Scheitert das Pooling erneut? - Gericht stellt Nichtigkeit des § 17 IIa 1 Nr. 4 Alt. 2 StromNEV fest -

ENERGIERECHT Nr. 50
17.09.2015 | 

Das LG Offenburg (Urt. v. 22.07.2015 - Az. 5 O 10/15, EnWZ 2015, S. 429 ff.) hat § 17 IIa 1 Nr. 4 Alt. 2 StromNEV für unvereinbar mit der Ermächtigungsnorm des § 24 S. 1 Nr. 1, S. 2 Nr. 4 EnWG angesehen und deshalb für nichtig erklärt.

§ 17 IIa 1 Nr. 4 Alt. 2 StromNEV regelt bisher, dass die Voraussetzungen für ein Pooling dann vorliegen, wenn kundenseitig eine galvanische Verbindung an das Elektrizitätsversor-gungsnetz vorliegt. Dies wird nun durch das LG Offenburg in Frage gestellt.

Worum ging es: In dem vom LG Offenburg entschiedenen Fall hatte sich ein Verteilnetzbetreiber gegenüber dem vorgelagerten Netzbetreiber darauf berufen, dass eine induktive Verbindung mittels Transformatoren ebenso wie eine galvanische Verbindung zu behandeln sei. Vor diesem Hintergrund hatte der Verteilnetzbetreiber die Netzentgeltabrechnung des vorgelagerten Netzbetreibers gekürzt. Dieser hatte den Verteilnetzbetreiber auf Zahlung des zurückbehaltenen Betrages verklagt.

Das LG Offenburg hat dem Kläger Recht gegeben aber dabei folgende - auch für andere Fälle - wichtige Hinweise gegeben:

  1. Eine induktive Verbindung mittels eines Trafos führe ebenso wie eine galvanische Verbindung dazu, dass die Möglichkeit einer Lastverlagerung bestehe.
  2. § 21 Abs. 1 EnWG verbiete eine Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte.
  3. Es gebe keinen Grund, einen solchen Sachverhalt anders zu behandeln als eine galvanische Verbindung. Damit liege eine willkürliche Diskriminierung vor, die nicht von der Ermächtigungsnorm des § 21 Abs. 1 EnWG gedeckt sei.
  4. Eine rechtskonforme Auslegung der Norm scheitere am eindeutigen Wortlaut der Regelung, weshalb die Nichtigkeit des § 17 IIa 1 Nr. 4 Alt. 2 StromNEV festgestellt werden müsse.

Bedeutung der Entscheidung für die Praxis?

Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung des LG Offenburg so aufrechterhalten bleibt. Gegen die Entscheidung wurde Berufung eingelegt.

Es sprechen durchaus auch gewichtige Gründe gegen die Richtigkeit der Entscheidung. Das Gericht hat z.B. nicht die Möglichkeit einer ergänzenden Gesetzesauslegung und damit eine analoge Anwendung der Norm auf den Fall der induktiven Verbindung geprüft. Eine solche wäre möglich, wenn man insoweit eine planwidrige Regelungslücke annehmen würde.

Sollte die Entscheidung Bestand haben, könnten allerdings Rückforderungsansprüche vorgelagerter Netzbetreiber drohen. Denn sollte § 17 IIa 1 Nr. 4 Alt. 2 StromNEV tatsäch-lich nichtig sein, so fehlt es an einer Rechtsgrundlage für das Pooling bei galvanischer Verbindung.

Handlungsbedarf?

  • Netzbetreiber, die derzeit den Poolingtatbestand des § 17 IIa 1 Nr. 4 Alt. 2 StromNEV wegen einer galvanischen Verbindung für sich in Anspruch nehmen, sollte das Bilden von Rückstellungen für mögliche Rückforderungsansprüche in Betracht ziehen.
  • Netzbetreiber, die über eine nur induktive Verbindung über einen Transformator verfügen, sollten sich überlegen, ob es sich nicht lohnen könnte vorsorglich gegenüber dem vorgelagerten Netzbetreiber geltend zu machen, dass auch hierin ein Pooling-Sachverhalt zu sehen ist. Denn sollte entweder ein Obergericht oder aber der Gesetzgeber auch diesen Sachverhalt als Pooling-Sachverhalt anerkennen, könnten Ansprüche für die Vergangenheit nur durchgesetzt werden, wenn diese bereits heute geltend gemacht wurden.

Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Fragen zu dieser Entscheidung oder zum Pooling haben. 

 

Redaktion:

Rechtsanwältin Wibke Reimann

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