AKTUELLES ZU VERFALL UND BEFRISTUNG VON URLAUBSANSPRÜCHEN

ARBEITSRECHT Nr.12
28.09.2011 | 

I. Urlaubsabgeltungsansprüche und Ausschlussfristen

- BAG, Urteil vom 09. August 2011 - 9 AZR 352/10 -


Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung entsteht auch bei über das Arbeitsverhältnis hinaus andauernder Arbeitsunfähigkeit mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird sofort fällig. Als reine Geldforderung unterliegt er einzel- und tarifvertraglichen Ausschlussfristen. Das gilt auch für die Abgeltung des unabdingbaren gesetzlichen Mindesturlaubs.

Die Entscheidung

Die klagende Arbeitnehmerin war von Oktober 2006 bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses Ende März 2008 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Erst ca. zehn Monate nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses machte sie gegenüber ihrem Arbeitgeber die Abgeltung des ihr aus den Jahren 2007 und 2008 zustehenden und nicht genommen Urlaubs geltend. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung jedoch unter Hinweis auf eine auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende tarifliche Regelung, nach der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Arbeitnehmer schriftlich geltend gemacht werden.

Das BAG folgte der Begründung des Arbeitgebers und wies die Klage ab. Auch nach Ansicht des Neunten Senats war der Urlaubsabgeltungsanspruch wegen Versäumung der tariflichen Ausschlussfrist bereits erloschen. Der Anspruch auf Abgeltung des bestehenden Urlaubs entstehe auch bei einer über das Arbeitsverhältnis hinaus andauernden Arbeitsunfähigkeit gem. § 7 Abs. 4 BUrlG mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und werde sofort fällig. Da der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht "Surrogat" des Urlaubsanspruchs, sondern eine reine Geldforderung sei, unterliege er damit - wie andere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - einzel-u. tarifvertraglichen Ausschlussfristen. Dies gelte auch für die Abgeltung des nach § 13 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 BUrlG unabdingbaren gesetzlichen Mindesturlaubs.

Fazit

Diese praxisfreundliche Entscheidung schafft Rechtssicherheit und ist aus Arbeitgebersicht zu begrüßen. Bislang waren nach Rechtsprechung des BAG tarifliche Ausschlussfristen auf den gesetzlichen und tariflichen Urlaub nicht anzuwenden. Diese Rechtsprechung hat das BAG nun aufgegeben und ausdrücklich klargestellt, dass auch der Anspruch auf Abgeltung des unabdingbaren gesetzlichen Mindesturlaubs Ausschlussfristen unterliegt.

Die Entscheidung ist insbesondere mit Blick auf Urlaubsabgeltungsansprüche sog. langzeiterkrankter Arbeitnehmer von Bedeutung und mildert zugleich die Folgen der "Schultz-Hoff"-Entscheidung des EuGH vom 20. Januar 2009 (C 350/06) etwas ab. Nach dieser Grundsatzentscheidung, der sich das BAG zwischenzeitlich angeschlossen hat (Urt. vom 24.03.2009 - 9 AZR 983/07 -), können Arbeitnehmer, die über mehrere Jahre dauerhaft erkrankt sind, Urlaubsansprüche anhäufen, die sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht nehmen konnten. Mit der zugrunde liegenden Entscheidung haben die Bundesarbeitsrichter nun wenigstens eine zeitliche Schranke für die Geltendmachung dieser Ansprüche bestimmt und geklärt, dass nach Beendigung der Beschäftigung ein Schutz vor dem Verfall von Urlaubsansprüchen nicht mehr besteht.

Arbeitgebern ist daher (auch) vor dem Hintergrund dieser Entscheidung dringend anzuraten, wirksame Ausschlussfristen arbeitsvertraglich zu vereinbaren, um die Gefahr wirtschaftlicher Belastungen zu minimieren. Bei Unsicherheiten in der Vertragsgestaltung sollte frühzeitig Rechtsrat eingeholt werden.

II. Befristung von Urlaubsansprüchen

- BAG, Urteil vom 09. August 2011 - 9 AZR 425/10 -


Wird ein zunächst arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer im Kalenderjahr einschließlich des Übertragungszeitraums so rechtzeitig gesund, dass er in der verbleibenden Zeit seinen Urlaub nehmen kann, erlischt der aus früheren Zeiträumen stammende Urlaubsanspruch genauso wie der Anspruch, der zu Beginn des Urlaubsjahres neu entstanden ist.

Die Entscheidung

Der Kläger, der einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen hatte, war über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Als er im Anschluss an seine Langzeiterkrankung seine Arbeit wieder aufnahm, gewährte ihm der Arbeitgeber im laufenden Jahr insgesamt 30 Tage Urlaub. Mit seiner Klage machte er geltend, dass ihm aus seiner dreijährigen Krankheit ein Anspruch von weiteren 90 Urlaubstagen zustehe. br>
DDie Klage blieb vor dem höchsten deutschen Arbeitsgericht ohne Erfolg. Die Erfurter Richter urteilten, dass der vom Kläger erhobene Urlaubsanspruch mangels abweichender Regelung verfallen sei. Erholungsurlaub müsse im laufenden Kalenderjahr genommen werden, sofern kein Übertragungsgrund nach § 7 Abs. 3 BUrlG vorliege. Ein solcher habe hier jedoch nicht bestanden, denn der Kläger sei so rechtzeitig wieder gesund geworden, dass er in der verbleibenden Zeit bis zum Jahresende auch die aufgrund seiner langjährigen Krankheit übertragenen Urlaubsansprüche hätte nehmen können. Da er dies jedoch nicht getan habe, seien jene mit Ablauf des Jahres untergegangen.

Fazit

Diese praxisnahe Entscheidung ist aus Arbeitgebersicht erfreulich, als sie Rechtssicherheit schafft und das Ansammeln von Urlaubsansprüchen bei langer Arbeitsunfähigkeit zumindest einschränkt. Das BAG hat mit der Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass der Schutz vor Verfall von Urlaubsansprüchen nur während der Krankheit gilt und mit der Rückkehr des Mitarbeiters an den Arbeitsplatz endet. Nimmt ein Arbeitnehmer nach langjähriger Arbeitsunfähigkeit die Arbeit wieder auf ohne die "angesammelten" Urlaubsansprüche im laufenden Kalenderjahr in Anspruch zu nehmen, obwohl ihm das möglich ist, erlischt dieser Resturlaub folglich mit Ablauf des Kalenderjahres. br>
Um Risiken wirtschaftlicher (Mehr-)Belastungen durch langjähriges Ansammeln von Urlaubsansprüchen bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit zu minimieren, ist Arbeitgebern gleichwohl zu raten, bei der Formulierung von Arbeitsverträgen auf eine genaue Trennung zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und vertraglichem Mehrurlaub zu achten. Denn dadurch kann zumindest eine Übertragung des über den gesetzlichen Anspruch hinaus gewährten Mehrurlaubs bei Arbeitsunfähigkeit ausgeschlossen werden. Dafür bedarf es jedoch einer genauen und beanstandungsfreien vertraglichen Regelung.

Redaktion

Redaktion:Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Glenn Dammann

Herausgeber: Bethge.Reimann.Stari Rechtsanwälte, Berlin 

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# Tags: Recht Aktuell, Arbeitsrecht