Aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs zur Verwendung von Vorratsgesellschaften.

GESELLSCHAFTSRECHT Nr.1
01.05.2003 | Dr. Christian Stari, Andreas Noack

I) Aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs zur Verwendung von Vorratsgesellschaften

Der Verwendung einer Vorrats-GmbH liegt typischerweise der folgende Sachverhalt zugrunde:  Eine GmbH wird mit einem Mindeststammkapital in Höhe von Euro 25.000,00 als Verwaltungsgesellschaft zunächst "für die Schublade" gegründet und ins Handelsregister eingetragen. Einziger Zweck der Gesellschaft ist die Verwaltung des eigenen Vermögens. Eine solche Vorratsgründung ist vom Bundesgerichtshof stets als zulässig erachtet worden. Zu einem späteren Zeitpunkt veräußert der bisherige Alleingesellschafter seinen Geschäftsanteil an dieser Vorrats-GmbH. Der bzw. die Erwerber halten im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb der Geschäftsanteile eine Gesellschafterversammlung ab, berufen den bisherigen Geschäftsführer ab und bestellen einen neuen, ändern die Firma, den Unternehmensgegenstand, oftmals auch den Sitz der Gesellschaft sowie ggf. weitere Satzungsbestimmungen und melden sodann den Geschäftsführerwechsel sowie die Satzungsänderungen beim zuständigen Handelsregister an, ohne weitere Erklärungen abzugeben.     

Die Zulässigkeit dieser Form der Verwendung einer Vorratsgesellschaft war in Rechtsprechung und Literatur höchst umstritten. Das Bayerische Oberlandesgericht sowie das Oberlandesgericht Frankfurt/Main hielten diese Praxis für zulässig; das Oberlandesgericht Celle hielt eine derartige Verwendung von Vorratsgesellschaften für unzulässig und legte die Frage zur Entscheidung dem Bundesgerichtshof vor.     

Mit seiner Entscheidung vom 09. Dezember 2002 (AZ: II ZB 12/02, GmbH Rundschau 2003, S. 227) hat der Bundesgerichtshof nunmehr zu dieser wichtigen Frage Stellung genommen und damit den jahrelangen Streit in Literatur und Rechtsprechung beendet. Der Bundesgerichtshof vertritt die Auffassung, die Verwendung des Mantels einer auf Vorrat gegründeten GmbH sei als wirtschaftliche Neugründung anzusehen. Damit sei sie im vollem Umfang in die mit den Gründungsvorschriften verfolgte Regelungsabsicht des Gesetzgebers einzubeziehen, die Ausstattung der Gesellschaft mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestkapital sei auch zum Zeitpunkt der Verwendung der Vorratsgesellschaft sicherzustellen. Das Registergericht habe daher entsprechend der Regelung in § 9 c GmbHG i. V. m. § 12 FGG in eine Gründungsprüfung einzutreten, die sich jedenfalls auf die Erbringung der Mindeststammeinlagen und im Falle von Sacheinlagen auf deren Werthaltigkeit zu beziehen habe (§ 7 Abs. 2, 3, § 8 Abs. 2 GmbHG). Entscheidend hierfür sei der verfahrensrechtliche Anknüpfungspunkt der Anmeldeversicherung nach § 8 Abs. 2 GmbHG. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist hier zu versichern, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG bezeichneten Leistungen auf das Stammkapital bewirkt sind und dass der Gegenstand der Leistung sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet, was beinhaltet, dass im Anmeldezeitpunkt derartige Mindesteinlagen nicht durch entstandene Verluste ganz oder teilweise aufgezehrt sind. Sofern zureichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass - entgegen der abgegebenen Versicherung - die Mindesteinlage nicht (mehr) vorhanden ist, billigt der Bundesgerichtshof dem Registergericht darüber hinaus auch die Prüfungskompetenz zu, ob die GmbH im Zeitpunkt der Anmeldung der Mantelverwendung nicht bereits eine Unterbilanz aufweist.     

Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für den Erwerb einer Vorratsgesellschaft, der in der Praxis aufgrund der damit verbundenen Zeitersparnis verbreitet ist. Durch die Entscheidung werden dem Erwerber der Anteile nunmehr neue Haftungsrisiken aufgebürdet. Da die Stammeinlagen bereits bei der materiellen Gründung der Vorratsgesellschaft erbracht worden sind, kann der neue Geschäftsführer im Rahmen der Verwendung der Vorratsgesellschaft die von ihm geforderten Versicherungen jedoch nicht aus eigener Kenntnis abgeben. Insoweit besteht für ihn das Risiko einer Gründerhaftung. Die Vermeidung der Gründerhaftung in den Fällen des Erwerbs einer Vorratsgesellschaft wird daher in Zukunft Handlungsbedarf aufwerfen. Dieses Risiko wird insbesondere bei der vertraglichen Gestaltung im Rahmen des Erwerbs einer Vorratsgesellschaft zu berücksichtigen sein.

II) Aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs zur Haftung des in eine GbR neu eintretenden Gesellschafters

Seit dem Grundsatzurteil des 2. Senats des Bundesgerichtshofs vom 29. Januar 2001 (AZ: II ZR 331/00) wurde die Frage diskutiert, ob das akzessorische Haftungssystem der BGB-Gesellschaft auch eine Haftung des neu eintretenden Gesellschafters für Altverbindlichkeiten beinhalten müsse. Die entsprechende Anwendung des § 130 HGB, welcher für die Offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft eine solche Haftung für Altverbindlichkeiten durch die einzutretenden Gesellschafter vorsieht, war zunächst Gegenstand zweier obergerichtlicher Entscheidungen, die jedoch zu entgegengesetzten Ergebnissen kamen.  So hat das Oberlandesgericht Hamm in seinem Berufungsurteil vom 22. November 2001 (AZ: 28 U 16/01) entschieden, dass als konsequente Fortführung des     

Grundsatzurteils des Bundesgerichtshofs auch § 130 HGB auf die (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzuwenden sei.  Das Oberlandesgericht Düsseldorf dagegen hat in seiner Entscheidung vom 20. November 2001 (AZ: 23 U 49/01) eine entsprechende Anwendung des § 130 HGB abgelehnt, wobei neben dem formellen Argument, dass es sich um eine Sondervorschrift des Handelsrechts handele, vor allem auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutz abgestellt wurde, da eine rückwirkende Änderung der Rechtslage eine nicht hinnehmbare Benachteiligung der auf Grundlage der bestehenden Rechtslage beigetretenen Gesellschafter darstellen würde.     

Der Bundesgerichtshof hatte nunmehr in seiner Revisionsentscheidung vom 07. April 2003 (AZ: II ZR 56/02) über die rechtlichen Erwägungen, die das OLG Hamm seinem Urteil zugrunde gelegt hatte, zu befinden, wobei es zu einem vermittelnden Urteil kam. Zwar folgte der für Gesellschaftsrecht zuständige 2. Senat im Grunde der Rechtsansicht des OLG Hamm und bestätigte die Anwendung der akzessorischen Haftung entsprechend § 130 HGB, doch berücksichtigte er auch die vom OLG Düsseldorf vorgebrachten Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes. Ergebnis dieser Abwägung ist nunmehr, dass der neu eintretende Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts dann für die vor seinem Beitritt begründeten Verbindlichkeiten persönlich und unbeschränkt haftet, wenn der Beitritt nach der Entscheidung des BGH zu diesem neuen Haftungsgebilde erfolgt ist und Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht länger ins Gewicht fallen können.     

Ab welchem Zeitpunkt genau der Vertrauensschutz gegenüber dem Gläubigerinteresse zurücktreten soll, hat der Bundesgerichtshof jedoch nicht abschließend festgelegt, da er lediglich ausgeführt hat, dass der neue Haftungstatbestand erst auf künftige Beitrittsfälle anzuwenden sein soll.     

Ausdrücklich offen gelassen wurde schließlich die Frage, ob eine solche Haftung für Altverbindlichkeiten auch für solche Verbindlichkeiten begründet werden kann, die aus beruflichen Haftungsfällen resultieren. Die Bedenken in diesem Punkt resultieren aus § 8 Abs. 2 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz, welcher bei Haftungsfällen nur eine persönliche Haftung des bearbeiteten Partners selbst vorsieht, so dass dieser gesetzliche Ausnahmetatbestand zu § 130 HGB möglicherweise auch im neuen Haftungssystem der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Anwendung finden könnte.      Diese Entscheidung hat nunmehr weitreichende Konsequenzen, da ein Abbedingen der akzessorischen Haftung für Altverbindlichkeiten nicht durch eine entsprechende Satzungsklausel möglich ist und somit der neu eintretende Gesellschafter stets dem Risiko ausgesetzt ist, dass er für vor seinem Eintritt begründete Verbindlichkeiten in vollem Umfang persönlich in Anspruch genommen wird und ihm möglicherweise lediglich Ausgleichsansprüche im Innenverhältnis der Gesellschaft zustehen, sofern solche über den gesetzlichen Gesamtschuldnerausgleich hinaus in der Satzung vorgesehen sind. Es muss daher bei jedem Neubeitritt zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingehend geprüft werden, welche Altverbindlichkeiten bestehen, um das wirtschaftliche Risiko des neuen Gesellschafters angemessen beurteilen zu können.      

gez. 

Dr. Christian Stari 

Rechtsanwalt      

 

gez. 

Andreas Noack 

Rechtsanwalt

Redaktion

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