Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum kreditfinanzierten Erwerb von Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds

IMMOBILIENRECHT Nr. 8
27.07.2006 | Dr. Christian Stari, Andreas Noack

I) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum kreditfinanzierten Erwerb von Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds

Mit unserer Kurzinfo Immobilienrecht Nr. 7 vom 27. April 2006 hatten wir bereits auf Grundlage der bis dahin vorliegenden Presseerklärung des Bundesgerichtshofs über die dortigen Urteile vom 25. April 2006 berichtet. Nachdem die Urteilsgründe nunmehr vollständig vorliegen, werden wir nachfolgend die rechtlichen Konsequenzen, die sich aus diesen Urteilen ergeben, systematisch und vertiefend darstellen.

1. Rechtsfolgen beim Widerruf des Kreditvertrages nach den Bestimmungen des Haustürwiderrufsgesetzes

Zu prüfen war die Frage, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben, wenn ein Anleger den zur Finanzierung seines Beitritts zu einem geschlossenen Immobilienfonds abgeschlossenen Darlehensvertrag, den er in einer so genannten Haustürsituation unterzeichnet hat, nach den Bestimmungen des Haustürwiderrufsgesetzes gegenüber der Bank widerruft. Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil zum Aktenzeichen XI ZR 193/04 eingehend auseinandergesetzt.

 

a)
Zunächst bestätigt der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung, wonach der Darlehensnehmer im Fall des Widerrufs des Darlehensvertrages nach den Bestimmungen des Haustürwiderrufsgesetzes grundsätzlich das Darlehen sofort und in einer Summe an den Darlehensgeber - die finanzierende Bank - zurückzuzahlen hat.

Sodann arbeitet der Bundesgerichtshof jedoch zwei Fallvarianten heraus, im Rahmen derer eine solche Zahlungsverpflichtung des Darlehensnehmers nicht in Betracht kommt: Danach scheidet eine solche Rückzahlungsverpflichtung dann aus, wenn

  • entweder der Kreditnehmer das Darlehen nicht empfangen hat oder
  • der Darlehensvertrag und das finanzierte Geschäft ein verbundenes Geschäft im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes bilden.

Mit der zweiten Fallvariante setzt sich der Bundesgerichtshof sodann im Einzelnen auseinander. Folge eines solchen verbundenen Geschäftes ist es, dass der Widerruf des Darlehensvertrages zugleich der Wirksamkeit des finanzierten Geschäftes (hier: des Fondsbeitritts) entgegen steht. Die weitere Folge ist, dass der Zweck der gesetzlichen Widerrufsregelungen nach dem Haustürwiderrufsgesetz es erforderlich macht, dem Anleger das Recht einzuräumen, frei zu entscheiden, ob er an dem finanzierten Geschäft festhalten wolle oder nicht. Dieses Recht räumt der Bundesgerichtshof dem Anleger durch eine entsprechend weite Auslegung der Bestimmung des § 3 Haustürwiderrufsgesetzes ein: In diesen Fällen besteht kein Anspruch der Bank auf Rückzahlung der Darlehensvaluta; die Rückabwicklung des Darlehensverhältnisses erfolgt vielmehr unmittelbar zwischen dem Kreditgeber und dem Partner des finanzierten Geschäfts (im Fall des Fondsbeitritts also der Fondsgesellschaft). Der Anleger ist im Rahmen des Bereicherungsausgleichs gegenüber der finanzierenden Bank lediglich zur Übertragung des finanzierten Fondsanteils verpflichtet.

 

b)

Zum verbundenen Geschäft hält der Bundesgerichtshof an seiner Rechtsprechung fest, wonach ein solches Geschäft unwiderleglich dann vermutet wird, wenn der Kreditvertrag nicht aufgrund einer Eigeninitiative des Anlegers zustande gekommen ist, sondern vom Anlagevertreiber mitvermittelt wurde. In diesem Zusammenhang betont der Bundesgerichtshof auch, dass die Rechtsfolgen - wie oben beschrieben - auch dann eintreten, wenn das im Rahmen des Verbundes finanzierte Geschäft notariell beurkundet wurde. Diese Rechtsprechung wird damit also nicht nur für den Fall des Fondsbeitritts, sondern auch für den Fall des Erwerbs einer kreditfinanzierten Eigentumswohnung relevant.

 

c)

Schließlich hebt der Bundesgerichtshof hervor, dass auch die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft diesen Rechtsfolgen - mithin der Freistellung des Darlehensnehmers von der Darlehensrückzahlung - nicht entgegen stehen. Er betont, dass diese Rechtsgrundsätze im Verhältnis des Gesellschafters zur kreditgebenden Bank keine Anwendung finden. Der Anleger ist gegenüber der kreditgebenden Bank nach Widerruf des Darlehensvertrages nur zur Übertragung des finanzierten Gesellschaftsanteils bzw. seiner Rechte aus dem fehlerhaften Beitritt verpflichtet. Weitere Zahlungsverpflichtungen scheiden jedoch aus.

 

d)

Vor dem Hintergrund dieser Begründung und der sich daraus ergebenden Tatsache, dass der Bundesgerichtshof in derartige Fällen des Widerrufs eines Darlehensvertrages nach den Bestimmungen des Haustürwiderrufsgesetzes bei gleichzeitigem Vorliegen eines verbundenen Geschäftes im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes einen weitgehenden Schutz des Verbrauchers gewährleistet, war der Bundesgerichtshof nicht veranlasst, im Rahmen dieser Entscheidung näher auf die Urteile des EuGH vom 25. Oktober 2005  vgl. hierzu unsere Kurzinfo Immobilienrecht Nr. 6 vom 16. Dezember 2005  einzugehen. Er ließ es vielmehr ausdrücklich offen, wie weit der Schutzbereich des Haustürwiderrufsgesetzes geht, wenn ein verbundenes Geschäft nicht vorliegt.

2. Rechtsfolgen bei Vorliegen eines Formverstoßes nach den Bestimmungen des Verbraucherkreditgesetzes

a)

In den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu den Aktenzeichen XI ZR 193/04 und XI ZR 219/04 ging es darüber hinaus konkret um die Frage, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben, wenn ein Kreditvertrag entgegen der Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b) Verbraucherkreditgesetz nicht den Gesamtbetrag, der vom Darlehensnehmer zurückzuzahlen ist, ausweist.

Hierzu hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass eine Heilung dieses Formverstoßes bei vertragsgemäßer Auszahlung des vereinbarten Kreditbetrages eintritt und zwar auch dann, wenn die Auszahlung nicht an den Darlehensnehmer unmittelbar, sondern vertragsgemäß an einen zwischengeschalteten Treuhänder erfolgt. Der Bundesgerichtshof betont, dass dies auch bei Vorliegen eines verbundenen Geschäftes gilt (so auch im Urteil zum Aktenzeichen XI ZR 106/05).

In diesem Zusammenhang geht der Bundesgerichtshof auch auf europarechtliche Erwägungen ein und arbeitet heraus, dass diese keine andere Beurteilung erforderlich machen. Insbesondere gebiete die Richtlinie 27/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Verbraucherkredit keinen weitergehenden Schutz bei reinen Formverstößen.

 

b)

In seinen Urteilen zum Aktenzeichen XI ZR 219/04 und XI ZR 29/05 setzt sich der Bundesgerichtshof darüber hinaus noch einmal mit der Frage auseinander, inwieweit das Verbraucherkreditgesetz überhaupt Anwendung findet, wenn der Darlehensvertrag grundbuchlich abgesichert ist. Dieser Fragestellung lag eine im Rahmen der Finanzierung von Fondsanteilen durchaus übliche Fallkonstruktion zugrunde, wonach die zur Finanzierung des Fondsbeitritts gewährten Darlehen bereits vor Abschluss der Darlehensverträge durch eine entsprechende Globalgrundschuld zugunsten der in der Regel sämtliche Gesellschafter eines Fonds finanzierenden Bank abgesichert waren. Abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs  und nunmehr auch in Abstimmung mit diesem  stellt der XI. Zivilsenat klar, dass in derartigen Fällen das Verbraucherkreditgesetz von vornherein keine Anwendung findet.

3. Die Rechtsscheinstatbestände der §§ 171, 172 BGB

Bei Unwirksamkeit des von einem Bevollmächtigten im Namen eines Anlegers unterzeichneten Kreditvertrages zur Finanzierung des Beitritts zu einer Fondsgesellschaft wegen eines durchgreifenden Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz war streitig, inwieweit sich die finanzierende Bank gemäß den Vorschriften der §§ 171, 172 BGB auf einen zu ihren Gunsten gesetzten Rechtsschein berufen könne, wenn ihr zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages das Original der Vollmacht bzw. eine notarielle Ausfertigung hiervon vorgelegen habe.

In den Urteilen zum Aktenzeichen XI ZR 219/04 und XI ZR 29/04 stellt der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des II. Zivilsenats - aber nunmehr auch insoweit in Abstimmung mit diesem - klar, dass die Vorschriften der §§ 171 ff. BGB auch in derartigen Fällen anwendbar sind. Auch dann also, wenn die einem Treuhänder zwecks Abschluss eines Kreditvertrages zur Finanzierung eines Fondsbeitritts erteilte Vollmacht wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz unwirksam ist, kann sich die Bank auf den durch Vorlage des Originals oder der notariellen Ausfertigung der Vollmacht gesetzten Rechtschein berufen mit der Folge, dass die Darlehensverträge zwischen Anleger und finanzierender Bank in diesen Fällen wirksam zustande gekommen sind. Der Bundesgerichtshof stellt darüber hinaus klar, dass dies auch bei Vorliegen eines verbundenen Geschäftes gilt.

4. Die Rechte des Anlegers gegenüber der kreditfinanzierenden Bank bei Täuschung durch den Anlagevermittler

In seinem Urteil zum Aktenzeichen XI ZR 106/05 schließlich setzt sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinander, welche Rechtsfolgen sich im Hinblick auf den zur Finanzierung des Fondsbeitritts abgeschlossenen Darlehensvertrag für den Anleger ergeben, wenn dieser im Rahmen des Fondbeitritts getäuscht wurde und vor dem Hintergrund der Täuschung seinen Beitritt zur Fondsgesellschaft erfolgreich anficht.

 

a)

In diesem Zusammenhang hält der Bundesgerichtshof zunächst noch einmal fest, dass der Anleger in derartigen Fällen gegenüber der Fondsgesellschaft grundsätzlich zur jederzeitigen fristlosen Kündigung der Fondsbeteiligung berechtigt ist. Ein rückwirkendes Anfechtungsrecht ist auch hier wegen der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft ausgeschlossen. In diesen Fällen kann der Anleger darüber hinaus die Auszahlung des sich im Rahmen der Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz ergebenden Abfindungsguthaben verlangen, sofern dies positiv ist. Mit der Frage, wie sich die Rechtslage darstellt, wenn das Abfindungsguthaben negativ ist, befasst sich der Bundesgerichtshof nicht. Er stellt allerdings nochmals klar, dass gegenüber der Fondsgesellschaft ein Anspruch auf Rückzahlung der Einlage nicht besteht.

 

b)

Sodann arbeitet der Bundesgerichtshof heraus, dass dem Anleger bei Vorliegen eines verbundenen Geschäftes nach erfolgreicher Anfechtung seines Fondsbeitritts auch gegenüber der den Fondsbeitritt finanzierenden Bank weitergehende Rechte zustehen.

Zunächst kann der Anleger seinen gegenüber der Fondsgesellschaft bestehenden Anspruch auf Auszahlung eines (positiven) Auseinandersetzungsguthabens auch der kreditgebenden Bank entgegen halten. Das heißt, dass er in diesem Fall den Anspruch an die finanzierende Bank überleiten muss, die sich den daraus ergebenden Betrag auf den eigenen Anspruch gegenüber der Darlehensnehmer auf Rückzahlung der Darlehensvaluta anrechnen lassen muss. Der Darlehensnehmer hat gegenüber der Bank danach zunähst also "nur noch" einen etwaigen Differenzbetrag zu erstatten.

Damit erschöpfen sich die Rechte des Anlegers im Fall des Vorliegens eines verbundenen Geschäftes jedoch noch nicht. Darüber hinaus kann, wie der Bundesgerichtshof nunmehr entschieden hat, der Anleger in diesen Fällen auch den Darlehensvertrag nach § 123 BGB anfechten. Dies wiederum hat zur Folge, dass die Bank keinen Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Darlehensvaluta gegenüber dem Anleger geltend machen kann, sondern dass sie lediglich einen Anspruch auf Übertragung des finanzierten Gesellschaftsanteiles hat.

 

c)

Schließlich betont der Bundesgerichtshof, dass auch Schadensersatzansprüche des Anlegers gegenüber der finanzierenden Bank unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss in Betracht kommen, da sich die Bank - bei Vorliegen eines verbundenen Geschäfts - die Täuschung des Vermittlers zurechnen lassen muss. Hat der Anleger zuvor seinen Fondsbeitritt wirksam angefochten bzw. sein außerordentliches Kündigungsrecht geltend gemacht, ist er nunmehr gegenüber der Bank nur noch zur Übertragung seiner sich danach ergebenden Ansprüche gegenüber der Fondsgesellschaft verpflichtet. Die Bank ist zur Rückzahlung der von dem Darlehensnehmer erhaltenen Zins- und Tilgungszahlungen verpflichtet, wobei sich der Anleger Fondsausschüttungen und Steuerersparnisse anrechnen lassen muss.

5. Fazit

Die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 25. April 2006 stärken die Rechtsposition des Anlegers nur bei Vorliegen eines verbundenen Geschäfts und nur dann, wenn gleichzeitig der streitgegenständliche Darlehensvertrag in einer Haustürsituation abgeschlossen wurde oder der Anleger im Rahmen des finanzierten Geschäftes getäuscht wurde und diesem entsprechende Anfechtungsrechte zustehen. In diesem Zusammenhang ist allerdings auf die Anfechtungsfrist des § 124 BGB hinzuweisen: Danach ist die auf eine Täuschung gestützte Anfechtung nur innerhalb einer Frist von einem Jahr ab Kenntnis von der Täuschung möglich.

Hingegen wird die Rechtsposition der Anleger abweichend von der bisherigen sehr anlegerfreundlichen Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs in den Fällen geschwächt, in denen es lediglich um einen Formverstoß nach dem Verbraucherkreditgesetz geht oder ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vorliegt und gleichzeitig ein wirksamer Rechtschein im Sinne der §§ 171 ff. gesetzt wurde.

II) Die höchstrichterliche Umsetzung der Vorgaben des EuGH zum kreditfinanzierten Erwerb so genannter "Schrottimmobilien"

1. Aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs

a)

Am 16. Mai 2006 hatte der Bundesgerichtshof in insgesamt neun Verfahren (Aktenzeichen XI ZR 400/03, XI ZR 6/04, XI ZR 15/04, XI ZR 26/04, XI ZR 48/04, XI ZR 63/04, XI ZR 92/04, XI ZR 104/04 und XI ZR 111/04) mündliche Verhandlungen angesetzt, im Rahmen derer es um die Finanzierung so genannter "Schrottimmobilien" ging. Konkret ging es um die Frage, welche Rechte sich für Käufer von zum Zweck der Steuerersparnis ohne nennenswertes Eigenkapital erworbener Eigentumswohnungen ergeben, wenn der Darlehensvertrag, der zur Finanzierung des Erwerbs der Eigentumswohnung abgeschlossen wurde, im Rahmen einer so genannten Haustürsituation unterzeichnet wurde, ohne dass der Kreditnehmer ordnungsgemäß über sein sich danach ergebendes Widerrufsrecht belehrt worden wäre. Der Bundesgerichtshof hatte diese Entscheidungen zunächst im Hinblick auf die laufenden Verfahren vor dem EuGH ausgesetzt. Nach dem Vorliegen dieser Urteil des EuGH vom 25. Oktober 2005 (ausführlich hierzu: unsere Kurzinfo Immobilienrecht Nr. 6 vom 16. Dezember 2005) musste der Bundesgerichtshof nun entscheiden, welche konkreten Auswirkungen sich hieraus für die bei ihm zur Überprüfung stehenden Fallkonstellationen ergaben. Dabei war als Besonderheit der dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorliegenden Sachverhalte zu berücksichtigen, dass die betroffenen Anleger die notariellen Verträge zum Erwerb der Eigentumswohnung geschlossen hatten, bevor die jeweiligen Darlehensverträge unterzeichnet wurden.

 

b)

Der Bundesgerichtshof hat nach Auswertung der Urteile des EuGH Folgendes entschieden:

Zunächst sieht der XI. Zivilsenat sich und seine Rechtsprechung bestätigt, wonach im Fall des Widerrufs eines Darlehensvertrages nach den Bestimmungen des Haustürwiderrufsgesetzes der Darlehensbetrag zur sofortigen Rückzahlung fällig ist. Ergänzend betont der Bundesgerichtshof, dass das grundsätzlich auch dann gilt, wenn die Darlehensvaluta nicht an den Anleger sondern  vertragsgemäß  unmittelbar an den Verkäufer der Immobilie ausgezahlt worden ist.

Sodann setzt sich der Bundesgerichtshof mit der Frage eines Schadensersatzanspruches des Darlehensnehmers wegen der unterbliebenen Widerrufsbelehrung auseinander. Der Bundesgerichtshof hat hierzu nunmehr entschieden, dass in den Fällen, im Rahmen derer der Darlehensvertrag erst nach notarieller Beurkundung des Immobilienkaufvertrages abgeschlossen wurde, Schadensersatzansprüche ausscheiden, da die fehlende Widerrufsbelehrung nicht kausal für den Erwerb der Wohnung sein konnte. Der Bundesgerichtshof lässt ausdrücklich offen, ob und inwieweit Schadensersatzansprüche möglich sind, wenn der Darlehensvertrag vor Beurkundung des Immobilienkaufvertrages unterzeichnet wurde.

Im Interesse eines effektiveren Anlegerschutzes zeigt der Bundesgerichtshof sodann jedoch auch für diese Fälle (Darlehensabschluss nach notarieller Beurkundung des Immobilienkaufvertrages) einen Weg zu möglichen Schadensersatzansprüchen des Anlegers auf. Dies setzt zunächst jedoch voraus, dass ein verbundenes Geschäft zwischen Darlehensvertrag und beurkundetem Immobilienkaufvertrag besteht. Für diese Fälle nun hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zu eigenen Aufklärungspflichten der kreditgebenden Bank ergänzt. Danach kann sich der Erwerber einer Immobilie bei institutionalisiertem Zusammenwirken zwischen Bank und Verkäufer bzw. Vertrieb unter erleichterten Voraussetzungen auf einen - eine besondere bzw. erweiterte Aufklärungspflicht der finanzierenden Bank auslösenden -konkreten Wissensvorsprung der Bank berufen. Dies gelte jedenfalls im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch falsche Angaben gegenüber dem Anleger seitens des Vermittlers, Verkäufers bzw. der Initiatoren oder im Zusammenhang mit falschen Prospektangaben. In derartigen Fällen wird nunmehr widerleglich vermutet, dass die Bank Kenntnis von diesen fehlerhaften Informationen des Anlegers hatte.

Im Verfahren zum Aktenzeichen XI ZR 6/04 hat der Bundesgerichtshof am 16. Mai 2006 sogleich entschieden und das Verfahren an die Instanzgerichte zurückverwiesen, um den Sachverhalt im Hinblick auf etwaige erweiterte Aufklärungspflichten der Bank aufarbeiten zu lassen.

2. Erste Urteile der Oberlandesgerichte

Voraussichtlich wird der Bundesgerichtshof schon bald Gelegenheit haben, sich mit weiteren Einzelfällen zu befassen, da weitere Entscheidungen verschiedener Oberlandesgericht vorliegen, welche durchaus von grundsätzlicher Bedeutung sind, so dass Revisionsverfahren sehr wahrscheinlich sein dürften.

 

a)
Zunächst hat sich das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen mit Urteil vom 02. März 2006 (Aktenzeichen 2 U 20/02) mit den Konsequenzen aus den Urteilen des EuGH vom 25. Oktober 2005 auseinandergesetzt. Das Hanseatische OLG Bremen hatte durch einen entsprechenden Vorlagebeschluss eines der beim EuGH nunmehr entschiedenen Verfahren eingeleitet (vgl. hierzu unsere Kurzinfo Immobilienrecht Nr. 4 vom 13. Juni 2005). Das Hanseatische OLG Bremen hatte nunmehr also die ihm im konkreten Fall seitens des EuGH gemachten Vorgaben umzusetzen. Dies ist wie folgt geschehen:

Das Hanseatische OLG Bremen stellt einleitend klar, dass mit einem wirksam erklärten Widerruf des Darlehensvertrages nicht automatisch die Verpflichtung erlischt, die Darlehensvaluta an die finanzierende Bank zurückzuführen. Es betont, dass § 9 Verbraucherkreditgesetz weder direkt und analog anwendbar sei.

Sodann hebt das Hanseatische OLG Bremen hervor, dass der EuGH entschieden habe, dass die finanzierende Bank verpflichtet sei, den Darlehensnehmer von den wirtschaftlichen Risiken aus dem Erwerb der Immobilie zu entlasten. Dies könne nunmehr am effektivsten über die Grundsätze des Verschuldens bei Vertragsschluss und einem sich daraus ergebenden Schadensersatzanspruch des Darlehensnehmers gegenüber der finanzierenden Bank geschehen. Dabei spielen folgende Überlegungen eine Rolle:

  • Die Verpflichtung zur Belehrung über das sich aus dem Haustürwiderrufsgesetz ergebende Widerrufsrecht hat den Charakter einer eigenständigen Rechtspflicht;
  • Diese Rechtspflicht wurde seitens der finanzierenden Bank verletzt;
  • Ein Verschulden der Bank ist in der Regel zu bejahen und wäre im Übrigen vermutlich auch nicht erforderlich, da der EuGH die Risikoverlagerung ohne Feststellung eines echten Verschuldens verlangt habe und ein objektiv pflichtwidriges Verhalten genügen lasse;
  • Die Rechtsfolgen dieser Pflichtverletzung ergeben sich aus dem Rechtsgedanken des § 9 Verbraucherkreditgesetz. Die Bank habe keinen Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta nebst Zinsen; stattdessen sei sie auf das Anlageobjekt zu verweisen.

Besonders hervorzuheben ist das Urteil auch insoweit, als im zugrunde liegenden Fall der Darlehensvertrag abgeschlossen wurde, nachdem die Immobilie notariell erworben worden war. Wie oben berichtet, hat der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen vom 16. Mai 2006 nunmehr klargestellt, dass in derartigen Fällen regelmäßig Schadensersatzansprüche nicht in Betracht kämen. Das Hanseatische OLG Bremen begründet seine Auffassung im konkreten Fall damit, dass der Anleger beim Erwerb nicht persönlich aufgetreten, sondern durch einen Treuhänder vertreten worden sei. Vor diesem Hintergrund sei eine besondere Schutzwürdigkeit des Anlegers auch dann gerechtfertigt, wenn zeitlich der Darlehensvertrag von ihm unterzeichnet wurde, nachdem der bevollmächtigte Treuhänder den Kaufvertrag notariell hat beurkunden lassen.

 

b)
Das OLG Celle hat sich in einem Beschluss im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens vom 03. April 2006 (Aktenzeichen 3 W 35/06) ebenfalls mit den Folgen aus den Urteilen des EuGH vom 25. Oktober 2005 für den Fall auseinandergesetzt, dass der Darlehensvertrag zur Finanzierung des Fondsbeitritts in einer Haustürsituation abgeschlossen wurde. Dabei hat es folgende Rechtsgrundsätze aufgestellt:

  • Wie auch das Hanseatische OLG Bremen geht das OLG Celle davon aus, dass die Pflicht über das Widerrufsrecht zu belehren, eine echte Rechtspflicht darstellt, bei deren Nichterfüllung sich die Bank gegenüber dem Darlehensnehmer ggf. schadensersatzpflichtig machen kann;
  • Ein Schaden kann grundsätzlich nur geltend gemacht werden, wenn der notarielle Kaufvertrag zum Erwerb der Immobilie abgeschlossen wurde, nachdem der Darlehensvertrag unterzeichnet war, da anderenfalls eine Ursächlichkeit der fehlenden Widerrufsbelehrung für die Erwerb der Immobilie ausscheide;
  • Dies gelte jedoch dann nicht, wenn der Kaufvertrag zwar zeitlich vorher aber noch nicht bindend abgeschlossen worden war; eine Bindung scheide allerdings noch nicht allein dann aus, wenn im Kreditvertrag ein Rücktrittsrecht für den Fall des Nichtzustandekommens einer Finanzierung vorgesehen sei, auch sei die Finanzierung nicht Geschäftsgrundlage für den zuvor abgeschlossenen Kaufvertrag;
  • Eine Anspruchsgrundlage für etwaige Schadensersatzansprüche des Anlegers gegenüber der finanzierenden Bank ließe sich aus den Grundsätzen der culpa en contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluss) herleiten;
  • Die Schadensersatzpflicht der finanzierenden Bank sei ggf. verschuldensunabhängig, was das OLG Celle allerdings offen lässt; auf der andere Seite sei ein Verschulden jedoch in der Regel anzunehmen, da der finanzierenden Bank jedenfalls ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden könne;
  • Eine fehlende bzw. fehlerhafte Widerrufsbelehrung schließlich sei allein nicht ausreichend, um Schadensersatzansprüche zu begründen; ein "Automatismus" bestehe nicht; Schadensersatzansprüche kämen nur in Betracht, wenn die fehlende Widerrufsbelehrung für den Kauf der Immobilie auch tatsächlich ursächlich sei; der Anleger müsse insoweit nachweisen, dass er bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung das Widerrufsrecht auch ausgeübt hätte; den Nachweis könne er beispielsweise dadurch führen, dass er darlege, dass er beim Erwerb der Immobilie getäuscht worden sei bzw. dass die Immobilie deutlich überteuert sei.

 

c)
Viele Aspekte in den Entscheidungen dieser Oberlandesgerichte finden sich wieder in den zeitlich nachfolgende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16. Mai 2006. Von besonderer Bedeutung dürfte im Rahmen der weiteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs die Frage sein, inwieweit er abweichend von seiner grundsätzlich vorgezeichneten Linie im Einzelfall auch dann Schadensersatzansprüche zulässt, wenn die notarielle Beurkundung des Kaufvertrages stattgefunden hat, bevor der Darlehensvertrag in einer Haustürsituation unterzeichnet wurde.

Redaktion

Redaktion: Rechtsanwalt Dr. Christian Stari und Rechtsanwalt Andreas Noack

Herausgeber: Bethge.Reimann.Stari Rechtsanwälte, Berlin 

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