Aktuelle Rechtsprechung zum Befristungsrecht

ARBEITSRECHT Nr. 6
28.10.2010 | Glenn Dammann, Boris Gregorius

I. Befristung eines Arbeitsverhältnisses bei vorübergehendem Bedarf an der Arbeitsleistung

- BAG, Urteil vom 17. März 2010 - 7 AZR 640/08 -

Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages wegen eines nur vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG liegt nicht vor, wenn diesem Arbeitnehmer Daueraufgaben übertragen werden, die vom Stammpersonal wegen einer von vornherein unzureichenden Personalausstattung nicht erledigt werden können.

Die Entscheidung

Eine Arbeitnehmerin wurde zunächst in der Zeit vom 15. August 2005 bis zum 31. Dezember 2005 befristet als Sachbearbeiterin eingestellt. Vor Ende der Befristung schloss der Arbeitgeber mit ihr eine weitere Befristungsabrede, nunmehr bis zum 30. September 2006. Die Mitarbeiterin sollte bestehende Bearbeitungsrückstände in der Widerspruchsstelle des Arbeitgebers reduzieren. Daraufhin erhob die Arbeitnehmerin Befristungskontrollklage beim Arbeitsgericht. Nach ihrer Auffassung war die neuerliche Befristung nicht gerechtfertigt, denn der Bedarf an ihrer Arbeitsleistung habe nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft bestanden. Die in ihrem Tätigkeitsbereich üblicherweise anfallenden Aufgaben könnten mit den planmäßig Beschäftigten nicht bewältigt werden. Das Arbeitsgericht gab der Klage zunächst statt; das Berufungsgericht gab indes dem Arbeitgeber Recht.

Das Bundesarbeitsgericht folgte dem Argument der Mitarbeiterin. Nach dieser Entscheidung kann ein lediglich vorübergehender Bedarf an der Arbeitsleistung auch auf einer zeitweise übernommenen Sonderaufgabe oder einer vorübergehend angestiegenen Arbeitsmenge beruhen, für deren Erledigung das vorhandene Stammpersonal nicht ausreicht. Der Arbeitgeber kann die Befristung jedoch dann nicht mehr auf einen erforderlichen Sachgrund stützen, wenn der von ihm zur Begründung angeführte Bedarf an der Arbeitsleistung tatsächlich nicht nur vorübergehend, sondern objektiv dauerhaft besteht.

Fazit

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber befristete Arbeitsverträge ohne besonderen Grund für die Dauer von bis zu maximal zwei Jahren abschließen, wenn nicht zuvor mit demselben Mitarbeiter bereits ein Beschäftigungsverhältnis bestand. Soll eine Befristung indes länger als zwei Jahre andauern, bedarf es eines rechtfertigenden Grundes im Sinne des § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Hierzu gehört auch der vorübergehende Bedarf an einer Arbeitsleistung.

Die Entscheidung des BAG zeigt aber, dass nicht jeder betriebliche Bedarf an Mehrarbeit eine solche Sachgrundbefristung von Arbeitnehmern rechtfertigt. Sofern ein erhöhter Arbeitsbedarf durch personelle Unterbesetzung besteht, sollten Arbeitgeber eine Befristung nur vereinbaren, wenn auch wirklich nur ein vorübergehender Mehrbedarf an Arbeitskräften vorliegt. Hierzu hat der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine Prognose zu erstellen. Anderenfalls läuft er Gefahr, bei unwirksamer Befristung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis geschlossen zu haben.

II. Wirksamkeitsvoraussetzung des Sachgrundes der Vertretung

- BAG, Urteil vom 14. April 2010 - 7 AZR 121/09 -

In seinem Urteil vom 14. April 2010 hat das Bundesarbeitsgericht dargelegt, dass eine wirksame Sachgrundbefristung zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers nur dann vorliegt, wenn der Vertretene die Tätigkeit des Vertreters erbringen kann.

Die Entscheidung

Eine Arbeitnehmerin war aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge seit Januar 2000 als Angestellte beschäftigt. Sie nahm hierbei buchhalterische Aufgaben wahr. Zuletzt schloss sie mit dem Arbeitgeber einen auf vier Monate befristeten Vertrag für die Zeit bis zum 31. Dezember 2007. Als Sachgrund für die Befristung benannte der Arbeitgeber die Urlaubsvertretung der Stammkraft. 

Mit nachfolgend eingereichter Klage machte die Angestellte die Unwirksamkeit der neuerlichen Befristung geltend, da diese nicht durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt sei. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, das Landesarbeitsgericht hingegen nicht. In dritter Instanz hatte der Arbeitgeber kein Glück.

Das Bundesarbeitsgericht sah hier den Sachgrund der Vertretung nicht gegeben und erklärte die Befristung für unwirksam. Grundsätzlich besteht gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG die Möglichkeit einer Sachgrundbefristung wegen Vertretung. 

Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist jedoch insoweit nur wirksam, wenn hierdurch der vorübergehende Arbeitskräftemangel kompensiert werden soll. Dafür muss ein innerer Ursachenzusammenhang zwischen der Abwesenheit der vertretenen Stammkraft und der Beschäftigung des befristet eingestellten Vertreters bestehen. Zwar ist nicht erforderlich, dass der Vertreter die Stammkraft unmittelbar vertritt. Für den ursächlichen Zusammenhang genügt es mithin, wenn die Stammkraft aufgrund ihrer Ausbildung oder ihrer bisherigen Berufstätigkeit in der Lage wäre, die Tätigkeit des Vertreters auszuüben. Ist die Stammkraft aber selbst nach einer Fortbildung hierzu nicht in der Lage, beruht die Einstellung des Vertreters nicht mehr auf der Abwesenheit der Stammkraft, was nicht genügt.

Fazit

Fällt eine Stammkraft aus, kann ein Arbeitgeber grundsätzlich einen Vertreter nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG einstellen. Er muss hierbei jedoch beachten, dass auch ein Sachgrund für die Vertretung besteht. Dies setzt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Einstellung des Vertreters und der vorübergehenden Abwesenheit der Stammkraft voraus. Das BAG gibt hierfür in seinem Urteil einen Hinweis für die Vorgehensweise in der Praxis. Der Arbeitgeber sollte dem Vertreter die Aufgaben der Stammkraft im Arbeitsvertrag konkret zuordnen. Als Faustformel lässt sich aus dem Urteil des BAG ferner ableiten, dass kein Zusammenhang für eine wirksame Sachgrundbefristung mehr besteht, wenn die Stammkraft selbst nach einer Fortbildung, die die Dauer des gesamten Vertretungszeitraums umfasst, nicht in der Lage ist, die Tätigkeit des Vertreters auszuüben. Der Arbeitgeber ist somit gehalten, nach diesen Grundsätzen vorab zu prüfen, ob ein Vertretungsfall vorliegt, ansonsten kann eine unwirksame Sachgrundbefristung gegeben sein.

III. Wirksamkeit einer Befristung (Vertretung) im Falle einer entlassenen Stammkraft mit Wiedereinstellungszusage

- BAG, Urteil vom 02. Juni 2010 - 7 AZR 136/09 -

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Sachgrundbefristung der Vertretung unwirksam ist, wenn ein befristet eingestellter Arbeitnehmer eine Stammkraft vertritt, die während des Vertretungszeitraums in keinem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber steht. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber der ausgeschiedenen Stammkraft eine Wiedereinstellungszusage erteilt hat.

Die Entscheidung

Ein Arbeitnehmer wurde als Monteur aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge in einem Betrieb beschäftigt. Im Juli 2007 unterzeichnete er mit seinem Arbeitgeber einen neuen befristeten Arbeitsvertrag bis zum 31. August 2009. Grund für die Befristung war die Weiterbildungsmaßnahme der zu vertretenen Stammkraft. Aus diesem Grund hatten Arbeitgeber und Stammkraft zu gleicher Zeit bereits einen Aufhebungsvertrag mit Wiedereinstellungszusage geschlossen. Der befristet eingestellte Monteur erhob daraufhin Klage und begehrte die Feststellung, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden sei. Alle Instanzen gaben ihm Recht. 

Der Sachgrund der Vertretung gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG ist nach der Entscheidung des BAG insoweit nicht mehr gegeben. Eine Sachgrundbefristung setzt voraus, dass die vertretene Stammkraft während des Vertretungszeitraums in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber steht. Aufgrund des etwa zeitgleich geschlossenen Aufhebungsvertrages war dies jedoch nicht mehr der Fall. Daran änderte auch die Wiedereinstellungszusage nichts. 

Allerdings wies das BAG darauf hin, dass eine Sachgrundbefristung grundsätzlich dann möglich ist, wenn der Arbeitgeber für einen späteren Zeitpunkt die anderweitige Besetzung des entsprechenden Arbeitsplatzes plane. Dies setzt jedoch voraus, dass der Arbeitgeber mit dem als (spätere) Dauerbesetzung vorgesehenen Arbeitnehmer bereits vertraglich gebunden ist. Im vorliegenden Fall fehlte es an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der befristeten Einstellung und der Wiedereinstellungszusage für die Stammkraft, denn Voraussetzung hierfür ist, dass die Beschäftigung der Ersatzkraft auch geeignet ist, die Beschäftigungsmöglichkeit für die Stammkraft frei zu halten. Dies konnte vorliegend nicht festgestellt werden.

Fazit

Die Entscheidung ist für Vertretungsfälle infolge Abwesenheit des Stammpersonals wichtig. Eine Sachgrundbefristung der Vertretung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG) kann nur für einen anderen Arbeitnehmer erfolgen. Erfolgt eine Vertragsaufhebung mit der Stammkraft, kann auch ein Befristung "zur Vertretung" nicht mehr wirksam erfolgen. 

Beachtet der Arbeitgeber, dass zwischen einer Wiedereinstellungszusage und der Einstellung des befristet beschäftigten Vertreters ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss, kann nach der Rechtsprechung eine wirksame Befristung erfolgen. Dies ist vor der Einstellung des befristeten Arbeitnehmers gründlich zu überprüfen.

Redaktion

Redaktion: Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Glenn Dammann und Rechtsanwalt Boris Gregorius

Herausgeber: Bethge.Reimann.Stari Rechtsanwälte, Berlin 

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