AKTUELLES ZUM THEMA ZEITARBEIT

ARBEITSRECHT Nr.11
17.08.2011 | Glenn Dammann, Stephanie Musiol

I. Die Auswirkungen der Tarifunfähigkeit der CGZP auf die Praxis

Einleitung

Mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 (- Az: 1 ABR 19/10 -) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht tariffähig ist. Zur Begründung hat das höchste deutsche Arbeitsgericht ausgeführt, dass es sich bei der CGZP weder um eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung i.S.d. § 2 Abs. 1 TVG noch um eine tariffähige Spitzenorganisation i.S.d. § 2 Abs. 3 TVG handelt.

Konsequenz der Entscheidung ist, dass die CGZP keine Tarifverträge abschließen kann, mit denen Zeitarbeitsunternehmen vom sog. "Equal-Pay-Prinzip" abweichen können.

Da das BAG in der hier zugrunde liegenden Entscheidung die Tarifunfähigkeit erst ab dem 07. Dezember 2009 festgestellt hat, umfasst die Rechtskraft zunächst nicht auch die davor liegende Zeit. Aus den Entscheidungsgründen lässt sich jedoch schlussfolgern, dass die CGZP auch bereits in der Vergangenheit nicht tariffähig war. Schließlich hat zwischenzeitlich auch das Arbeitsgericht Berlin mit Beschluss vom 30. Mai 2011 (Az: 29 BV 13947/10) festgestellt, dass die CGZP auch in der Vergangenheit keine Tarifverträge abschließen konnte.

Auswirkungen

Eine Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz und damit eine Ausnahme vom Grundsatz des "Equal-Pay-Prinzips" ist nur dann möglich, wenn eine wirksame In-Bezugnahme eines Tarifvertrages vorliegt. Eine solche ist hier nicht gegeben, wenn die CGZP als tarifunfähige Organisation keine wirksamen Tarifverträge abschließen konnte, wie das BAG nunmehr klargestellt hat. Leiharbeitnehmer, die nach dem CGZP-Tarifvertrag bezahlt wurden, können daher gegen die Verleih-Unternehmen Nachzahlungsansprüche auf Differenzlohn geltend machen, sofern diese nicht schon wirksam verfallen oder verjährt sind.

Für rückständige Vergütungsansprüche von Leiharbeitnehmern gilt dabei die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB). Darüber hinaus sind ggf. arbeits- oder tarifvertragliche Ausschlussfristen zu beachten. Aufgrund der Unwirksamkeit der CGZP-Leiharbeits-Tarifverträge sind die dort geregelten Verfallfristen allerdings unbeachtlich. Auch die im Entleiherbetrieb geltenden Ausschlussfristen sind nicht maßgeblich, da diese - wie das BAG mit weiterem Urteil vom 23. März 2011 (Az: 5 AZR 7/10) festgestellt hat - vom Leiharbeitnehmer nicht eingehalten werden müssen.

Darüber hinaus besteht für Verleiher das Risiko, von den Sozialversicherungsträgern auf entgangene Sozialversicherungsbeiträge in Anspruch genommen zu werden. Zu beachten ist hierbei, dass der Beitragsanspruch mit der Erbringung der Arbeitsleistung entsteht und nicht davon abhängt, ob das Arbeitsentgelt auch tatsächlich gezahlt wird.

Der Nachzahlungsanspruch entsteht hier folglich auch dann, wenn der Leiharbeitnehmer die Differenzvergütung tatsächlich nicht geltend macht bzw. der Anspruch wegen einschlägiger Ausschlussfristen bereits verfallen ist. Im Gegensatz zu den Nachzahlungsansprüchen auf Entgelt verjähren die Ansprüche auf Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen erst nach Ablauf von vier Jahren (§ 25 SGB IV).

Doch auch für Entleih-Unternehmen ist die Aberkennung der Tariffähigkeit der CGZP durch das BAG von erheblicher Bedeutung. Denn auch für sie besteht ein finanzielles Risiko. Zwar haften die Entleiher nicht für eine etwaige Nachzahlung der Differenzvergütung, sie können jedoch - neben den Verleihern - von Sozialversicherungsträgern hinsichtlich entgangener Sozialversicherungs- und Unfallversicherungsbeiträge auf die nachzuzahlende Differenzvergütung in Anspruch genommen werden. Diese sog. Subsidiärhaftung des Entleihers betrifft sowohl den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmeranteil, ist jedoch auf den Zeitraum der Verleihzeit begrenzt. Entleiher können die Zahlung indes verweigern, so lange die Einzugsstelle den Verleiher nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist. Bedenkt man, dass Ansprüche auf Nachzahlung von Differenzvergütung und Sozialversicherungsbeiträgen für viele Verleih-Unternehmen zu einer wirtschaftlichen Überforderung bis hin zur Insolvenz führen können, ist das Risiko der Subsidiärhaftung für Entleiher hier auch durchaus real.

Fazit

Für Verleiher bedeutet die Entscheidung des BAG zur Tarifunfähigkeit der CGZP zunächst, dass die mit dieser Gewerkschaft geschlossenen Tarifverträge - wohl von Anfang an - unwirksam waren mit der Folge, dass auch rückwirkend wieder das "Equal-Pay-Prinzip" gilt.

Hierdurch können sich beträchtliche Ansprüche auf Nachzahlung von Differenzvergütung sowie Sozialversicherungsbeiträgen ergeben. Vor diesem Hintergrund sind Rückstellungen zu bilden. Verleihern ist künftig bei der Vertragsgestaltung zu empfehlen, Tarifwechselklauseln mit aufzunehmen, um bei der etwaigen Unwirksamkeit eines angewendeten Tarifvertrags weiter handlungsfähig zu sein. Auch für Entleiher besteht ein erhebliches wirtschaftliches Risiko, da sie neben den Verleihern für die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen haften. Ihnen ist daher anzuraten, durch eine sorgsame Vertragsgestaltung das Risiko einer Subsidiärhaftung künftig zu minimieren. So sollten bspw. verstärkte Auskunftspflichten der Verleiher gegenüber dem Entleiher sowie ein Sonderkündigungsrecht bei deren Verletzung bzw. einem Verstoß gegen das "Equal-Pay-Prinzip" mit aufgenommen werden. Bestehende Leiharbeits-Überlassungsverträge sollten - sofern möglich - einvernehmlich abgeändert, notfalls jedoch auch gekündigt werden.

II. Änderungen in der Zeitarbeit: Die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG)

Einleitung


Die Zeitarbeit ist in letzter Zeit zunehmend in die Kritik geraten. Vor allem durch den Fall des Drogerie-Discounters "Schlecker" ist der missbräuchliche Einsatz von Leiharbeitnehmern in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Um einen Missbrauch der Arbeitnehmer künftig zu unterbinden und die Arbeitsbedingungen der Leiharbeitnehmer zu verbessern, hat der Gesetzgeber das AÜG inhaltlich überarbeitet.

Darüber hinaus war eine Reform des AÜG auch deshalb notwendig, weil der deutsche Gesetzgeber zur Umsetzung der Europäischen Leiharbeits-Richtlinie 2008-104-EG in das Deutsche Gesetzeswerk bis zum 05. Dezember 2011 verpflichtet ist.

Bereits Ende April 2011 sind wesentliche Bestimmungen des Gesetzes zur Änderung der Arbeitnehmerüberlassung in Kraft getreten. Die übrigen Neuregelungen gelten mit Wirkung ab dem 01. Dezember 2011. Die sowohl für Verleiher als auch für Entleiher in der Praxis bedeutsamsten Neuregelungen betreffen die Aufnahme der sog. "Drehtürklausel", die neue Einführung einer Lohnuntergrenze sowie erweiterte Informationspflichten und das Zugangsrecht zu Gemeinschaftseinrichtungen.

Die wichtigsten Neuregelungen
"Drehtürklausel"

Die sog. "Drehtürklausel", zu deren Einführung sich der Gesetzgeber insbesondere aufgrund des durch den Fall "Schlecker" bekannt gewordenen Missbrauchs beim Einsatz von Leiharbeitnehmern veranlasst sah, ist seit dem In-Kraft-Treten zum 29. April 2011 zu beachten.

Sie soll verhindern, dass Arbeitnehmer trotz eines fortbestehenden Beschäftigungsbedarfs entlassen werden, um kurz darauf wieder, nun als Leiharbeitnehmer zu deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen, beim ehemaligen Arbeitgeber eingesetzt zu werden. Das Gesetz verbietet zwar auch weiterhin nicht, ehemalige Arbeitnehmer erneut als Leiharbeitnehmer in demselben Betrieb zu beschäftigen. § 9 Nr. 2 AÜG bestimmt diesbezüglich jedoch nunmehr, dass für Leiharbeitnehmer, die in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung beim Entleiher oder konzernangehörigen Unternehmen aus einem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, keine schlechteren Bedingungen gelten dürfen als für die Stammbelegschaft. Die vorherigen Arbeitbedingungen bleiben in diesem Fall für den Leiharbeitnehmer erhalten, so dass der Verleiher auch zur Zahlung des bereits zuvor vom Entleiher gewährten Arbeitsentgelts verpflichtet ist. Das "Equal-Pay-Prinzip" kann dabei auch durch wirksame Tarifverträge nicht abbedungen werden. Zu beachten ist, dass diese sog. "Drehtürklausel" unabhängig vom Beendigungsgrund Anwendung findet. Sie gilt daher bspw. auch dann, wenn der Leiharbeitnehmer das Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher selbst gekündigt hat. Die sog. "Drehtürklausel" gilt aus Gründen des Vertrauensschutzes jedoch nicht für Leiharbeitsverhältnisse, die schon vor dem 15. Dezember 2010 begründet worden sind.

Einführung einer Lohnuntergrenze


Vor allem um die Gefahr von "Lohndumping" durch den Einsatz von Billigarbeitskräften aus Osteuropa, welche aufgrund der nun seit dem 01. Mai 2011 innerhalb der EU geltenden uneingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit besteht, zu minimieren, sieht § 3 a AÜG nun eine Regelung vor, die die Einführung einer sog. Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit durch Rechtsverordnung ermöglicht. Die Tarifpartner können hierbei Mindeststundenentgelte vereinbaren und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vorschlagen; das BMAS kann diese sodann für verbindlich erklären. Zwischen den Arbeitgeberverbänden und den jeweiligen Gewerkschaften sind bereits Mindeststundenentgelte verhandelt worden, die im Westen 7,79 € und im Osten 6,89 € betragen sollen. Auch wenn diese vom Gesetzgeber bislang noch nicht durch eine verbindliche Rechtsverordnung festgelegt wurden, finden sie in der Praxis bereits vielfach Anwendung. Auch die Tarifverträge müssen künftig mindestens die festgesetzte Lohnuntergrenze garantieren. Ist dies ggf. nicht der Fall, hat der Leiharbeitnehmer einen Anspruch auf "Equal Pay", selbst dann, wenn das ihm tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt deutlich über der Lohnuntergrenze liegt. Allerdings gilt auch die Lohnuntergrenze nicht für Leiharbeitsverhältnisse, die vor dem 15. Dezember 2010 begründet wurden.

Neue Informationspflichten über freie Stellen


Die Regelung von § 13a AÜG verpflichtet Entleiher ab dem 01. Dezember 2011 dazu, die bei ihm tätigen Leiharbeitnehmer über freie Arbeitsplätze im Unternehmen zu informieren. Von besonderer Bedeutung ist hierbei, dass diese Informationspflicht nicht nur innerhalb des einzelnen Betriebs, sondern darüber hinaus unternehmensweit gilt.

Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen

Das Gesetzt sieht in § 13 b AÜG, welcher ab dem 01. Dezember 2011 in Kraft tritt, vor, dass einem Leiharbeitnehmer freier Zugang zu sog. Gemeinschaftseinrichtungen zu gewähren ist, die der Entleiher seiner Stammbelegschaft zur Verfügung stellt. Ein Ausschluss ist nur dann möglich, wenn er sachlich gerechtfertigt ist, etwa weil der Leiharbeitnehmer nur kurz beim Entleiher beschäftigt wird und der Zugang einen unverhältnismäßigen Organisations- oder Verwaltungsaufwand erfordern würde. Zu Gemeinschaftseinrichtungen gehören nach dem Gesetz ausdrücklich auch Kinderbetreuungseinrichtungen, Gemeinschaftsverpflegung und auch Beförderungsmittel.

Erstreckung der Erlaubnispflicht

Nach alter Rechtslage war nur die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung erlaubnispflichtig. Nach der Neuregelung wird nun jede Überlassung von Arbeitnehmern, die der Arbeitgeber im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit ausübt, erlaubnispflichtig.

Die Änderung ist insbesondere für konzerninterne Personalservice-Gesellschaften von großer Bedeutung. Brauchten diese in der Vergangenheit aufgrund fehlender Gewinnerzielungsabsicht regelmäßig keine Verleiherlaubnis, wird eine solche in Zukunft erforderlich sein.

Verbot des Dauerverleihs

War nach alter Gesetzeslage eine längerfristige und dauerhafte Überlassung von Leiharbeitnehmern noch möglich, sieht die Neuregelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, welche ebenfalls zum 01. Dezember 2011 in Kraft tritt, nun vor, dass die Überlassung von Arbeitnehmern nur noch "vorübergehend" erfolgen darf. Eine Höchstüberlassungsdauer sieht das Gesetz jedoch nicht vor, weshalb eine Auslegung zukünftig wohl durch die Rechtsprechung erfolgen wird.

Fazit

Auch nach der Reform des AÜG bleibt die Zeitarbeit eine attraktive Möglichkeit, vorübergehenden Arbeitskräftebedarf flexibel abzudecken. Die gesetzlichen Änderungen erhöhen die Anforderungen bei der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern sowohl für Verleiher als auch für Entleiher allerdings erheblich. Unternehmen ist daher anzuraten, die derzeitige Praxis sowie die bestehenden vertraglichen Vereinbarungen einer kritischen Prüfung zu unterziehen und ggf. den geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen.

Vor dem Hintergrund der sog. "Drehtürklausel" sollten Entleiher umgehend prüfen, ob sie seit dem 15. Dezember 2010 Leiharbeitnehmer an Unternehmen überlassen, bei denen jene zuvor schon als Arbeitnehmer beschäftigt waren. Für solche gilt bereits seit Ende April dieses Jahres das "Equal-Pay-Prinzip". Um das Risiko einer Inanspruchnahme hiernach für die Zukunft zu minimieren, sollten Verleiher bei Einstellung von Leiharbeitnehmern umfassend deren Vorbeschäftigung prüfen. Aber auch Entleihern ist hier zu erhöhter Vorsicht zu raten, da sie bei einem Verstoß gegen das "Equal-Pay-Prinzip" subsidiär für die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen haften und insoweit - etwa bei Insolvenz des Verleihers - von den Sozialversicherungsträgern in Anspruch genommen werden können.

Für Entleiher dürften darüber hinaus die neuen Informations-u. Zugangsgewährungspflichten von besonderer Bedeutung sein. Diese bedeuten zunächst ein erhebliches Mehr an Bürokratie- und Verwaltungsaufwand. Unter Umständen kann eine Verletzung der Informationspflicht einen Schadensersatzanspruch des benachteiligten Leiharbeitnehmers begründen. Darüber hinaus sind hier ggf. auch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Die Pflicht zur Gewährung des Zugangs zu Gemeinschaftseinrichtungen hat jedoch auch für Verleiher Folgen, da diese u. U. einen geldwerten Vorteil darstellt und damit lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlich bei der Gehaltsabrechnung zu berücksichtigen ist.

Nicht übersehen werden sollte schließlich, dass bei Verstößen gegen die gesetzlichen Neuregelungen nicht nur Schadensersatzforderungen, sondern auch hohe Bußgelder drohen.

Redaktion

Redaktion: Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Glenn Dammann und Rechtsanwältin Stephanie Musiol, LL.M.

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