Neue Urteile zum Begriff des "existenzvernichtenden Eingriffs" und zur Niederlassungsfreiheit

GESELLSCHAFTSRECHT Nr.7
21.04.2009 | Dr. Christian Stari

I. Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Gesellschafterhaftung wegen "existenzvernichtenden Eingriffs" in das Vermögen einer Kapitalgesellschaft

1. Bisherige Rechtsprechung

Seit den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 17. September 2001, Az: II ZR 178/99 (NJW 2001, S. 3622) und vom 24. Juni 2002, Az: II ZR 300/00 (NJW 2002, S. 3024) hatte der Bundesgerichtshof den eigenständigen Haftungstatbestand der Existenzvernichtungshaftung entwickelt, und zwar in Form einer subsidiären Außenhaftung des auf diese Weise in das Vermögen einer GmbH eingreifenden Gesellschafters unmittelbar gegenüber Gläubigern der Gesellschaft. Danach hatte der Gesellschafter einer GmbH gegenüber dem Gläubiger dieser Gesellschaft unmittelbar persönlich mit seinen Privatvermögen für die Gesellschafterschulden einzustehen, wenn er auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens keine Rücksicht genommen hatte und der Gesellschaft ohne angemessenen Ausgleich Vermögenswerte entzogen hatte, die diese zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigte. Griff er so in das Vermögen ein und brachte er dadurch die Gesellschaft in eine Lage, die es ihr nicht mehr ermöglichte, Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern bedienen zu können, so sah der Bundesgerichtshof darin einen Missbrauch der Rechtsform der GmbH. Der Gesellschafter verlor folglich das Haftungsprivileg des § 13 GmbHG, aufgrund dessen er nur mit seiner an die Gesellschaft zu erbringenden Einlage haftete; stattdessen haftete er in diesen Fällen nunmehr wie der Gesellschafter einer oHG gemäß § 128 HGB analog, das heißt mit seinem Privatvermögen unmittelbar gegenüber den Gläubigern.

2. Änderung des bisherigen Haftungskonzeptes

Mit seinem Urteil vom 16. Juli 2007, AZ: II ZR 03/04 (NJW 2007, S. 2689 ff.) gibt der Bundesgerichtshof dieses bisherige Haftungskonzept insgesamt auf und entwickelt neue Haftungsgrundsätze. 

a) Dogmatische Grundlage der Haftung 

Zunächst stellt der Bundesgerichtshof fest, dass zum Schutze der Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger das Gesellschaftsvermögen auch weiterhin vor existenzvernichtenden Eingriffen zu schützen ist, da die Regelungen der §§ 30 und 31 GmbHG, die lediglich den Erhalt des Stammkapitals schützen, in Einzelfällen nicht ausreichend. Der Bundesgerichtshof stellt weiter fest, dass die bisherige Rechtsprechung aber von einer, wie er sich selbst ausdrückt, "gewissen Inhomogenität und dogmatischen Unschärfe" gekennzeichnet war. So kommt der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis, dass insbesondere eine direkte Haftung eines Gesellschafters auch im Falle eines existenzvernichtenden Eingriffs gegenüber Gläubigern nicht dogmatisch gerechtfertigt werden kann. 

Der Bundesgerichtshof ordnet den existenzvernichtenden Eingriff  an diesem Begriff hält er ausdrücklich fest  nunmehr als besondere Fallgruppe im Rahmen der allgemeinen deliktischen Anspruchsnorm des § 826 BGB ein. Danach haftet ganz allgemein jeder, der einem anderen in sittenwidriger Weise einen Schaden zufügt. Er stellt diese Haftung neben die Haftung der §§ 30, 31 GmbHG und gestaltet die Haftung nunmehr entsprechend als Innenhaftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft aus. 

Wie bereits angedeutet, schützen die Vorschriften der §§ 30, 31 GmbHG "lediglich" das Stammkapital vor dem Zugriff des Gesellschafters. Greift ein Gesellschafter in das Vermögen der GmbH ein und entzieht ihr dadurch Stammkapital, ist der Gesellschafter zur Rückzahlung bis zur Höhe des Stammkapitals verpflichtet. Der Bundesgerichtshof betont nunmehr, dass auch das sonstige Vermögen der GmbH einer von den Gesellschaftern grundsätzlich zu respektierenden Zweckbindung unterliegt, nämlich der vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger während der Lebensdauer der GmbH. Greift ein Gesellschafter sittenwidrig im Sinne des § 826 HGB in dieses Vermögen ein, kommt eine Haftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft, die er durch diesen sittenwidrigen Eingriff schädigt, in Betracht; eine Haftung gegenüber dem Gläubiger der Gesellschaft, der durch diesen Eingriff nur mittelbar geschädigt ist, lässt sich hingegen nicht begründen.    

b) Voraussetzung der Haftung

§ 826 BGB verbietet die vorsätzliche Schädigung des Gesellschaftsvermögens, die gegen die guten Sitten verstößt. Eine planmäßige Entziehung des Vermögen mit der Folge der Beseitigung der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft löst damit die Haftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft aus. Dabei muss es dem Gesellschafter nicht bewusst auf die Schädigung des Gesellschaftsvermögens ankommen, es genügt vielmehr, wenn er im Bewusstsein über die Tatsachen, die einen sittenwidrigen Eingriff in das Gesellschaftsvermögen darstellen, handelt.    

c) Geltendmachung der Haftung

Für Gläubiger der Gesellschaft, die durch diesen sittenwidrigen Eingriff des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen mittelbar in der Weise betroffen sind, dass sie mangels Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft dieser gegenüber ihre Ansprüche nicht mehr durchsetzen können, wird auf Grundlage dieser neuen Dogmatik die Durchsetzung ihrer Ansprüche gegenüber dem das Gesellschaftsvermögen in sittenwidriger Weise schädigenden Gesellschafter deutlich erschwert. Wie bereits ausgeführt, kommt eine unmittelbare Haftung des Gesellschafters gegenüber dem Gläubiger der Gesellschaft nicht mehr in Betracht. Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der - geschädigten - Gesellschaft steht nur dem Insolvenzverwalter das Recht zu, einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter geltend zu machen, der in unzulässiger Weise in das Vermögen der Gesellschaft eingegriffen hat. Der Gläubiger der Gesellschaft kann nur darauf hoffen, dass durch eine erfolgreiche Inanspruchnahme des Gesellschafters durch den Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse in der Weise vergrößert werden kann, dass er jedenfalls mit einer wirtschaftlich für ihn relevanten Quote im Rahmen des Insolvenzverfahrens mit seiner anzumeldenden Forderung befriedigt werden kann.    

Wird hingegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens - beispielsweise mangels Masse - abgelehnt, muss der geschädigte Gläubiger zunächst die Gesellschaft selbst in Anspruch nehmen und dieser gegenüber einen vollstreckbaren Titel erwirken, auch wenn er weiß, dass er damit nicht erfolgreich in das - nicht mehr vorhandene -Vermögen der Gesellschaft vollstrecken kann. Vielmehr muss er nunmehr auf Grundlage des gegen die Gesellschaft erwirkten Titels den Anspruch der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter, der das Vermögen der Gesellschaft in sittenwidriger Weise geschädigt hat, pfänden und einziehen. Dieser Gesellschafter ist dann so genannter "Drittschuldner". Weigert er sich, nunmehr Zahlungen an den Gläubiger zu leisten, muss der geschädigte Gläubiger im Rahmen einer so genannten Drittschuldnerklage auch gegen diesen im Rahmen eines weiteren Klageverfahrens einen Titel erwirken.    

Auch der Bundesgerichtshof erkennt die damit verbundenen erheblichen Schwierigkeiten der Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen geschädigter Gläubiger, führt hierzu jedoch aus, dass diese hinzunehmen seien, da dieser "Umweg" systemimmanent und durch die Haftungssystematik der §§ 30, 31 GmbHG vorgegeben sei.

3. Die Grenzen der Haftung nach den Grundsätzen des existenzvernichtenden Eingriffs

 Mit Urteil vom 28. April 2008, Az: II ZR 264/06 (NJW 2008, S. 2437) hat der Bundesgerichtshof klare Grenzen für eine solche Gesellschafterhaftung gezogen. Der Begriff des existenzvernichtenden Eingriffs ist danach äußerst restriktiv auszulegen.    

Konkret hebt der Bundesgerichtshof hervor, dass eine von Anfang an festzustellende nicht hinreichende Kapitalausstattung einer Gesellschaft im Hinblick auf den Gesellschaftszweck und das von der Gesellschaft verfolgte Geschäftsmodell noch nicht per se zu einer Haftung unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs führt. Die Gesellschafter sind nicht verpflichtet, die Gesellschaft mit hinreichend Kapital zur erfolgreichen Umsetzung eines geplanten Geschäftsmodells auszustatten. Es ist ihnen allerdings verwehrt, in der Gesellschaft vorhandenes Vermögen mit der Folge zu entziehen, dass die Gesellschaft danach ihren Verpflichtungen gegenüber Gläubigern nicht mehr nachkommen kann.    

Das GmbH-Gesetz schützt somit vor dem Entzug vorhandenen Gesellschaftsvermögens, verpflichtet die Gesellschafter aber nicht dazu, die Gesellschaft mit einem bestimmten Kapital - abgesehen vom gesetzlichen vorgesehenen Mindeststammkapital - auszustatten. Der Bundesgerichtshof spitzt diese Aussage soweit zu, dass er ausführt, dass das Gmb

4. Zusammenfassung

Der Begriff des existenzvernichtenden Eingriffs hat durch die neue BGH-Rechtsprechung klare, scharf umrissene Konturen gewonnen.    

Durch die dadurch definierten hohen tatbestandlichen Hürden einer Haftung nach den Grundsätzen des existenzvernichtenden Eingriffs sowie die erschwerte Durchsetzbarkeit etwaiger Schadensersatzansprüche über den "Umweg" einer Inanspruchnahme der Gesellschaft wird im Ergebnis das Haftungsprivileg des § 13 GmbHG gestärkt, wonach Gesellschafter einer GmbH grundsätzlich nur mit dem zur Verfügung gestellten Stammkapital haften.    

Diese Klarstellung ist durchaus zu begrüßen, zumal auf der anderen Seite auch klargestellt wird, dass sich ein Gesellschafter in den definierten Ausnahmefällen gegenüber dem unmittelbar Geschädigten, d. h. der Gesellschaft, in deren Vermögen er eingegriffen hat, schadensersatzpflichtig macht.

II. Zur Niederlassungsfreiheit von Kapital- und Personengesellschaften im Europäischen Rechtsraum

Mit seinen Urteilen vom 09. März 1999, Az: Rs.C-212/97 - Centros - (NJW 1999, S. 2027 ff.), 05. November 2002, Az: Rs.C-208/06  Überseering - (NJW 2002, S. 3614 ff.) sowie vom 30. September 2003, Az: Rs.C-167/01 - Inspire-Art - (NJW 2003, S. 3331 ff.) hat der Europäische Gerichtshof das Recht der Niederlassungsfreiheit wesentlich gestärkt und klargestellt, dass Mitgliedsstaaten der Europäischen Union den Zuzug von Gesellschaften, die in einem anderen Mitgliedsstaat rechtmäßig gegründet wurden, nicht erschweren darf (vgl. hierzu auch unsere Kurzinfo Gesellschaftsrecht Nr. 1 vom 31. Oktober 2005). Der Bundesgerichtshof hatte sich im Folgenden für diese Fälle von der von ihm bis dahin vertretenen Sitztheorie verabschiedet und sich vielmehr der Gründungstheorie angeschlossen (vgl. nur BGH, Urteil vom 13. März 2003, Az: VII ZR 370/98, NJW 2003, S. 1461 ff. sowie Urteil vom 19. September 2005, Az: II ZR 372/03, NJW 2005, S. 3351 ff.). Die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft richtete sich danach also nicht mehr nach dem Recht des Staates, in dem die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz hat, sondern vielmehr nach dem Recht des Staates, in dem die Gesellschaft gegründet wurde. 

Durch aktuelle Entscheidungen sowohl des Bundesgerichtshofs als auch des Europäischen Gerichtshofs wurden Umfang und Reichweite dieser Niederlassungsfreiheit weiter definiert.

1. Keine Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften aus Drittstaaten

 Der Bundesgerichtshof hatte sich mit seinem Urteil vom 27. Oktober 2008, Az: II ZR 158/06 (NJW 2009, S. 289 ff.) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine schweizer Aktiengesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland hier als solche rechtsfähig und damit parteifähig ist.    

a) Sitztheorie im Hinblick auf Gesellschaften aus Drittstaaten 

Der Bundesgerichtshof lehnt es ab, die nach schweizer Recht gegründete Aktiengesellschaft, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt hat, in ihrer Eigenschaft als schweizer Aktiengesellschaft die Rechtsfähigkeit zuzusprechen. Die partielle Abkehr von der Sitz- zur Gründungstheorie war vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorgaben erforderlich. Die Niederlassungsfreiheit ist für Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in Art. 43 und 48 EG-Vertrag geregelt und für Mitgliedsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) in Art. 31 und 24 des EWR-Abkommens. Da die Schweiz nicht unter den Anwendungsbereich dieser Normen fällt, besteht für den Bundesgerichtshof kein Anlass, auch für diese schweizer Aktiengesellschaft die Gründungstheorie anzuwenden und diese als schweizer Aktiengesellschaft im deutschen Rechtsraum zu bestätigen. 

Insofern bleibt es bei der Sitztheorie, was zur Folge hat, dass sich die Rechts- und Parteifähigkeit der zunächst in der Schweiz gegründeten Aktiengesellschaft nunmehr nach deutschem Recht beurteilt. 

Der Bundesgerichtshof betont, dass dieses "gespaltene Kollisionsrecht", d. h. die Anwendbarkeit der Gründungstheorie einerseits und der Sitztheorie andererseits hinzunehmen sei, da der Gesetzgeber bislang keine einheitliche Regelung zur ausschließlichen Anwendbarkeit der Gründungstheorie getroffen habe.    

b) Folgen für Gesellschaften aus Drittstaaten

Die Anwendbarkeit der Regelungen des deutschen Rechts zur Gründung einer Gesellschaft auf eine schweizer Aktiengesellschaft führt zunächst zu der Feststellung, dass diese schweizer Aktiengesellschaft im deutschen Rechtsraum nicht als Aktiengesellschaft anzuerkennen ist, da dies ihre Eintragung im deutschen Handelsregister voraussetzen würde. Da auf der anderen Seite auch der in der Schweiz gegründeten Aktiengesellschaft die Möglichkeit zuzubilligen ist, im deutschen Rechtsraum aktiv zu werden, bleibt als "Auffangrechtsform" nur die Möglichkeit, sie als Personengesellschaft zu akzeptieren, da hier die Eintragung im Handelsregister nicht konstitutiv sondern lediglich deklaratorisch ist. Im Ergebnis führt dies somit dazu, dass eine in einem Drittstaat gegründete Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt, in Deutschland in jedem Fall als Personengesellschaft, d. h. als oHG oder GbR anzuerkennen ist. Dies hat für die Gesellschafter zu Folge, dass sie persönlich mit ihrem privaten Vermögen uneingeschränkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Gläubigern haften.

2. Die Niederlassungsfreiheit gewährt keine Wegzugsfreiheit

a) Differenzierung zwischen Wegzugs- und Zuzugsfreiheit  

Der Europäische Gerichtshof hatte sich mit einem Urteil vom 16. Dezember 2008, Az: C-210/06 - Cartesio - (NJW 2009, S. 569 ff.) im Falle einer Ungarischen Personengesellschaft mit der Frage befasst, ob die Regelung des nationalen - dort ungarischen - Rechts, wonach sich die Gesellschaft mit ihrem Wegzug aus Ungarn in einen anderen Mitgliedsstaat auflöst, gegen die aus dem EG-Vertrag herzuleitende Niederlassungsfreiheit verstößt. 

Der Europäische Gerichtshof hat diese Frage verneint. Dabei hat er betont, dass der Mitgliedsstaat im Hinblick auf die nach seinem Recht gegründete Gesellschaft die Befugnis hatte, zu regeln, unter welchen Voraussetzungen diese Gesellschaft ihren Rechtsstatus behalten darf. Namentlich darf ein Mitgliedsstaat auch Beschränkungen hinsichtlich der Möglichkeiten, den Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedsstaat zu verlegen, auferlegen. 

Damit unterscheidet der Europäische Gerichtshof die Frage der Wegzugsfreiheit von der von ihm bejahten Frage der Zuzugsfreiheit (Centros, Überseering und Inspire-Art).    

b) Konsequenzen für das deutsche Recht 

Unmittelbare Auswirkungen für deutsche Gesellschaften ergeben sich hieraus nicht. Mit dem am 01. November 2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) - siehe hierzu unsere Kurzinfo Gesellschaftsrecht Nr. 3 vom 28. Oktober 2008 - sind die bisherigen Regelungen in §§ 4a Abs. 2 GmbHG und 5 Abs. 2 AktG, die einen Verwaltungssitz in Deutschland vorsahen, gestrichen worden. Für deutsche Gesellschaften bleibt die Verlegung ihres Verwaltungssitzes in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union somit ohne weitere Konsequenzen.  

3. Grenzüberschreitende Umwandlungen

a) Zulässigkeit grenzüberschreitender Umwandlungen

Mit seinem oben zitierten Urteil vom 16. Dezember 2008 nimmt der EuGH im Rahmen eines obiter dictum auch zu den Möglichkeiten einer grenzüberschreitenden Umwandlung Stellung und zeigt einen Weg auf, wie eine umzugswillige Gesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat umziehen kann, ohne nach den Bestimmungen ihres Heimatlandes gelöscht zu werden. 

Ist die Gesellschaft bereit, eine Änderung des Gesellschaftsstatutes in Kauf zu nehmen und sich in die Gesellschaftsform des anderen Mitgliedsstaates, des Zuzugs-Staates, umzuwandeln, darf dies nicht durch nationale gesetzliche Regelungen des Heimatstaates behindert werden. Eine solche Behinderung würde einen unzulässigen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft darstellen. Der Staat darf somit nur über das Fortbestehen der Gesellschaft in "seiner" Rechtsform entscheiden; eine Umwandlung in eine Rechtsform eines anderen Mitgliedsstaates darf er jedoch nicht verhindern. 

Der Europäische Gerichtshof betont allerdings, dass diese Möglichkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels voraussetzt, dass der Zuzugsstaat einen Formwechsel grundsätzlich überhaupt zulässt. Der Europäische Gerichtshof betont, dass Mitgliedsstaaten der EU nicht per se verpflichtet sind, Formwechsel bzw. allgemeine Umwandlungen zuzulassen. Bestehen allerdings Vorschriften über die Umwandlung, so darf der Mitgliedsstaat diese Möglichkeiten nicht auf Gesellschaften seines eigenen Staates beschränken, sondern muss diese, wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Dezember 2005, Az: C-411/03 - SEVIC - (NJW 2006, S. 425) ergibt, auch Gesellschaften aus andere Mitgliedsstaaten eröffnen.    

b) Konsequenzen für das deutsche Recht

Aus dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu grenzüberschreitenden Umwandlungen ergibt sich Handlungsbedarf auch für den deutschen Gesetzgeber. Da das deutsche Recht die Möglichkeiten einer Umwandlung grundsätzlich vorsieht, muss diese grenzüberschreitend in beide Richtungen nunmehr geregelt werden. Hinsichtlich eines "Hinaus-Formwechsels" liegt bereits der Referentenentwurf vom 07. Januar 2008, vor, der seit dem jedoch nicht umgesetzt wurde. Hinsichtlich "Herein-Umwandlungen" ist § 1 Umwandlungsgesetz europarechtskonform anzupassen, da dieser Umwandlungen bislang nur für Gesellschaften mit Sitz im Inland vorsieht.

4. Resümee

Aus alldem kann nur die Notwendigkeit hergeleitet werden, das Recht, Gesellschaften grenzüberschreitend zu bewegen, sei es durch die Verlegung des Verwaltungssitzes, sei es im Wege der Umwandlungen, europaweit zu harmonisieren. 

gez.

Dr. Christian Stari

Rechtsanwalt

Redaktion

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