Widerrufsrecht von Verbrauchern bei im Fernabsatz geschlossenen Immobilien-Maklerverträgen - BGH, Urt. v. 07. Juli 2016 – I ZR 30/15 und I ZR 68/15 -

IMMOBILIENRECHT Nr. 18
14.07.2016 | 

Der Bundesgerichtshof hat am 07. Juli 2016 in zwei Verfahren entschieden, dass ein per E-Mail oder telefonisch geschlossener Grundstücksmaklervertrag ein Fernabsatzgeschäft im Sinne von § 312b BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung ist und vom Maklerkunden innerhalb der gesetzlichen Frist widerrufen werden kann.

I. Der Sachverhalt

1. Das Verfahren I ZR 30/15

Im Verfahren I ZR 30/15 hat eine Immobilienmaklerin den Beklagten auf Zahlung einer Maklerprovision in Anspruch genommen. Im April 2013 hatte die Immobilienmaklerin ein Hausgrundstück in einem Internetportal beworben. Der Beklagte hatte per E-Mail sein Interesse an dem Objekt bekundet, woraufhin ihm die Immobilienmaklerin ein Exposé als PDF-Datei übersandte. In diesem war eine vom Käufer zu zahlende Provision von 6,25 % des Kaufpreises ausgewiesen. Weder das Exposé, noch die Anzeige im Internetportal hatten eine Widerrufsbelehrung enthalten. Der Beklagte hat den Eingang des Exposés telefonisch bestätigt und einen Besichtigungstermin vereinbart. Einige Wochen nach der Besichtigung erwarb er das Grundstück zu einem Preis vom Euro 240.000,00 und die klagende Immobilienmaklerin machte eine Maklerprovision in Höhe von Euro 15.000,00 geltend. Im Laufe des Rechtsstreits wurde der Maklervertrag vom Beklagten widerrufen.

Das Landgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

2. Das Verfahren I ZR 68/15

Im Verfahren I ZR 68/15 hatte die klagende Immobilienmaklerin im Jahr 2013 im Internet ein Grundstück beworben. Auf Anfrage des Beklagten hatte sie ihm per E-Mail ein Exposé übersandt. Im Exposé war eine vom Käufer zu zahlende Provision in Höhe von 3,57 % des Kaufpreises ausgewiesen, es enthielt indes keine Widerrufsbelehrung. Der Beklagte hatte den Eingang des Exposés per E-Mail bestätigt und sodann einen Besichtigungstermin vereinbart. Später erwarb er das Grundstück zu einem Preis von Euro 650.000,00 und die klagende Immobilienmaklerin machte eine Maklerprovision in Höhe von Euro 23.205,00 geltend. Auch hier wurde der Maklervertrag im Laufe des Rechtsstreits widerrufen.

Das Landgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben. Das OLG hat die Klage indes auf die Berufung des Beklagten abgewiesen.

II. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs

Im Verfahren I ZR 30/15 hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Im Verfahren I ZR 68/15 hat er die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

1. Die gesetzliche Regelung

Gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. steht einem Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB a. F. zu. Nach der Legaldefinition des § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. sind Fernabsatzverträge Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.

2. Anwendung auf Maklerverträge

Der Bundesgerichtshof hat in den oben genannten Verfahren entschieden, dass die streitgegenständlichen Maklerverträge Fernabsatzverträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. sind, bei denen ein Widerrufsrecht besteht. Da die jeweiligen Beklagten nicht über ihr Widerrufsrecht belehrt worden waren, hätten die Maklerverträge noch im jeweiligen Prozess widerrufen werden können.

3. Kein Erlöschen des Widerrufsrechts

Auch sei das Widerrufsrecht in beiden Verfahren nicht erloschen.

Zwar sei das Widerrufsrecht nach der Übergangsregelung des Art. 229 § 32 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB bei vor dem 13. Juni 2014 im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Dienstleistungsverträgen bei fehlender Belehrung mit Ablauf des 27. Juni 2015 erloschen, der Widerruf sei indes jeweils vor diesem Datum erklärt worden.

Bei Ausübung des Widerrufsrechts sei dieses auch noch nicht nach § 312d Abs. 3 BGB a. F. erloschen gewesen. Gemäß § 312d Abs. 3 BGB a. F. erlischt das Widerrufsrecht bei einer Dienstleistung, wenn der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt hat. Hier hatten die jeweiligen Beklagten die Provision vor Ausübung des Widerrufsrechts nicht bezahlt und somit war der Vertrag noch nicht von beiden Seiten vollständig erfüllt worden.

4. Kein Anspruch auf Wertersatz der Immobilienmakler

Den Immobilienmaklern stehe in beiden Fällen wegen der erbrachten Maklerleistungen kein Anspruch auf Wertersatz zu. Gemäß § 312e Abs. 2 BGB a. F. müsse der Verbraucher bei Fernabsatzverträgen über Dienstleistungen Wertersatz für die erbrachte Dienstleistung nach den Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt nur leisten, wenn er vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Rechtfolge hingewiesen worden ist und wenn er ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt. Hier hatte es in beiden Fällen an einer entsprechenden Belehrung und Zustimmung der Beklagten gefehlt.

III. Die aktuelle Rechtslage

Nach dem seit Juni 2014 geltenden Recht hat sich der Anwendungsbereich für das Widerrufsrecht von Verbrauchern noch erweitert, weil die Regeln nunmehr auch für alle Verträge gelten, die außerhalb des Geschäftsraums abgeschlossen werden. Verbraucher werden daher bei Abschluss der meisten Maklerverträge ein Widerrufsrecht haben, auf das der Verbraucher hingewiesen werden muss.

Widerruft der Verbraucher einen Maklervertrag, entfällt für ihn die Provisionspflicht und der Makler erhält grundsätzlich einen Anspruch auf Wertersatz (§ 357 Abs. 8 BGB). Voraussetzung hierfür ist indes, dass der Verbraucher ausdrücklich verlangt hat, dass der Makler mit seiner Leistung schon vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt.

Der Makler sollte somit zugleich mit dem Formular des Maklervertrages die Widerrufsbelehrung übereichen und die Einwilligung zur sofortigen Durchführung der Dienstleistung einholen.

Gerne stehen wir Ihnen bei der Gestaltung Ihrer Vertragsunterlagen und der Durchsetzung von Provisionsansprüchen zur Seite.

 

Redaktion:

Rechtsanwalt und Dipl.-Kfm. (FH) Malte Beuster, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

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