KURZINFO IMMOBILIENRECHT

IMMOBILIENRECHT Nr. 2
22.06.2004 | Dr. Christian Stari, Andreas Noack

I) Aktuelle Urteile des Bundesgerichtshofs zu den Rechten des Kreditnehmers gegenüber der Bank beim kreditfinanzierten Erwerb von Anteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds

a. Grundsatzentscheidungen des II. Senats

Nachdem sich der für Bankrecht zuständige XI. Senat des Bundesgerichtshofs bereits mit der Thematik der Verbraucherrechte der Kreditnehmer gegenüber der den Erwerb von Anteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds finanzierenden Bank auseinandergesetzt und dabei eine eher bankenfreundliche Rechtsprechung entwickelt hat, hatte nunmehr auch der für Gesellschaftsrecht zuständige II. Senat eine Reihe von Verfahren im Zusammenhang mit der Abwicklung kreditfinanzierter Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds zur Entscheidung vorliegen. Nachdem in der Vorinstanz die Oberlandesgerichte in Anlehnung an die Rechtsprechung des XI. Senats nahezu einhellig die Position der finanzierenden Banken gestärkt haben, hat der II. Senat in sechs Entscheidungen vom 14. Juni 2004 (Az. II ZR 392/01, II ZR 395/01, II ZR 374/02, II ZR 385/02, II ZR 393/02, II ZR 407/02) diese Urteile aufgehoben und dabei allgemeine Rechtsgrundsätze für die Abwicklung kreditfinanzierter Fondsbeteiligungen aufgestellt, wobei sich vier unterschiedliche Fallgruppen unterscheiden lassen. Diese Grundsätze wurden in ihren Grundzügen bereits im Rahmen einer Presseerklärung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs veröffentlicht, wobei die Begründungen des Senats im Einzelnen noch nicht vorliegen, weshalb die nachfolgenden Ausführungen zunächst noch nicht abschließend sein können.

b. Verbundenes Geschäft im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes

Der II. Senat scheint zunächst von dem Grundsatz auszugehen, dass die Beitrittsvereinbarung und der in diesem Zusammenhang von dem Anlagevermittler zugleich angebahnte Kreditvertrag ein verbundenes Geschäft im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes darstellen, was von dem XI. Senat in seiner Entscheidung vom 16. September 2003 (Az. XI ZR 447/02) noch ausdrücklich verneint wurde. Zwar führt auch der II. Senat aus, dass die Schutzvorschriften des Verbraucherkreditgesetzes auf Realkreditverträge zwar grundsätzlich keine Anwendung finden, doch soll dies zumindest dann nicht gelten, wenn das Grundpfandrecht bereits vor dem Beitritt des Anlegers bestellt worden ist.

c. Bank muss sich Einwendungen aus dem Vertrag mit der Fondsgesellschaft entgegenhalten lassen

Vor diesem Hintergrund muss sich die finanzierende Bank alle Einwendungen, die dem Anleger gegenüber der Fondsgesellschaft zustehen entgegenhalten lassen, was bei den aufgeführten Fallgruppen jeweils dazu führen soll, dass dem Anleger ein Anspruch auf Rückzahlung all dessen zustehen soll, was er aus seinem Privatvermögen - nicht aus den Erträgen des Fonds - an die Bank gezahlt hat, wobei er zugleich verpflichtet sein soll, seine Ansprüche gegen die Fondsgesellschaft an die Bank abzutreten und sich seine bereits realisierten Steuervorteile anrechnen zu lassen.

d. Arglistige Täuschung des Anlegers oder Haustürwiderrufssituation

Die vier vom Bundesgerichtshof herausgearbeiteten Fallgruppen, bei denen die beschriebenen Rechtsfolgen eintreten, stellen sich wie folgt dar:

Dies soll zum einen dann gelten, wenn der Anleger bei seinem Beitritt arglistig getäuscht wurde, aber auch dann, wenn die Verträge in der Wohnung des Anlegers abgeschlossen oder angebahnt wurden und dem Anleger daher ein Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz zusteht.

e. Beitritts- und Kreditvertrag aufgrund nichtiger Vollmacht

Ebenso sollen die Fälle zu beurteilen sein, in denen die Beitritts- und Kreditverträge nicht durch den Anleger selbst, sondern durch einen bevollmächtigten Treuhänder abgeschlossen wurden, da hier in der Regel ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vorliege, sofern der Treuhänder nicht Rechtsanwalt war oder sonst über eine Erlaubnis zur Besorgung von Rechtsangelegenheiten verfügte. Auch hält der II. Senat eine Heilung dieses Formmangels für problematisch, da der Treuhänder nicht von dem Anleger frei ausgewählt, sondern von dem Initiator vorgegeben worden sei, was der Bank regelmäßig auch bekannt gewesen sei.

f. Verstoß gegen Formerfordernisse des Verbraucherkreditgesetzes

Schließlich sollen den Anleger auch dann keine Zahlungspflichten gegenüber der finanzierenden Bank treffen, wenn der Darlehensvertrag nicht den formellen Anforderungen des Verbraucherkreditgesetzes entspricht, da eine Heilung durch Auszahlung des Kredits regelmäßig nicht eingetreten sein dürfte, da die Auszahlung nicht an den Darlehensnehmer, sondern unmittelbar an die Fondsgesellschaft erfolgte, wobei der Senat es anscheinend auch für unerheblich hält, dass diese Auszahlung auf Weisung des Anlegers erfolgte.

g. Zusammenfassung der Pressestelle des BGH

Zusammenfassend führt die Pressestelle des Bundesgerichtshofs in seiner Presseerklärung aus, dass Privatpersonen, die entweder durch Täuschung oder in ihrer Wohnung oder unter Beteiligung eines nicht zur Besorgung von Rechtsangelegenheiten zugelassenen Treuhänders oder ohne hinreichende Belehrung über die Kreditkonditionen zu einem kreditfinanzierten Fondsbeitritt bewogen worden sind, grundsätzlich keine Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Bank haben, was eine umfassende Stärkung der Verbraucherinteressen bedeutet, welche bislang durch den XI. Senat nicht in dieser Konsequenz berücksichtigt wurden.

h. Ausblick

Es bleibt nunmehr abzuwarten, wie die einzelnen Entscheidungen begründet wurden, um sodann die tatsächlichen Konsequenzen aus dieser neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshof analysieren zu können. Schon jetzt deutet sich allerdings an, dass in der Tat für jeden Einzelfall eine genaue Analyse erforderlich sein wird, um festzustellen, ob die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs auf den konkreten Fall übertragbar sind (Stichwort: Zeitpunkt der Bestellung der Grundpfandrechte) und ob es für Anleger oder Fondsgesellschaft überhaupt Sinn macht, sich auf diese Rechtsprechung zu berufen (Stichwort: Anrechnung von Steuervorteilen). Wir werden hierüber zeitnah weiter berichten.

II) Widerruf von Realkreditverträgen - Erneuter Vorlagebeschluss zum EuGH - Ein Zwischenbericht

a. EuGH-Entscheidung zum Widerruf von Realkreditverträgen

In der letzten Ausgabe unserer Reihe "Recht aktuell" haben wir über den Vorlagebeschluss des Landgerichts Bochum zum Europäischen Gerichtshofs (EuGH) berichtet, mit welchem die Vereinbarkeit der vom XI. Senat des Bundesgerichtshof im Grundsatz zu den Rechtsfolgen des Widerrufs vertretene Position mit der europäischen Haustürgeschäfterichtlinie einer Überprüfung unterzogen werden soll.

b. Beginn der Verhandlungen vor dem EuGH

Am 15. Juni 2004 hat vor dem EuGH in Luxemburg nun die Verhandlung in dieser Sache mit den Stellungnahmen der Parteien begonnen. Die Vertreter der Bundesregierung haben sich in ihrer Stellungnahme klar auf die Seite der Banken gestellt, wohingegen sich die Vertreter der italienischen und französischen Regierung auf das Gebot des hohen Schutzniveaus auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes beriefen und die Rechtsprechung des XI. Senats des Bundesgerichtshofes hiermit nicht für vereinbar hielten. Dies entspricht wohl auch der Position der Kommission, welche die bankenfreundlichen Urteile bereits Ende des vergangenen Jahres kritisiert hatte.

Auch wenn nach dieser ersten Verhandlung noch kein konkretes Ergebnis vorausgesagt werden kann, so zeigt sich doch zumindest eine Tendenz dahingehend, dass die bisherige Rechtsprechung des für Bankrecht zuständigen XI. Senats durchaus als kritisch angesehen wird, so dass erwartet werden darf, dass eine Entscheidung im Sinne der Anleger ergehen könnte.

c. Entscheidung noch vor Jahresende

Die Schlussanträge wurden für den 28. September 2004 angekündigt, so dass noch vor Jahresende mit einer Grundsatzentscheidung des EuGH zu rechnen ist.

Wir werden Sie über die weitere Entwicklung selbstverständlich auf dem Laufenden halten.

Redaktion

Redaktion: Rechtsanwalt Dr. Christian Stari und Rechtsanwalt Andreas Noack

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# Tags: Dr. Christian Stari, Andreas Noack, Immobilienrecht, Recht Aktuell