Zur Nachschusspflicht des Gesellschafters einer in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft begründeten Publikumsgesellschaft

IMMOBILIENRECHT Nr. 2
01.11.2007 | Dr. Christian Stari, Malte Beuster

I. Bisheriger Sachstand

Zuletzt hatten wir mit unserer Kurzinfo Immobilienrecht Nr. 7 vom 27. April 2006 über das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Januar 2006 (Az.: II ZR 126/04) berichtet, mit dem der Bundesgerichtshof seiner Linie treu blieb und Nachschussverpflichtungen eines GbR-Gesellschafters auch im Falle einer Publikumsgesellschaft grundsätzlich ablehnte.

II. Aktuelle Rechtsprechung

Inzwischen sind weitere Urteile ergangen, die sich insbesondere auch mit solchen Argumenten auseinandersetzen, die im Einzelfall eine Nachschussverpflichtung begründen sollten.

1. Einräumung eines Sonderkündigungsrechts

In unserer Kurzinfo Immobilienrecht Nr. 4 vom 13. Juni 2005 hatten wir über das Urteil des Kammergerichts in Berlin vom 21. Januar 2005 (Az.: 14 U 180/03) berichtet. In den Urteilsgründen deutete das Kammergericht an, dass die Einführung von Nachschusspflichten im Einzelfall auch mit qualifizierter Mehrheit möglich sein könne. Die Rechte der Gesellschafter könnten dadurch gewahrt werden, dass ihnen ein Sonderkündigungsrecht zuzubilligen sei. Letztlich ließ das Kammergericht diese Frage jedoch offen, da in dem vorliegenden Fall hierüber nicht hätte entschieden werden müssen. Hiermit schien zunächst eine Möglichkeit aufgezeigt worden zu sein, wie ein Gesellschafterbeschluss zur Nachschussverpflichtung wirksam getroffen werden könnte. In seinem oben zitierten Urteil vom 23. Januar 2006 stellt der Bundesgerichtshof jedoch klar, dass in einer Publikumsgesellschaft eine Nachschusspflicht ohne Festlegung einer Obergrenze nicht durch die Einräumung eines vertraglich nicht vorgesehenen Sonderkündigungsrechts gerechtfertigt werden kann. Auch die Einräumung eines Sonderkündigungsrechtes für die betroffenen Gesellschafter kann danach eine wirksame Nachschussverpflichtung nicht begründen.

2. Zustimmung des Gesellschafters zum Beschluss über Nachschusspflicht

Bisher nicht ausdrücklich geklärt war die Frage, ob sich ein Gesellschafter, der dem Gesellschafterbeschluss über die Nachschusspflicht zugestimmt hat, auf die Unwirksamkeit dieses Beschlusses berufen kann. Eine Berufung auf die Unwirksamkeit dieses Gesellschaftsbeschlusses könnte wegen widersprüchlichem Verhalten nach § 242 BGB ausgeschlossen sein, mit der Folge, dass eine Nachschusspflicht bestünde. Das Kammergericht in Berlin hat in seinem Urteil vom 11. September 2006 (Az.: 23 U 11/06) nunmehr ausdrücklich entschieden, dass sich aus dem Umstand, dass der betroffene Gesellschafter dem Beschluss über die Nachschusspflicht zugestimmt hat, keine Zahlungsverpflichtung ergebe. Es sei für sich genommen noch nicht widersprüchlich, die (erst im Nachhinein erkannte) Unwirksamkeit eigener Erklärungen geltend zu machen, da es jeder Partei freistehe, ein unter ihrer Beteiligung zustande gekommenes Rechtsgeschäft anzugreifen, auch wenn es sich um einen Gesellschafterbeschluss handelt.

3. Gesellschaftliche Treuepflicht

Bereits in unserer Kurzinfo Immobilienrecht Nr. 7 vom 27. April 2006 hatten wir über das Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 21. Dezember 2005 (Az.: 9 U 96/05) berichtet, wonach auch ohne hinreichend konkrete vertragliche Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag der Gesellschafter ausnahmsweise aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zu Nachschusszahlungen an die Gesellschaft verpflichtet sein kann. Mit Berufung auf dieses Urteil wurde dieser Gedanke vom Kammergericht in Berlin in seinem Urteil vom 11. September 2006 (Az.: 23 U 11/06) aufgenommen. Danach könne die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht bei einem geschlossenen Immobilienfonds es ausnahmsweise gebieten, auf eine Erholung des Vermietermarktes zu warten und die Gefahr eines Wertverlustes bei Verkauf der Immobilie - sei es freiwillig, sei es infolge Insolvenz der Gesellschaft - abzuwenden. Entsprechend den Ausführungen des OLG Celle müsse hinzutreten, dass die Nachschussforderungen ihrer Höhe nach in absoluten Zahlen und in Relation zum Einlagebetrag gesehen nicht als unzumutbar zu qualifizieren ist. Im vorliegenden Fall hatte das Kammergericht jedoch eine Nachschussverpflichtung aus dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Treuepflicht abgelehnt. 

Im Folgenden hat auch der Bundesgerichtshof zu dieser Frage mehrmals Stellung genommen.

 

a)
In seinem Urteil vom 05. März 2007 (Az.: II ZR 282/05) führt er aus, dass die gesellschaftliche Treuepflicht zwar in Ausnahmefällen eine Zustimmung der Gesellschafter zu einer Beitragserhöhung gebieten könne, an diese Verpflichtung jedoch besonders hohe Anforderungen zu stellen seien, da ein Gesellschafter grundsätzlich nicht zu neuen Vermögensopfern gezwungen werden könne. Im vorliegenden Fall wurde eine Verpflichtung aus der gesellschaftlichen Treuepflicht wiederum verneint.

 

b)
Auch in seinem Urteil vom 19. März 2007 (Az.: II ZR 73/06) stellte der Bundesgerichtshof ausdrücklich klar, dass unter besonderen Anforderungen grundsätzlich eine Verpflichtung zur Zahlung des eingeforderten Nachschusses aus der gesellschaftlichen Treuepflicht hergeleitet werden könne. Im vorliegenden Fall ließ es der Bundesgerichtshof jedoch nicht ausreichen, dass die Mehrheit der Gesellschafter die geforderten Nachschüsse leistete und auch der betroffene Gesellschafter in der Vergangenheit so verfahren ist und dass die Gesellschaft - ohne weitere Beitragsleistungen der Gesellschafter - aufgelöst werden müsste oder in Insolvenz geraten würde. Welche Voraussetzungen zu einer Verpflichtung aus der gesellschaftlichen Treuepflicht zusätzlich vorliegen müssten, um eine Nachschussverpflichtung zu begründen, ließ der Bundesgerichtshof offen.

 

c)
In seinem Beschluss vom 26. März 2007 (Az.: II ZR 22/06) fasste der der Bundesgerichtshof seine bis dahin ergangene Rechtsprechung zu den - abstrakten - Kriterien der gesellschafterlichen Treuepflicht kurz zusammen. Danach sei geklärt, dass ein Gesellschafter bei mangelnder gesellschaftsvertraglicher Grundlage aus gesellschafterlicher Treuepflicht zur Hinnahme von Eingriffen in seine Mitgliedschaftsrechte nur dann verpflichtet sei, wenn dies im Gesellschafsinteresse geboten und ihm unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar sei. Dabei sei an die aus der Treuepflicht abgeleitete Verpflichtung, einer Beitragserhöhung zuzustimmen, besonders hohe Anforderungen zu stellen, da ein Gesellschafter grundsätzlich nicht zu neuen Vermögensopfern gezwungen werden kann. Gerade weil bei der Prüfung der gesellschafterlichen Treuepflichtverletzung entscheidend auf die "eigenen schutzwürdigen Belange" des Gesellschafters abgestellt wird, sei die Beantwortung dieser Frage nicht verallgemeinerungsfähig. Selbst bei mehreren Gesellschaftern eines identischen Fonds könne diese beispielsweise wegen der Unterschiedlichkeit der jeweils schützenswerten persönlichen Belange verschieden ausfallen.

4. Fristgerechte Geltendmachung der Unwirksamkeit des Beschlusses

In seinem Urteil vom 05. März 2007 (Az.: II ZR 282/05) führte der Bundesgerichtshof zudem aus, dass auch die Nichtbeachtung einer im Gesellschaftsvertrag einer GmbH & Co. KG vertraglich vereinbarten Anfechtungsfrist bezüglich der Klage gegen die Komplementärin nicht dazu führe, dass der betroffene Gesellschafter den ihm gegenüber unwirksamen Beschluss gegen sich gelten lassen muss. Im Gesellschaftsvertrag war geregelt, dass die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen innerhalb eines Monats nach Empfang des Protokolls durch Klageerhebung geltend gemacht werden muss. Diese Regelung erfasse nach Ansicht des Bundesgerichtshofs jedoch allein Beschlussmängel, die Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründe darstellen. Die fehlende Zustimmung zu einer Beitrittserhöhung stelle jedoch eine dritte Kategorie von Beschlussmängeln dar, die auch dann eine selbständige Bedeutung behalte, wenn der gefasste Beschluss weder anfechtbar noch nichtig oder die Anfechtungsfrist abgelaufen ist. Ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters sei auch der nicht (mehr) anfechtbare und nicht nichtige Beschluss ihm gegenüber unwirksam. Ein Gesellschafter könne diese ihm gegenüber bestehende Unwirksamkeit des Beschlusses durch die allgemeine nicht fristgebundene Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO geltend machen. Diese Rechtsauffassung hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 26. März 2007 (Az.: II ZR 22/06) noch einmal bekräftigt.

III. Resümee

Es bleibt festzuhalten, dass der Bundesgerichtshof eine Nachschussverpflichtung eines Gesellschafters einer Personengesellschaft und somit auch eines GbR-Gesellschafters einer Publikumsgesellschaft weiterhin mit Hinweis auf § 707 BGB grundsätzlich ablehnt. In seinem Urteil vom 19. März 2007 zeigt der Bundesgerichtshof noch einmal abschließend auf, wie Nachschusspflichten wirksam begründet werden können.

1)
Danach greife § 707 BGB dann nicht ein, wenn im Gesellschaftsvertrag von vornherein geregelt wurde, dass die Gesellschafter keine der Höhe nach festgelegten Beiträge zu leisten, sondern sich verpflichtet haben, entsprechend ihrer Beteiligung das zur Erreichung des Gesellschaftszwecks Erforderliche beizutragen. 

2)
Ebenso sei § 707 BGB dann nicht berührt, wenn der Gesellschaftsvertrag zum einen eine bezifferte Einlage und zum anderen laufende Beträge vorsieht. Diese könnten jedenfalls dann verlangt werden, wenn im Gesellschaftsvertrag die Höhe der möglichen zusätzlichen Belastungen exakt definiert sind. Wie wir bereits in unserer Kurzinfo Immobilienrecht Nr. 6 vom 16. Dezember 2005 mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 04. Juli 2005 (AZ.: II ZR 354/03) ausführten, ist für die Wirksamkeit derartiger Nachschussklauseln zudem die Festsetzung einer Obergrenze im Hinblick auf später gegebenenfalls einzufordernde Nachschüsse unabdingbar. 

3)
In beiden Fällen ist es Aufgabe der Geschäftsführung, die entsprechenden Beträge von den Gesellschaftern einzufordern, ohne dass es einer gesonderten Beschlussfassung bedarf. Liegen die oben aufgeführten Fälle nicht vor, bedarf eine Nachschussverpflichtung eines Beschlusses, dem alle Gesellschafter zustimmen müssen.

4)
Zwar weist der Bundesgerichtshof ausdrücklich darauf hin, dass unter besonderen Anforderungen grundsätzlich eine Verpflichtung zur Zahlung des eingeforderten Nachschusses aus der gesellschaftlichen Treuepflicht hergeleitet werden könne, doch stellt er an das Vorliegen der Voraussetzungen so hohe Anforderungen, dass er eine entsprechende Nachschussverpflichtung im Einzelfall noch nicht angenommen hat.

Wir werden Sie wie gewohnt über die weiteren Entwicklungen der Rechtsprechung informieren.

Redaktion

Redaktion: Rechtsanwalt Dr. Christian Stari und Rechtsanwalt Malte Beuster

Herausgeber: Bethge.Reimann.Stari Rechtsanwälte, Berlin 

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