Liberalisierung des Messwesens und geplanter Erlass einer Messzugangsverordnung (MessZV) - Folgen für Netzbetreiber

ENERGIERECHT Nr. 2
25.11.2008 | Wibke Reimann , Alice Martens

I. Wesentliche Neuerungen durch Änderung des EnWG

Wie Sie vielleicht verfolgt haben, ist mit dem Gesetz zur "Öffnung des Messwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb" (Bundestagsdrucksache 16/8306) am 09. September 2008 die Änderung des § 21 b und § 40 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) in Kraft getreten. Damit hat der Gesetzgeber Regelungen zur weiteren Liberalisierung des Messwesens zu Gunsten möglicher Wettbewerber eingeführt. Die Änderungen des EnWG werden grundsätzliche Auswirkungen auf die zukünftige Abwicklung des Messstellenbetriebs und der Messung haben.

Für Netzbetreiber bedeutet diese Änderung erheblichen Handlungsbedarf, wie wir nachfolgend näher zeigen werden. In jedem Fall benötigt jeder Netzbetreiber nun die erforderlichen Musterverträge, um mit potentiellen Wettbewerbern entweder einen Messstellenbetreiberrahmenvertrag oder einen Messrahmenvertrag abschließen zu können. Während der Messstellenbetreiberrahmenvertrag die Errichtung und den Betrieb von Messeinrichtungen erfasst, regelt der Messrahmenvertrag alles, was im Zusammenhang mit der Übernahme von Ablesung und Datenweitergabe gelten soll.

Sollten Sie noch über keine Musterverträge verfügen, machen wir Ihnen gerne ein Angebot. Bestimmte Regelungen können allerdings nur in Abstimmung mit Ihnen in den Ver¬trag aufgenommen werden, da es gerade bei den technischen Mindestanforderungen auf die konkreten Vorgaben jedes einzelnen Netzbetreibers ankommt.

Darüber hinaus erfordert die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben nunmehr in jedem Fall auch, dass Netzbetreiber ihre Messentgelte differenziert nach Entgelten für die Messung und für den Messstellenbetrieb ausweisen.

1. Änderung des § 21 b EnWG


Bereits nach der alten Fassung des § 21 b EnWG konnte der Anschlussnehmer (i.d.R. der Eigentümer) einen Dritten mit dem Betrieb der Messstelle beauftragen. Die Messung durfte aber bislang nur der Netzbetreiber durchführen. Dies hat sich durch das neue Ge¬setz geändert. Zukünftig kann der Anschlussnutzer (z.B. der Mieter) entscheiden, ob der Messstellenbetrieb und/oder die reine Messung durch einen Dritten durchgeführt wird.

Mit der Änderung des § 21 b EnWG wird die Bundesregierung außerdem ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates eine Rechtsverordnung über die Bedingungen für den Messstellenbetrieb und die Messung durch Dritte zu erlassen. Ein Entwurf dieser sog. Messzugangsverordnung (MessZV) ist bereits erstellt worden und als Bundesratsdrucksache BR-Drs. 568/08 veröffentlicht. In der 847. Sitzung hat der Bundesrat am 19. September 2008 der Verordnung in der Änderungsfassung BR-Drs. 568/1/08 zugestimmt. Die MessZV wird voraussichtlich Anfang November erlassen werden.

2. Änderung des § 40 EnWG


Mit der Neueinführung des § 40 EnWG wird der Lieferant zukünftig verpflichtet sein, in Rechnungen für Letztverbraucher neben dem Entgelt für den Netzzugang auch das Entgelt für die Messung getrennt nach Entgelten für den Messstellenbetrieb und die Messdienstleistung gesondert auszuweisen.

Nach Wunsch des Letztverbrauchers ist der Lieferant außerdem verpflichtet, die Abrechnung monatlich, vierteljährlich oder halbjährlich vorzunehmen.

Bewertung:

 

  • Zu beachten ist, dass diese Verpflichtung für jeden Lieferanten und damit auch für den Grundversorger gilt! Grundversorger müssen somit ihre Rechnungslegung umstellen.
  • Mit der MessZV werden auch Änderungen der Netzentgeltverordnungen in Kraft treten. Beispielsweise wird § 17 Abs. 7 StromNEV dergestalt geändert, dass ein Entgelt für den Messstellenbetrieb und die Messung festzulegen ist; Mit dieser Regelung wird somit auch der Netzbetreiber verpflichtet, das Entgelt entsprechend § 40 Abs. 2 EnWG getrennt auszuweisen und zu veröffentlichen.

II. Pflichtenverteilung nach der MessZV

 Nach § 21 b Abs. 2 S. 3 EnWG und § 3 Abs. 3 MessZV ist der Netzbetreiber verpflichtet, mit dem Messstellenbetreiber einen sog. Messstellenrahmenvertrag und mit dem Messdienstleister einen sog. Messrahmenvertrag abzuschließen.

Durch die völlig neue Aufgabenaufteilung zwischen Messstellenbetreiber und Messdienstleister und Netzbetreiber sowie dem geringen Regelungsinhalt der MessZV werden wesentliche Rechte und Pflichten in den Rahmenverträgen geregelt werden müssen. Netzbetreiber müssen bei der Gestaltung der Verträge besonders darauf achten, dass die Datenbereitstellung durch Dritte in der Weise zu erfolgen hat, dass es ihnen noch möglich ist, ihre Pflichten aus GPKE und Geli zu erfüllen. Auch nach Inkrafttreten der MessZV besteht insoweit Regelungsbedarf, wie wir nachfolgend noch zeigen werden.

1. Datenformate und Fristen, § 4 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3, Abs. 4 MessZV


Die Parteien sind zur gegenseitigen Datenübermittlung (ggf. auch an Dritte) verpflichtet. In den Verträgen haben sie zu vereinbaren, welche Datenformate sie verwenden. Ebenso sind die Inhalte der zu übermittelnden Daten sowie die für die Übermittlung geltenden Fristen festzulegen (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 MessZV). Der Netzbetreiber kann Mindestinhalte für Datenumfang und -qualität vorgeben. Der Dritte wiederum ist verpflichtet die vom Netzbetreiber vorgegebenen Fristen einzuhalten (§ 4 Abs. 3 MessZV).

Der Netzbetreiber ist verpflichtet die vom Messdienstleister erhaltenen Messdaten aufzubereiten und die abrechnungsrelevanten Messdaten an den Netznutzer weiterzuleiten (§ 4 Abs. 4 Nr. 2 MessZV).

Bewertung:


Der Netzbetreiber sollte in dem Messrahmenvertrag dem Messdienstleister Fristen zur Weiterleitung der Daten vorgeben, die es ihm ermöglichen, die für ihn geltenden Fristen der GeLi und der GPKE einzuhalten. Soweit die Fristen angemessen sind, sind sie auch gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 EnWG für eine fristgerechte Abrechnung durch die Marktteilnehmer (Abrechnung der Energielieferung) erforderlich.

2. Ersatzmessstellenbetrieb und/oder -messung, § 7 Abs. 1 MessZV

Der Netzbetreiber wird dazu verpflichtet sein, im Notfall ersatzweise für den Drit¬ten die Messung und den Messstellenbetrieb durchzuführen (§ 7 Abs. 1 MessZV).

Bewertung:

  • Aus dieser Verpflichtung können sich verschiedene Probleme ergeben. Beispielsweise kann der Fall eintreten, dass eine nahtlose Ersatzmessung durch den Verteilnetzbetreiber nicht möglich war. Für diesen Fall wäre eine Ersatzwertbildung denk¬bar, die aber wiederum durch den Netzbetreiber vorzunehmen ist (§ 7 Abs. 2 MessZV).
  • Die MessZV untersagt zwar ausdrücklich im Fall der Ersatzmessung/des Ersatzmessstellenbetriebs die Berechnung gesonderter Entgelte an den Anschlussnutzer.
  • Dies schließt aber nicht aus, dass ein gesondertes Entgelt an den jeweiligen Messstellenbetreiber bzw. Messdienstleister berechnet werden kann. Ob ein solches Entgelt zulässig wäre oder Kosten für die Ersatzmessung/-messstellenbetrieb anderweitig ersetzt verlangt werden können, ist noch ungeklärt.

 

3. Notwendige Regelungen bzgl. der technischen Einrichtungen

In den Rahmenverträgen soll der Netzbetreiber verpflichtet werden, die technischen Einrichtungen dem neuen Messstellenbetreiber zum Kauf oder zur Miete anzubieten (§ 4 Abs. 2 MessZV).

Gleichzeitig hat der Messstellenbetreiber aber einen Anspruch auf den Einbau einer in seinem Eigentum stehenden Messeinrichtung (§ 21 b Abs. 3 Satz 1 EnWG). Wenn der neue Messstellenbetreiber den Kauf oder die Miete ablehnt, muss die Messeinrichtung entweder durch den neuen oder den alten Messstellenbetreiber ausgebaut werden (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 b) MessZV).

Bewertung:

 

  • Um ungewünschte Auswirkungen auf das Netz und Schäden an den Messeinrichtungen des Netzbetreibers zu vermeiden, sollte der Netzbetreiber technische Bedingungen vorgeben, die der Dritte beim Aus- und Einbau einhalten muss ( § 21 b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EnWG).
  • Bei Verkauf oder Vermietung der Messeinrichtungen durch den Netzbetreiber müssen die Entgelte festgelegt werden.

 

4. Mindestinhalte der Rahmenverträge nach § 4 Abs. 1 MessZV


Die MessZV sieht in § 4 Abs. 1 bestimmte Mindestinhalte vor, die in den Rahmenverträgen enthalten sein müssen:

  •     Bedingungen des Messstellenbetriebs und der Messung sowie Vorgehen bei Mess- und Übertragungsfehlern
  •     Verpflichtungen zur gegenseitigen Datenübermittlung
  •     Haftungsbestimmungen
  •     Technische Mindestanforderungen und Mindestanforderungen an die Datenqualität und - umfang
  •     An- und Abmeldung von Messstellen

Bewertung:

 

  • Bei der Gestaltung der Fristen ist darauf zu achten, dass der Netzbetreiber seine eigenen Verpflichtungen zur Übermittlung der Zähldaten innerhalb der Fristen der GPKE und/oder GeLi einhalten kann.
  • Bei den Mindestanforderungen an Technik und Daten muss der Netzbetreiber so regeln, dass die Sicherheit des Netzes nicht beeinflusst wird und die Daten in einer geeigneten Form übermittelt werden.
  • Die Haftung sollte in jedem Fall im Rahmenvertrag geregelt werden, da die MessZV eine mit § 18 NAV/NDAV vergleichbare Regelung nicht enthält.
  • Die MessZV enthält leider keine mit § 14 Abs. 3 StromNZV und § 37 Abs. 4 GasNZV vergleichbare Regelung, die die An-/Abmeldung grds. nur zum Monatsbeginn und unter Einhaltung einer Monatsfrist zulassen. Deshalb sollte die An- und Abmeldung entsprechend der Netznutzungsanmeldung geregelt werden, um eine automatisierte Abwicklung zu ermöglichen. Da die MessZV für Fristen zur An-/Ab¬mel¬dung keine Vorgaben enthält, ist Streit mit dem neuen Messdienstleister/-stellenbetreiber vorprogrammiert. Eine entsprechende Anwendung der Vorgaben in GPKE und GeLi bzw. § 14 Abs. 1 und 3 StromNZV und § 37 Abs. 4 GasNZV zum Fristenmonat scheint aber vertretbar zu sein, um einen automatisierten Wechsel überhaupt erst zu ermöglichen. Ähnlich hatte die BNetzA im Beschluss BK7- 06-067, Seite 122, (GeLi) argumentiert und § 37 Abs. 4 GasNZV entsprechend für RLM-Kunden angewendet, obwohl er vom Wortlaut nur für SLP-Kunden galt.

5. Fehlende Regelungen in der MessZV

Die Neuregelungen in § 21 b EnWG und der MessZV lassen einige wesentlichen Fragen unbeantwortet, für die teilweise Festlegungsbefugnisse der BNetzA vorgesehen sind. Bis Festlegungen der BNetzA erfolgen, sollten die offenen Punkte daher im Rahmenvertrag geregelt werden. Auf die Problematik, ob und welche Fristen bei der An-/Abmeldung einzuhalten sind und deren fehlende Regelung in der MessZV hatten wir in Ziffer 4 bereits hingewiesen.

Bewertung:

 

  • Soweit man die GPKE und GeLi-Prozesse entsprechend anwenden möchte, könnte damit z.B. auch die Problematik einer möglichen Messstellenbetreiber- bzw. Messdienstleisterkonkurrenz gelöst werden.
  • Sobald die BNetzA von ihrer Festlegungsbefugnis Gebrauch gemacht hat, werden sich die bestehenden Unsicherheiten aufgrund der Lücken der MessZV möglicherweise erledigen.

III. Ausblick

 Eine Pflicht zum Einbau neuer, intelligenter Zähler (Smart Meetering) ist erst ab dem 01. Januar 2010 zunächst für Neubauten und umfassend renovierte Gebäude vorgesehen

Bitte beachten Sie, dass mit dem Erlass der MessZV (voraussichtlich im November) weitere Verordnungen, z. B. die Zugangsverordnungen und die Anreizregulierungsverordnung, teilweise geändert werden. Besonders hinzuweisen ist insbesondere auf folgende Änderungen:


  •     § 12 Abs. 2 Satz 3 StromNZV: Grenzen für den Einbau einer Leistungsmessung können nunmehr noch unter Beachtung der Messzugangsverordnung geändert werden.
  •     § 17 Abs. 1 NAV: notwendige Unterbrechungen wegen eines vom Anschlussnutzer veranlassten Austauschs der Messeinrichtung sind vom Netzbetreiber nicht zu vertreten.
  •     § 21 NAV/NDAV: Zutrittsrecht wird für Fälle des Zähleraustauschs für Dritte erweitert.
  •     § 22 Abs. 2 Satz 2 NAV/NDAV "neu": Bauliche Voraussetzungen für Smart Meetering bei Neuanschlüssen
  •     § 5 Abs. 1 ARegV: Berücksichtigung von Änderungen bei den Erlösen wegen einer Änderung des Mess-/bzw. Messstellenbetrieb auf dem Regulierungskonto


Mit Wirksamwerden der Änderung des EnWG könnte der Abschluss von Messstellenrahmenverträgen und auch der Abschluss von Messrahmenverträgen verlangt werden. Die Parteien sind nach § 21 b Abs. 2 Satz 3 EnWG n.F. verpflichtet, die erforderlichen Verträge abzuschließen.

Seit dem Inkrafttreten der Änderung des EnWG am 09. September 2008 erhalten Netzbetreiber vermehrt Anfragen über einen Abschluss der entsprechenden Rahmenverträge. Teilweise haben Transportkunden Rahmenverträge selbst entwickelt und wollen auf dieser Grundlage Verträge abschließen. Netzbetreibern kann nur empfohlen werden, eigene Musterrahmenverträge vorzuhalten, da die MessZV im Gegensatz zur Strom/GasNZV viele notwendigen Regelungen gerade nicht enthält. Teilweise ist sogar ausdrücklich eine Festlegungsbefugnis des Netzbetreibers vorgesehen, die dieser zu seinen Gunsten nutzen sollte.

Für Fragen stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung.

gez.
Wibke Reimann
Rechtsanwältin


gez.
Alice Martens
Rechtsanwältin

Redaktion

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