate später ging er dazu über, die Klage um zusätzliche Vergütungsansprüche zu erweitern, die vom Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängig waren. Die Beklagte hat hiergegen eingewandt, dass die Zahlungsansprüche nicht innerhalb der vertraglich vereinbarten zweistufigen Ausschlussfrist geltend gemacht wurden und daher verfallen seien.

Anders als die Vorinstanzen gab das höchste deutsche Arbeitsgericht dem Kläger Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung. Hierbei stellte es - im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH - zunächst fest, dass es sich bei dem Anstellungsvertrag eines Fremdgeschäftsführers um einen Verbrauchervertrag i. S. v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB handelt. Da schon die Geschäftsführung einer GmbH keine selbständige Tätigkeit i. S. d. § 13 BGB darstelle, gelte dies erst Recht für den Abschluss des Dienstvertrages durch den Geschäftsführer. In Anlehnung an seine bisherige Rechtsprechung zu zweistufigen Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen (Urt. v. 19.03.2008 - 5 AZR 429/07 -) entschied der 5. Senat, dass auch bei einer zweistufigen Ausschlussfrist im Anstellungsvertrag eines Fremdgeschäftsführers bereits die Erhebung einer Kündigungsschutzklage regelmäßig genüge, um das Erlöschen der vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Zahlungsansprüche zu verhindern. Wie bei einer arbeitsvertraglichen Klausel gingen etwaige Auslegungszweifel beim Dienstvertrag eines Geschäftsführers zu Lasten der Gesellschaft als deren Verwender. Nach Auffassung der Erfurter Richter war in dem zugrunde liegenden Fall für den Geschäftsführer als juristischen Laien nicht ersichtlich, dass zur Wahrung der 2. Stufe der Ausschlussfrist auch die vom Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängigen Vergütungsansprüche innerhalb der Frist zu stellen waren.

Fazit

Mit der Entscheidung hat das BAG klargestellt, dass der Fremdgeschäftsführer beim Abschluss seines Anstellungsvertrages Verbraucher i. S. d. § 13 BGB ist und die vorformulierten Klauseln in dem abgeschlossenen Dienstvertrag damit der Inhaltskontrolle des AGB-Rechts unterfallen, sofern der Geschäftsführer keinen Einfluss auf die Gestaltung der Vertragsbedingungen nehmen konnte. Die aktuelle Entscheidung erhöht damit die Anforderungen bei der Formulierung rechtssicherer Klauseln in Geschäftsführeranstellungsverträgen. Arbeitgebern ist daher künftig bei der deren Gestaltung zu erhöhter Achtsamkeit zu raten, um den strengen Anforderungen der Rechtsprechung zur AGB-Kontrolle zu genügen.

Eine AGB-Kontrolle kann nur dann vermieden werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass der entsprechende Vertragstext mit dem Geschäftsführer gemeinsam ausgehandelt wurde. Hierzu muss die Gesellschaft jedoch - durch Schilderung des Ablaufs der Vertragsverhandlungen und ggf. unter Vorlage entsprechender Dokumente - darlegen und beweisen, dass der Geschäftsführer die Möglichkeit hatte, auf sämtliche bzw. bestimmte Vertragsbestandteile Einfluss zu nehmen.

II. Arbeitnehmerschutz für Geschäftsführer

- EuGH, Urteil vom 11. November 2010 - C-232/09 - ("Danosa-Entscheidung")

Ein Mitglied der Unternehmensleitung, das gegen Entgelt Leistungen gegenüber der Gesellschaft erbringt, die es bestellt hat und in die es eingegliedert ist, das seine Tätigkeit nach der Weisung oder unter Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und das jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden kann, ist nach dem ersten Anschein als Arbeitnehmer im Sinne der Mutterschutzrichtlinie anzusehen. Eine Abberufung von der Geschäftsführerstellung verstößt gegen das Kündigungsverbot aus Art. 10 der Richtlinie 92/85, wenn sie aus Gründen erfolgt, die wesentlich mit der Schwangerschaft zusammenhängen.

Die Entscheidung

Dem Urteil des EuGH liegt der Fall eines lettischen Berufungsgerichts zugrunde. Die Klägerin, eine lettische Allein-Geschäftsführerin, wurde während ihrer Schwangerschaft von der Gesellschafterversammlung als Geschäftsführerin abberufen. Nach lettischem Recht können Geschäftsführer, wie auch in Deutschland, jederzeit abberufen werden, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund vorliegen müsste. Der von der Klägerin beanspruchte Mutterschutz nach dem für Arbeitnehmer geltenden lettischen Recht wurde daher von der Beklagten mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Mutterschutzrecht für sie als Geschäftsführerin nicht anwendbar sei. Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, dass die Abberufung aus Gründen des Mutterschutzes in Anbetracht der Richtlinie 92/85/EWG rechtsunwirksam sei. Das lettische Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob und inwieweit im Hinblick auf die Richtlinie 92/85 Organmitglieder einer Kapitalgesellschaft unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fallen und ob das lettische Recht, soweit es die Abberufung von Mitgliedern des Vorstands von Kapitalgesellschaften ohne Einschränkung und insbesondere ungeachtet des Bestehens einer Schwangerschaft erlaube, mit der Mutterschutzrichtlinie vereinbar ist.

Der EuGH entschied zu Gunsten der Klägerin und stellte zunächst fest, dass die Klägerin unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff falle. Arbeitnehmer sei, wer für eine andere Person nach deren Weisung Leistungen gegen eine entsprechende Vergütung erbringe. Auch im konkreten Fall läge ein Unterordnungsverhältnis vor, da die Klägerin dem Aufsichtsrat Rechenschaft über die Geschäftsführung abzulegen habe und darüber hinaus durch Gesellschafterbeschluss von ihrem Amt abberufen werden könne. Des Weiteren hat der EuGH ausgeführt, dass die Richtlinie 92/85 der Regelung eines Mitgliedsstaats entgegenstehe, nach der eine Arbeitnehmerin, die Mitglied des Vorstands einer Kapitalgesellschaft ist, ohne Einschränkung abberufen werden kann, soweit diese Regelung eine Abberufung aus Gründen zulässt, die mit der Schwangerschaft zusammenhängen. Denn die Abberufung aus Gründen, die wesentlich mit der Schwangerschaft zusammenhängen, verstoße gegen das Kündigungsverbot aus Art. 10 der Richtlinie 92/85. Der EuGH begründete das Abberufungsverbot wegen einer Schwangerschaft zudem auch mit einem Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts.

Fazit

Die vorliegende "Danosa-Entscheidung" des EuGH ist auch für deutsche Unternehmen von hoher praktischer Bedeutung. Bislang konnten GmbH-Geschäftsführerinnen in Deutschland jederzeit und ohne Grund (§ 38 Abs. 1 GmbHG) - auch während der Schwangerschaft - abberufen werden; das grundsätzlich nur auf Arbeitnehmer anwendbare Mutterschutzgesetz galt für sie nicht. Dies ist dies mit dem EU-Recht nun nicht mehr vereinbar. Denn der EuGH hat den in der Mutterschutzrichtlinie verwendeten Arbeitnehmerbegriff nun auch auf Fremdgeschäftsführer erweitert. Da auch das deutsche Mutterschutzrecht auf der EU-Mutterschutzrichtlinie beruht, dürften zukünftig auch deutsche Fremdgeschäftsführerinnen Mutterschutz genießen mit der Folge, dass die Abberufung einer Geschäftsführerin aus Gründen der Schwangerschaft nicht mehr erfolgen darf. Es ist Unternehmen daher zukünftig zu raten, die Abberufung eines schwangeren Geschäftsführungsorgans nur aus Gründen, die nicht in der Schwangerschaft liegen, vorzunehmen und schriftlich zu begründen.

Darüber hinaus hat der EuGH mit der Entscheidung seinen Arbeitnehmerbegriff erheblich erweitert. Insofern erscheint es nicht ausgeschlossen, dass sich Fremdgeschäftsführer zukünftig auch auf arbeitsrechtliche Schutzvorschriften berufen können, die eigentlich nur für Arbeitnehmer gelten. Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz können Fremdgeschäftsführer jedoch auch nach dem "Danosa-Urteil" nicht erlangen, selbst wenn sie als Arbeitnehmer zu behandeln wären. Denn nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gelten wesentliche Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes - wie bspw. die Prüfung der sozialen Rechtfertigung von Kündigungen - ausdrücklich nicht für Geschäftsführer. Dies hat zur Folge, dass unabhängig von dem zugrunde liegenden Status des Geschäftsführers der allgemeine Kündigungsschutz für diesen nicht gilt.

III. Verzicht auf Wettbewerbsverbot eines Geschäftsführers nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses

- OLG München, Urteil vom 28.07.2010 - 7 U 2417/10 -


Ist im Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers ein Wettbewerbsverbot gegen Karenzentschädigung vereinbart, kann die Gesellschaft auch nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses auf das Wettbewerbsverbot mit der Folge verzichten, dass die Karenzentschädigung entfällt. Allerdings muss dabei eine angemessene Frist eingehalten werden, um dem Dispositionsbedürfnis des ehemaligen Geschäftsführers gerecht zu werden.

Die Entscheidung

Dem klagenden Geschäftsführer war im Anstellungsvertrag ein zweijähriges nachvertragliches Wettbewerbsverbot auferlegt worden. Es war eine Karenzentschädigung von 50 % des letzten Festgehalts für die Dauer des Verbots vertraglich vereinbart. Drei Monate, nachdem der Kläger das Anstellungsverhältnis außerordentlich gekündigt hatte, verzichtete die beklagte Gesellschaft auf das Wettbewerbsverbot und stellte die Zahlung der Karenzentschädigung ein. Der Kläger begehrte die Zahlung der vertraglich vereinbarten Karenzentschädigung für die vollen zwei Jahre seit dem Zeitpunkt seines Ausscheidens.

Das OLG sprach dem Kläger die Karenzentschädigung für die Zeit von seinem Ausscheiden bis ein Jahr nach dem Ausspruch der Verzichtserklärung durch die Beklagte zu; die über diesen Zeitraum hinausgehende Karenzentschädigung wies es ab. Zur Begründung führte das OLG zunächst an, dass die Parteien keine ausdrückliche Verzichtsregelung getroffen hätten und die für Arbeitnehmer geltende Verzichtsregelung des § 75 a HGB nicht analog angewendet werden könnte, weil diese nur einen Verzicht während des Bestehens des Anstellungsverhältnisses erlaubt. Da das Wettbewerbsverbot zum Schutz der Gesellschaftsinteressen bestehe, nicht jedoch die finanzielle Versorgung des Geschäftsführers bezwecke, könne die Gesellschaft jederzeit auf das Wettbewerbsverbot verzichten. Hierbei müsse jedoch auf das Dispositionsbedürfnis des Geschäftsführers Rücksicht genommen werden, da dieser bis zur Ausübung des Verzichts davon ausgegangen sei, er müsse seinen zukünftigen Lebensunterhalt auf einem neuen Geschäftssektor suchen und könne dafür auf die Karenzentschädigung zurückgreifen. Deshalb - so das OLG - könne der Verzicht nur so erfolgen, dass der Geschäftsführer sofort mit der Verzichtserklärung von der Pflicht zur Einhaltung des Wettbewerbsverbots frei werde, die Gesellschaft demgegenüber jedoch noch für eine gewisse Zeit die Karenzentschädigung zu zahlen habe.
In Anlehnung an die Entscheidung des BGH vom 04. März 2002 (NJW 2002, 1875) hat das OLG sodann für die Bemessung dieser Frist auf die vertraglich vorgesehene Kündigungsfrist des Anstellungsvertrages abgestellt. Da diese im entscheidenden Fall zwölf Monate betrug, musste die Gesellschaft also für die Dauer von zwölf Monaten ab Ausspruch der Verzichtserklärung die Karenzentschädigung weiter bezahlen.

Fazit

Aus Unternehmenssicht ist die Entscheidung insoweit erfreulich, als sie - abweichend von der für Arbeitnehmer geltenden Regelung des § 75 a HGB - einen Verzicht auf das Wettbewerbsverbot auch nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses für zulässig erachtet. Die Entscheidung ist jedoch auch ein weiteres Indiz dafür, dass die arbeitsrechtlichen Normen der §§ 74 ff. HGB auf Organe regelmäßig nicht - auch nicht analog - angewendet werden. Unternehmen ist daher dringend anzuraten, Wettbewerbsverbote mit Organmitgliedern detailliert zu regeln. Insbesondere sollten konkrete Regelungen über Entschädigung, Anrechnung anderweitigen Erwerbs, Folgen eines Wettbewerbsverstoßes etc. aufgenommen werden. Zur Risikovermeidung empfiehlt es sich ferner, eindeutig festzulegen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Rechtsfolgen ein Verzichtsrecht des Unternehmens bestehen soll. Bei Unsicherheiten in der Vertragsgestaltung sollte bereits frühzeitig Rechtsrat eingeholt werden, um die Gefahr wirtschaftlicher Belastungen zu minimieren.

Redaktion

Redaktion: Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Glenn Dammann und Rechtsanwältin Stephanie Musiol, LL.M.

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# Tags: Recht Aktuell, Arbeitsrecht, Glenn Dammann