Die Gesellschaft als Darlehensnehmerin - ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft?

BANK- UND KAPITALMARKTRECHT Nr. 11
11.04.2014 | 

Die Aufnahme eines Darlehens durch eine Gesellschaft bedarf im Einzelfall der Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (nachfolgend nur: "BaFin"). Liegt in diesem Fall keine Erlaubnis vor, kann dies für die Geschäftsführung der Gesellschaft sowohl zivilrechtliche, als auch strafrechtliche Konsequenzen haben.

 

I. Einleitung

Täglich nehmen Gesellschaften Darlehen nicht bei Kreditinstituten, sondern bei anderen Darlehensgebern auf. Was viele nicht wissen: Im Einzelfall stellt diese Darlehensaufnahme ein Einlagengeschäft dar, für das eine schriftliche Erlaubnis der BaFin erforderlich ist. Dieses Erfordernis dient dem Schutz des Publikums vor Verlust der angelegten Gelder.

Nach § 32 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz - KWG) bedarf derjenige einer schriftlichen Erlaubnis der BaFin, der im Inland Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben will, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Bankgeschäfte umfassen auch sog. Einlagengeschäfte, um die es hier geht. Nach der Definition des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG handelt es sich bei Einlagengeschäften um die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder andere unbedingt rückzahlbare Gelder des Publikums.

Das Betreiben von Bankgeschäften ohne die erforderliche Erlaubnis ist strafbar (§ 54 Abs. 1 KWG). Wegen der unerlaubten Bankgeschäfte haftet der Betreiber dieser Geschäfte - regelmäßig die Geschäftsführung - gegenüber Dritten darüber hinaus im Einzelfall auf Schadensersatz (§ 823 BGB i. V. m. § 32 Abs. 1 S. 1, § 54 Abs. 1 KWG).

Die BaFin hat sich mit ihrem Merkblatt vom 11. März 2014 mit der Frage beschäftigt, wann ein Einlagengeschäft vorliegt und wann es - als Bankgeschäft - gewerbsmäßig oder in einem Umfang betrieben wird, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Es geht also um die Frage, wann solche Geschäfte erlaubnispflichtig sind.

 

II. Wann liegen die Voraussetzungen eines Einlagengeschäfts vor?

Das Einlagengeschäft stellt ein grundsätzlich erlaubnispflichtiges Bankgeschäft dar. Es ist in § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG definiert als die Annahme

  • fremder Gelder als Einlagen (1. Alternative) oder
  • anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums (2. Alternative),

sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibung verbrieft wird. Auf eine Verzinsung der Gelder kommt es nicht an.

 

1. Publikum

Der Begriff des Publikums umschreibt die Herkunft der Gelder. Die BaFin weist in ihrem Merkblatt darauf hin, dass grundsätzlich alle Gelder, die von einem Dritten stammen, durch den Tatbestand erfasst werden sollen. Daher sei unerheblich, ob die Gelder lediglich aus einer kleinen, eindeutig abgrenzbaren Teilmenge des Publikums stammen. Unter den Begriff des Publikums falle jede natürliche oder juristische Person. Selbst Arbeitnehmer, Freunde und Bekannte sowie Mitglieder von Vereinen oder Genossenschaften und nicht persönlich haftende Gesellschafter zählen zum Publikum.

Nicht zum Publikum zählen beispielsweise Kreditinstitute, so dass die Aufnahme eines Bankdarlehens schon tatbestandlich kein Einlagengeschäft ist, mithin keiner Erlaubnis bedarf. Nicht zum Publikum gehört auch der persönlich haftende Gesellschafter, wenn er über seine persönliche Haftung hinaus tatsächlich in die Führung des Unternehmens eingebunden ist. Von diesem darf sich die Gesellschaft über dessen gesellschaftsrechtliche Einlage hinaus Darlehen gewähren lassen.

 

2. "Fremde" und "rückzahlbare" Gelder

Die BaFin weist darauf hin, dass die Merkmale "fremde Gelder" und "rückzahlbare Gelder" weitgehend inhaltsgleich seien.

Kommanditeinlagen des Kommanditisten oder das Kapital, das der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gegen die Ausgabe der Aktien bzw. für seinen Geschäftsanteil einzahlt, fallen nicht hierunter. Denn es handelt sich hierbei nicht um "fremdes Geld", sondern um Eigenkapital, also um Kapital der Gesellschaft.

Rückzahlbar sind Gelder, wenn ein zivilrechtlicher Anspruch auf ihre Rückzahlung besteht oder bei dem Geldgeber jedenfalls der Anschein eines solchen Anspruchs erweckt wird. Es kommt für die bankaufsichtsrechtliche Einordnung der Gelder als rückzahlbar nicht auf bestimmte zivilrechtliche Vertragsgestaltungen oder die zivilrechtliche Zuordnung des zugrundeliegenden Geschäfts zu einem bestimmten Vertragstypus (z. B. Darlehensvertrag) an. Maßgeblich ist nach Hinweis der BaFin vielmehr der tatsächliche Gehalt der Geldüberlassung. Auch betagte Ansprüche, also solche Ansprüche die erst an einem bestimmten zukünftigen Termin fällig werden, oder Gelder, die erst durch eine Kündigung des Anspruchsberechtigten fällig gestellt werden, sind rückzahlbar.

ACHTUNG bei stillen Beteiligungen!
Die BaFin weist in ihrem Merkblatt darauf hin, dass auch die Einlage des stillen Gesellschafters (§ 230 ff. HGB) rückzahlbar und in diesem Sinne auch fremd ist, wenn die Verlustteilnahme nach § 231 Abs. 2 HGB vertraglich soweit ausgeschlossen wird, dass der stille Gesellschafter aus der Einlage auch noch in einer insolvenznahen Situation des Unternehmens, an dem er sich still beteiligt, Zahlungen beanspruchen und so überhaupt erst die Insolvenz des betreffenden Unternehmens auslösen kann.

 

3. Unbedingtheit des Rückzahlungsanspruchs

Insbesondere im Hinblick auf das Merkmal "Unbedingtheit" des Rückzahlungsanspruchs enthält das Merkblatt wichtige Hinweise.

Die Einstufung der Annahme von Geldern als Einlagengeschäft könne ausgeschlossen werden, indem zwischen den Parteien eine sog. qualifizierte Rangrücktrittserklärung vereinbart wird. Auf Grundlage einer solchen qualifizierten Rangrücktrittsklausel ist die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung so lange und soweit ausgeschlossen, wie die Rückzahlung einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens herbeiführt.

Bei Gesellschafterdarlehen und -guthaben ist die Vereinbarung einer solchen qualifizierten Rangrücktrittserklärung nicht zwingend erforderlich, um die Einstufung als erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft auszuschließen. Zwar sind Gesellschafterdarlehen und -guthaben grundsätzlich als "fremde rückzahlbare Gelder des Publikums" anzusehen, weil sie als Forderung gegen die Gesellschaft im Vermögen des Gesellschafters verbleiben. Die BaFin weist in ihrem Merkblatt indes darauf hin, dass der Rückzahlungsanspruch regelmäßig als hinreichend bedingt anzusehen sei, wenn die Geltendmachung des Zahlungsanspruchs - ähnlich wie beim qualifizierten Rangrücktritt - mindestens so lange und soweit ausgeschlossen ist, wie die Geltendmachung des Zahlungsanspruchs ein Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft herbeiführt. Eine derartige Bedingung des Zahlungsanspruchs ergebe sich grundsätzlich aus dem gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der Treuepflicht. Eine Ausprägung der Treuepflicht sei, dass Ansprüche des Gesellschafters gegen die Gesellschaft nicht durchsetzbar sind, wenn ihre Geltendmachung die Gesellschaft in die Zahlungsunfähigkeit triebe. Eine solche insolvenzverhindernde Entnahme- und Ausschüttungssperre sei bei Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten Personenhandelsgesellschaft gesetzlich (§ 64 Satz 3 GmbHG, § 92 Abs. 2 Satz 3 AktG, § 130a Abs. 1 Satz 3 HGB, § 177a Satz 1 i. V. m. § 130a HGB) verankert.

Achtung bei Publikumsgesellschaften!
Unter einer Publikumsgesellschaft versteht man eine auf den Betritt einer unbestimmten Vielzahl von Kapitalanlegern ausgerichtete und kapitalistisch strukturierte (Kommandit) Gesellschaft. Hierzu zählen insbesondere geschlossene Fonds. Gelder, die eine Publikumsgesellschaft von ihren Gesellschaftern direkt oder indirekt als Darlehen annimmt, sind nach Auffassung der BaFin dagegen dem tatsächlichen Gehalt der Geldüberlassung entsprechend regelmäßig bankenaufsichtsrechtlich als unbedingt rückzahlbare Gelder zu qualifizieren. Dies würde insbesondere dann gelten, wenn das der Publikumsgesellschaft gewährte Darlehen zu der unmittelbaren gesellschaftsrechtlichen Einlage des Gesellschafters außer Verhältnis steht. Auch in diesem Fall bedarf die Darlehensaufnahme somit einer Erlaubnis der BaFin.

 

III. Keine Erlaubnispflicht bei der Bestellung von hinreichender Sicherheiten!

Auch für den Fall, dass die genannten Voraussetzungen eines erlaubnispflichtigen Einlagengeschäfts eigentlich vorliegen, kann eine Erlaubnispflicht ausnahmsweise entfallen, wenn dem Darlehensgeber eine Sicherheit bestellt wird, die geeignet ist, den Tatbestand des Einlagengeschäfts auszuschließen.

Die BaFin weist darauf hin, dass die Sicherheiten dabei so bestellt werden müssen, dass sich der Anleger im Sicherungsfall aus diesen Sicherheiten unmittelbar, d. h. ohne die rechtsgeschäftliche Mitwirkung Dritter, befriedigen kann. Als Sicherheiten kommen daher die Bürgschaft, die Garantie oder ein gleichwertiges Einstandsversprechen eines im Inland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen (§ 32 Abs. 1 KWG) Kreditinstituts oder die Versicherung eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmens in Betracht. Unter den gleichen Voraussetzungen erkennt die BaFin darüber hinaus Grundpfandsicherheiten an, die an im Inland belegenen Immobilien bestellt werden.

 

IV. Zusammenfassung

Beschafft sich eine Gesellschaft Fremdkapital nicht von einem Kreditinstitut, sondern von Dritter Seite, sollte die Geschäftsführung schon im Vorfeld prüfen lassen, ob die Voraussetzungen eines erlaubnispflichtigen Einlagengeschäfts erfüllt sind. Im Einzelfall kann die Erlaubnispflicht durch entsprechende vertragliche Ausgestaltung entfallen. Im Hinblick auf die zivilrechtlichen und strafrechtlichen Konsequenzen einer Tätigkeit ohne die erforderliche Erlaubnis der BaFin, sollte sich die Geschäftsführung hier frühzeitig beraten lassen. Selbstverständlich stehen wir Ihnen auch hierfür jederzeit gerne zur Verfügung.

 

 

 

Redaktion:

Rechtsanwalt Malte Beuster

BEHTGE.REIMANN.STAR Rechtsanwälte, Berlin

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