Der Kredithandel nach dem Risikobegrenzungsgesetz
I. Die Ausgangslage vor Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes
Inhaltsverzeichnis
Der Handel von Krediten war spätestens seit dem Jahr 2007 Gegenstand zahlreicher rechtspolitischer Diskussionen in Deutschland.
Sehr häufig haben Banken die Darlehensforderungen gegen ihre Darlehensnehmer an andere Banken oder Finanzunternehmen abgetreten. Dabei waren es oftmals die "Hausbanken" des Darlehensnehmers, die versuchten, sog. "notleidende Kredite" abzustoßen, um eine im Nachhinein betrachtet unattraktiv erscheinende Kreditvergabeentscheidung zu korrigieren. Ziel war es regelmäßig, Kosteneinsparungen im Kreditmanagement und oftmals zugleich verminderte Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung und somit ein verbessertes Rating am Kapitalmarkt zu erreichen.
Die Käufer verfolgten mit dem Erwerb dieser Kredite unterschiedliche Ziele. Häufig wurden sogar solche Kredite erworben, bei denen eine Tilgung durch den Darlehensnehmer nicht mehr zu erwarten war. In diesem Fall erschien ein Erwerb der Forderung gleichwohl lohnend zu sein, wenn durch die Verwertung der für diese Forderung bestellten Sicherheit mehr als der für die Forderung errichtete Kaufpreis erzielt werden konnte.
Anders als die "Hausbank", die in der Regel auf eine Kundenbindung bedacht ist und daher bereits aus kommunikationspolitischen Gründen nur mit Bedacht ihren Darlehensnehmer und Kunden aus dem Kredit in Anspruch nimmt, konnten die den Kredit erwerbenden Institute aggressiv und massiv auf den Darlehensnehmer einwirken. So wurden die Kredite bei Zahlungsverzug zeitnah gekündigt und aus den Sicherheiten vollstreckt. Als Sicherheit dienten regelmäßig Immobilien, zu deren Erwerb der Kredit vom Darlehensnehmer aufgenommen worden war.
Gegenstand rechtspolitischer Diskussionen war nun die Frage, ob solche Abtretungen wirksam sind, da insbesondere die in der Regel als Verbraucher zu qualifizierenden Darlehensnehmer dem Wechsel des Gläubigers nicht widersprechen konnten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 27. Februar 2007 (BGH, Urt. v. 27. Februar 2007 - XI ZR 195/05) sind solche Abtretungen grundsätzlich wirksam. Insbesondere sei für die Frage der Wirksamkeit unbeachtlich, dass der Darlehensnehmer seine "Hausbank" als Darlehensgeber verliere und durch die Weitergabe von Informationen an den Erwerber der Forderung (Zessionar) das Bankgeheimnis verletzt sein könne. Wegen eines Verstoßes gegen das Bankgeheimnis könne dem Darlehensnehmer im Einzelfall allenfalls ein Anspruch auf Schadensersatz zustehen.
II. Die Rechtslage nach der Neuregelung durch das Risikobegrenzungsgesetz
Der Gesetzgeber hat die Zulässigkeit des Verkaufs und der Abtretung von Darlehensforderungen durch das Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken vom 12. August 2008 (Risikobegrenzungsgesetz; BGBl. I, S 1666), das am 19. August 2008 in Kraft getreten ist, bestätigt. Allerdings wurde der Schutz der Darlehensnehmer durch Neuregelungen in verschiedenen Gesetzen verbessert.
1. Ausschluss der formularmäßigen Vertragsübernahme
So ist eine formularmäßige Zustimmung zur Übernahme eines Darlehensvertrages nunmehr gemäß § 309 Nr. 10 BGB unwirksam. Die Regelung betrifft die Übertragung des Vertrages im Ganzen, also die Vertragsübernahme. Dabei muss der Dritte an die Stelle des Verwenders treten. Die Abtretung einer Darlehensforderung und der Übergang eines Vertrages im Rahmen des Umwandlungsgesetzes bleiben hiervon hingegen unberührt.
2. Informationspflichten
Zum Schutz des Darlehensnehmers wurden zudem zahlreiche Informationspflichten des Alt- und Neugläubigers eingeführt:
a) Hinweis auf einen möglichen Wechsel der Gläubigerstellung
Eine Neuregelung betrifft sog. Immobiliardarlehensverträge. Dabei handelt es sich um Verbraucherdarlehensverträge, bei denen die Zurverfügungstellung des Darlehens von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht (Hypothek oder Grundschuld) abhängig gemacht wird. Nach § 492 Abs. 1a Satz 3 BGB muss bei solchen Darlehensverträgen die vom Darlehensnehmer zu unterzeichnende Vertragserklärung grundsätzlich einen deutlich gestalteten Hinweis darauf enthalten, dass der Darlehensgeber Forderungen aus dem Darlehensvertrag ohne Zustimmung des Darlehensnehmers abtreten und das Vertragsverhältnis auf einen Dritten übertragen darf. Unterbleibt eine entsprechende Information, ist die Abtretung oder Übertragung jedoch nicht nichtig. In diesem Fall hat der Darlehensnehmer gegen seine Bank lediglich einen Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB.
b) Unterrichtungspflichten bei Endung der Zinsbindung vor dem Zeitpunkt der Rückzahlung
Ist in einem Darlehensvertrag ein fester Zinssatz vereinbart, und endet die Zinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit, hat die Bank den Darlehensnehmer gemäß § 492a Abs. 1 BGB spätestens drei Monate vor Ende der Zinsbindung darüber zu unterrichten, ob sie zu einer neuen Zinsbindungsabrede bereit ist und muss in diesem Fall bereits den angebotenen Zinssatz angeben. So soll dem Darlehensnehmer die Möglichkeit gegeben werden, Veränderungen in den Darlehenskonditionen abzuschätzen und zu entscheiden, ob er das Darlehen eventuell kündigt.
Nach einer Forderungsabtretung treffen diese Informationspflichten gemäß § 492a Abs. 3 BGB auch den neuen Gläubiger.
c) Mitteilung des Vollzugs eines Wechsels in der Gläubigerstellung
Nach § 496 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Darlehensnehmer schließlich nach Übergang der Darlehensforderung auf bzw. Abtretung an einen neuen Gläubiger unverzüglich darüber sowie über die Kontaktdaten des neuen Gläubigers (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BGB-InfoV) zu unterrichten.
3. Kündigungsschutz
Der Verbraucherdarlehensvertrag, der in Teilzahlungen zu tilgen ist, kann nunmehr einheitlich nur unter den Voraussetzungen des § 498 Abs. 1 BGB gekündigt werden. Wegen Zahlungsverzugs kann der Darlehensgeber daher nur kündigen, wenn der Darlehensnehmer mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Teilzahlungen ganz oder teilweise und mindestens zehn Prozent, bei einer Laufzeit des Verbraucherdarlehens über drei Jahre mit fünf Prozent, des Nennbetrags des Darlehens oder des Teilzahlungspreises in Verzug ist und der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer erfolglos eine zweiwöchige Frist zur Zahlung des rückständigen Betrags mit der Erklärung gesetzt hat, dass er bei Nichtzahlung innerhalb der Frist die gesamte Restschuld verlange.
Auch Immobiliardarlehensverträge können nach der Regelung des § 498 Abs. 3 BGB nur mit der Maßgabe gekündigt werden, dass der Darlehensnehmer mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Teilzahlungen ganz oder teilweise und mindestens 2,5 Prozent des Nennbetrages des Darlehens in Verzug ist.
4. Kein gutgläubiger einredefreier Erwerb von Sicherungsgrundschulden
Nach § 1192 Abs. 1a BGB können dem Erwerber einer Sicherungsgrundschuld sämtliche Einreden entgegengehalten werden, die im Zeitpunkt der Abtretung bereits bestanden oder auch nur im Sicherungsvertrag wurzeln. Die Kenntnis des Erwerbers vom Sicherungscharakter der Grundschuld ist hierfür nicht erforderlich. Damit ist der Eigentümer eines mit einer Sicherungsgrundschuld belasteten Grundstücks nunmehr geschützt.
Zuvor konnte der Gläubiger einer Grundschuld diese an einen Dritten wirksam abtreten. Der Dritte konnte die Grundschuld gutgläubig erwerben und aus dieser gegen den Grundstückseigentümer vollstrecken, ohne dass dieser Einreden aus dem Sicherungsvertrag entgegenhalten konnte. Eine Vollstreckung aus der Grundschuld war daher selbst dann möglich, wenn das Darlehen nicht valutierte oder teilweise zurückgezahlt worden war.
5. Kündigung einer Sicherungsgrundschuld
Bereits in unserer Kurzinfo Immobilienrecht Nr. 4 vom September 2008 hatten wir ausgeführt, dass das Kapital der Grundschuld erst nach vorgängiger Kündigung mit einer Frist von sechs Monaten fällig wird (§ 1193 Abs. 1 BGB) und von dieser Bestimmung, wenn die Grundschuld der Sicherung einer Geldforderung dient, zukünftig auch nicht mehr abgewichen werden darf (§ 1193 Abs. 2 Satz 2 BGB). Insoweit verweisen wir auf die weiteren Ausführungen unserer Kurzinfo Immobilienrecht Nr. 4 vom September 2008.
6. Einstellung der Zwangsvollstreckung
Betreibt der neue Gläubiger die Zwangsvollstreckung, kann sich der Darlehensnehmer mit einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO und einem Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO wehren.
Während die Einstellung der Zwangsvollstreckung von den Gerichten überwiegend nur gegen Sicherheitsleistung des Darlehensnehmers gestattet wurde, darf eine Sicherheitsleistung gemäß § 769 Abs. 1 Satz 2 ZPO zukünftig nicht festgesetzt werden, wenn der Schuldner zu deren Erbringung nicht in der Lage ist und seine Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Das Landgericht Hamburg hat in seinem Urteil vom 09. Juli 2008 318 T 183/07 entschieden, dass bereits die formularmäßige sofor¬tige Zwangsvollstreckungsunterwerfung in der Grundschuldbestellungsurkunde wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sei, wenn die Bank die Kreditforderung frei an beliebige Dritte abtreten kann. Der VII. Senat des Bundesgerichtshofs wird über die vom Landgericht Hamburg zugelassene Rechtsbeschwerde (Az.: VII ZB 62/08) entscheiden. Würde der Bundesgerichtshof diese zurückweisen, hätte dies erhebliche Auswirkungen für die Praxis in Bezug auf die Vollstreckungsmöglichkeiten aus Vollstreckungsunterwerfungserklärungen der Kreditnehmer. Für weitere Informationen zur diesem speziellen Thema verweisen wir auf unsere Kurzinfo Bank- und Kreditwesenrecht Nr. 2.
7. Verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch bei rechtswidriger Vollstreckung
Nach § 799a Abs. 1 ZPO haftet der neue Gläubiger verschuldensunabhängig, wenn er aus einer sofort vollstreckbaren Urkunde die Zwangsvollstreckung betreibt und eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) oder eine Abänderungsklage (§ 323 ZPO) des Darlehensnehmers erfolgreich ist, für den gesamten in diesem Zusammenhang entstehenden Schaden. Diese Haftung gilt gemäß § 799a Satz 2 ZPO auch für den Fall, dass sich der Darlehensnehmer der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat.
8. Abtretungsverbote im kaufmännischen Bereich
Wird die Abtretung bei einem beiderseitigen Handelsgeschäft ausgeschlossen, bleibt die Abtretung gemäß § 354a Abs. 1 HGB jedenfalls dinglich wirksam, um die Verkehrsfähigkeit von Forderungen zu erhalten. Nach § 354a Abs. 2 HGB können zwischen Kaufleuten und Kreditinstituten nunmehr auch Abtretungsverbote mit dinglicher Wirkung vereinbart werden.
Die Banken haben somit die Möglichkeit, ihren Kunden Kredite anzubieten, die nicht abgetreten werden können und sich dies durch einen höheren Prozentsatz vergüten zu lassen.
III. Zusammenfassung
Durch das Risikobegrenzungsgesetz wird nunmehr klargestellt, dass der Verkauf und die Abtretung von Kreditforderungen grundsätzlich zulässig sind. Gleichzeitig werden die betroffenen Darlehensnehmer stärker geschützt. Insbesondere die Informationspflichten der Alt- und Neugläubiger aber auch die Verlängerung der Kündigungsfristen stellen für den Darlehensnehmer einen erhöhten Schutz dar. Auch die Erleichterungen für den Darlehensnehmer, sich im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens zur Wehr zu setzen, tragen zum weiteren Schutz für den Darlehensnehmer bei. Ob ein Interessenausgleich zwischen Kreditgebern und Kreditnehmern tatsächlich gefunden wurde, wird freilich erst die Praxis zeigen.
Redaktion
Redaktion: Rechtsanwalt Dr. Christian Stari und Rechtsanwalt Malte Beuster
Herausgeber: Bethge.Reimann.Stari Rechtsanwälte, Berlin
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