Wichtige Neuerungen des Gesetzgebers zum 01. Januar 2004 betreffen insbesondere Änderungen des Kündigungs- und Befristungsrechts mit Erleichterungen für Arbeitgeber.

ARBEITSRECHT Nr. 2
01.01.2004 | Wibke Reimann

A) Neuerungen des Gesetzgebers zum Jahreswechsel

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3002) folgende weitreichende Änderungen im Kündigungsschutzgesetz vorgenommen, welche allerdings zum Teil die Rechtslage aus dem Jahr 1998 wiederherstellen.

I) Kündigungsrecht

1) Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG n.F.)

Statt allgemeiner sozialer Gesichtspunkte sind nun wieder die Kriterien für die Sozialauswahl konkretisiert und abschließend bezeichnet. Der Arbeitgeber hat bei der Sozialauswahl nur noch

  • die Betriebszugehörigkeit
  • das Lebensalter
  • die Unterhaltsverpflichtungen und
  • die Schwerbehinderung (neu im Verhältnis zur Regelung von 1998)

zu berücksichtigen.

 

2) Herausnahme wichtiger Mitarbeiter aus der Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 S. 2 KSchG n.F.)

Mit der Neuregelung ist nun auch klargestellt, dass Arbeitnehmer von vornherein nicht mehr in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Auch hier wird die Rechtslage aus dem Jahr 1998 wiederhergestellt

3) Erleichterungen durch Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge

Gem. § 1 Abs. 4 KSchG n.F. kann in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung festgelegt werden, wie die oben genannten sozialen Gesichtspunkte zueinander ins Verhältnis gesetzt werden müssen. Diese Vorgaben können dann nur noch durch die Arbeitsgerichte auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Dies kann zu mehr Rechtssicherheit bei betriebsbedingten Kündigungen für Arbeitgeber führen, insbesondere, wenn es sich um Massenentlassungen handelt.

4) Namensliste erleichtert betriebsbedingte Kündigungen (§ 1 Abs. 5 KSchG n.F.)

Wie schon 1998, kann eine Sozialauswahl jetzt nur noch eingeschränkt überprüft werden, wenn die Arbeitnehmer in einem Interessenausgleich gem. § 111 BetrVG in einer sogenannten Namensliste benannt worden sind. Zugleich wird vermutet, dass dringende betriebliche Gründe für die Kündigung vorliegen. Im Gegensatz zu der sonst üblichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ist in einem solchen Fall der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess verpflichtet darzulegen, dass es an dringenden betrieblichen Gründen mangelt. Die Vermutung zugunsten des Arbeitgebers gilt nur dann nicht, wenn sich die Umstände nach Abschluss des Interessenausgleiches wesentlich geändert haben. Die Neuregelung bedeutet deshalb eine erhebliche Erleichterung für arbeitgeberseitige Kündigungen, da die oft schwierig darzulegenden dringenden betrieblichen Gründe nunmehr nicht mehr vom Arbeitgeber im Prozess im Einzelnen vorgetragen werden müssen, sondern der Arbeitnehmer insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist.

5) Abfindungsanspruch (§ 1 a KSchG n.F.)

Der Arbeitgeber kann Kündigungsschutzprozesse bei betriebsbedingten Kündigungen zukünftig vermeiden, indem er gekündigten Arbeitnehmern die Zahlung einer Abfindung für den Fall verspricht, dass dieser auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage innerhalb der Klagefrist von 3 Wochen verzichtet. Die Abfindung muss dann allerdings mindestens 0,5 Monatsverdienste pro Beschäftigungsjahr betragen. Zeiträume von mehr als 6 Monaten sind auf ein Jahr aufzurunden. Die Höhe des Monatsverdienstes ist entsprechend § 10 Abs. 3 KSchG zu berechnen (= regelmäßiger Monatsverdienst zum Zeitpunkt des Ausscheidens). Weitere Voraussetzung ist, dass die Kündigung ausdrücklich auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt wird. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abfindung entsteht bei Vorliegen der Voraussetzungen automatisch nach Verstreichen der Klagefrist. Der Arbeitgeber ist jedoch nicht verpflichtet eine Abfindung anbieten und der Arbeitnehmer ist auch gezwungen, auf das Angebot des Arbeitgebers einzugehen.

6) Einheitliche Fristenregelung für Kündigungsschutzklagen (§ 6 KschG n.F.)

Der Arbeitnehmer muss in jedem Fall innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben, auch wenn er die Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen als der fehlenden sozialen Rechtfertigung geltend machen will. Bislang konnten übrige Unwirksamkeitsgründe auch noch nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist geltend gemacht werden. Allerdings kann ein Arbeitnehmer in einem laufenden Kündigungsschutzprozess andere Gründe für die Unwirksamkeit der Kündigung auch dann noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung der 1. Instanz nachschieben, wenn er sie zunächst nicht innerhalb der Klagefrist geltend gemacht hatte.

7) Zulassung verspäteter Klagen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG n.F.)

Wegen der Verschärfung der Klagefrist hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG eine Zulassung verspäteter Kündigungsschutzklagen für den Fall geregelt, dass eine Frau von Ihrer Schwangerschaft (absoluter Kündigungsschutz) erst nach Ablauf der Klagefrist Kenntnis erlangt.

8) Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses (§ 13 KSchG n.F.)

Bei unbegründeten außerordentlichen Kündigungen kann der Arbeitnehmer auch weiterhin die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung gem. §§ 10 - 12 KSchG beantragen, wenn ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn eine sittenwidrige Kündigung vorliegt. Der Beendigungszeitpunkt wird nun jedoch auf den Zeitpunkt festgesetzt, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde und nicht zu dem das Arbeitsverhältnis bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

9) Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 23 Abs. 1 KSchG n.F.)

Der Gesetzgeber hat den Schwellenwert für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes von bislang mehr als 5 auf mehr als 10 Arbeitnehmer heraufgesetzt. Es ist allerdings zu beachten, dass diese Änderung nur für Arbeitsverhältnisse gilt, die nach dem 31. Dezember 2003 begründet wurden. Für alle anderen Arbeitnehmer gilt weiterhin das Kündigungsschutzgesetz auch dann, wenn lediglich mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Wichtig ist, dass alle Arbeitnehmer, die noch vor dem 31. Dezember 2003 beim Arbeitgeber beschäftigt waren, nicht bei der Berechnung der in der Regel mehr als zehn beschäftigten Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind.

Beispiel 1:
Beim Arbeitgeber A sind 4 Arbeitnehmer seit dem 1.1.2000 beschäftigt. Am 1.1.2004 stellt A weitere 7 Arbeitnehmer ein. Weder für die 4 Arbeitnehmer noch für die 7 Arbeitnehmer gelten dann die Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes zur Sozialwidrigkeit der Kündigung.

Beispiel 2:
Beim Arbeitgeber A sind 7 Arbeitnehmer seit dem 1.1.2000 beschäftigt. Am 1.1.2004 stellt A weitere 5 Arbeitnehmer ein. Für die ersten 7 Arbeitnehmer gilt das Kündigungsschutzgesetz; für die weiteren 5 Arbeitnehmer aber nicht, da der Schwellenwert von 10 Arbeitnehmern noch nicht überschritten wurde. Die Folge ist, dass in Betrieben das Kündigungsschutzgesetz für Arbeitnehmer je nach dem Zeitpunkt des Betriebseintritts anwendbar sein kann oder nicht.

Hinweis:
Zu beachten ist, dass bei betriebsbedingten Kündigungen immer die Mitarbeiter vorrangig gekündigt werden müssen, die noch nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen. Erst danach ist eine Sozialauswahl durchzuführen, in welche nur die Mitarbeiter einzubeziehen sind, die dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen. Im Beispiel 2 wären dies die 7 Mitarbeiter, die bereits seit dem 01.01.2000 beschäftigt sind.

II) Befristung von Arbeitsverhältnissen (§ 14 Abs. 2 a TzBfG n.F.)

Neu gegründete Unternehmen können gem. § 14 Abs. 2 a Teilzeit- und Befristungsgesetz in den ersten vier Jahren nach Gründung (jedoch nicht im Zusammenhang von Umstrukturierungen von Unternehmen und Konzernen) ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes Arbeitnehmer bis zu einer Gesamtdauer von vier Jahren befristet einstellen. Die mehrfache Verlängerung der befristeten Arbeitsverhältnisse im Rahmen der vorgegebenen Gesamtdauer ist möglich.

III) Altersgrenze für die Erstattungspflicht gem. § 147 a SGB III herabgesetzt

Bei der Kündigung älterer Arbeitnehmer ist zu beachten, dass die Altersgrenze für die Erstattungspflicht des Arbeitgebers für das Arbeitslosengeld gem. § 147 a SGB III von 56 Jahren auf 55 Jahre herabgesetzt wurde.

Hinweis:
Vor der Kündigung eines 55 Jahre alten Arbeitnehmers sollte immer geprüft werden, ob dadurch die Erstattungspflicht gem. § 147 a SGB III ausgelöst wird.

IV) Bezugsdauer für Arbeitslosengeld verkürzt (§ 127 Abs. 2 SGB III)

Die maximale Bezugsdauer für Arbeitslosengeld wurde bei 55-jährigen Arbeitslosen von maximal 32 Monaten auf lediglich maximal 18 Monate reduziert. Bei Arbeitslosen bis zu 55 Jahren beträgt die maximale Bezugsdauer nur noch 12 Monate. Somit sind von der Änderungen insbesondere auch Arbeitslose ab dem 45. Lebensjahr betroffen, da diese bislang 14-18 Monaten Arbeitslosengeld beziehen konnten. Die Gesetzesänderung gilt erst für Arbeitnehmer, die ab dem 01. Januar 2004 arbeitslos werden.

B) Wichtige arbeitsrechtliche Entscheidungen

I) Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen bei Insolvenzreife

In einer neueren Entscheidung des 5. Strafsenats des BGH vom 30. Juli 2003 (5 StR 221/03) hat dieser im Anschluss an seine bisherige Rechtsprechung den Vorrang der Begleichung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung gem. § 266 a Abs. 1 StGB bestätigt, allerdings folgende Ausnahme aufgestellt: Ein Geschäftsführer hat im Hinblick auf § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG während des Laufes der dreiwöchigen Frist für die Stellung des Insolvenzantrags im Interesse der übrigen Gläubiger die Masse zusammenzuhalten und nicht - auch nicht durch das vorrangige Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen - zu schmälern. Ist die Drei-Wochen-Frist aber abgelaufen, sind die im Unternehmen noch verfügbaren Mittel in erster Linie für die Begleichung der Arbeitnehmerbeiträge im Sinne des § 266 a Abs. 1 StGB einzusetzen. Dies gilt auch dann, wenn das Abführung der Sozialversicherungsbeiträge ggf. im späteren Insolvenzverfahren als mögliche Gläubigerbegünstigung angefochten werden könnte.

II) Keine Widerrufsbelehrung im Aufhebungsvertrag erforderlich

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 27. November 2003 (2 AZR 177/03) endlich klargestellt, dass § 312 BGB nicht auf arbeitsrechtliche Beendigungsvereinbarungen anwendbar ist, mithin dem Arbeitnehmer kein Widerrufsrecht einzuräumen ist.

III) Doppeltes Schriftformerfordernis und betriebliche Übung

Nach einer Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2003 (24. Juni 2003, 9 AZR 302/02) kann eine betriebliche Übung dann nicht entstehen, wenn in einem Arbeitsvertrag eine sog. doppelte Schriftformklausel vereinbart wurde. Denn wird eine Abrede nicht schriftlich getroffen, sondern eine Erklärung nur durch stillschweigendes Handeln abgegeben, verstößt diese gegen das Schriftformerfordernis und ist nichtig. Aus diesem Grund könne durch konkludentes Handeln bei Bestehen einer doppelten Schriftformklausel keine betriebliche Übung entstehen.

Empfehlung:
Eine doppelte Schriftformklausel sieht vor, dass Änderungen des Vertrages nur schriftlich erfolgen können und auch die Schriftformklausel nur schriftlich geändert werden kann. Es empfiehlt sich deshalb, die bestehenden Arbeitsverträge daraufhin zu untersuchen, ob eine solche doppelte Schriftformklausel enthalten ist und falls nicht, eine solche bei neuen Verträgen zu ergänzen. Allerdings ist die Rechtsprechung des BAG mit Vorsicht zu genießen, da es durchaus umstritten ist, ob nicht auch die doppelte Schriftformklausel durch konkludentes Handeln einvernehmlich aufgehoben werden kann.

Redaktion

Redaktion: Rechtsanwältin Wibke Reimann

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# Tags: Wibke Reimann, Arbeitsrecht, Recht Aktuell