Darlehen von Gesellschaften an ihre Gesellschafter und deren Qualifizierung als Verbraucherdarlehen

GESELLSCHAFTSRECHT Nr.8
23.05.2011 | Malte Beuster

Einleitung

In der Praxis ist es nicht unüblich, dass Gesellschaften ihren Gesellschaftern Darlehen gewähren, um diesen beispielsweise den Erwerb von Geschäftsanteilen zu ermöglichen. Hierbei wird regelmäßig übersehen, dass es sich bei diesen Darlehensverträgen um Verbraucherdarlehensverträge handelt, welche besonderen Vorschriften unterliegen, dessen Missachtung im Einzelfall sogar zur Unwirksamkeit der Darlehensverträge führen kann.

I. Die Sonderform des Verbraucherdarlehensvertrages

Für Verbraucherdarlehensverträge gelten zahlreiche besondere Vorschriften, welche auf die Verbraucherkreditrichtlinie der EG vom 22. Juni 1986 zurückgehen und zunächst durch das am 01. Januar 1991 in Kraft getretene Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG) geregelt waren. Die Bestimmungen über Verbraucherdarlehensverträge finden auf ab dem 01. Januar 1991 zustande gekommene Darlehensverträge Anwendung. 

Mit dem am 01. Januar 2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sind die Regelungen des Verbraucherkreditgesetzes nahezu unverändert in das BGB integriert worden. Die Bestimmungen über die Sonderform der Verbraucherdarlehensverträge finden sich seitdem in den §§ 491ff. BGB. 

Zuletzt erfuhren die Regelungen des Verbraucherkreditgesetzes durch die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie 2008 zum 11. Juni 2010 umfangreiche Ergänzungen. Diese gelten grundsätzlich nur für nach dem 10. Juni 2010 entstandene Schuldverhältnisse.

II. Der Begriff des Verbraucherdarlehensvertrages

Ein Verbraucherdarlehensvertrag liegt vor, wenn zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher ein entgeltlicher Darlehensvertrag geschlossen wird (vgl. § 491 Abs. 1 BGB).

1. Unternehmereigenschaft der Gesellschaft

Die Anwendung der Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge setzt somit zunächst voraus, dass die Darlehen gewährende Gesellschaft als Unternehmer einzustufen ist. Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. 

Hier wird oft eingewandt, dass die Gesellschaft zwar am Markt planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen Entgelt anbiete, die Vergabe von Darlehen jedoch gerade nicht Gegenstand ihrer gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit sei. Der Bundesgerichtshof hat jedoch bereits in seiner Entscheidung vom 09. Dezember 2008 (BGH, Urt. v. 09. Dezember 2008, Az: XI ZR 513/07) klargestellt, dass ein Darlehensgeber auch dann Unternehmer sein kann, wenn sich dessen unternehmerische Tätigkeit nicht auf die Kreditvergabe bezieht. Notwendig sei nur, dass der Unternehmer bei Abschluss des Darlehensvertrages in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt, wobei auch eine erstmalige Darlehensvergabe gelegentlich der gewerblichen Tätigkeit ausreichend sei. 

Unerheblich sei in diesem Zusammenhang der Einwand, nur ein regelmäßig mit der Kreditvergabe befasster Unternehmer könne die hohen Anforderungen, die vom Gesetz an Verbraucherdarlehensverträge gestellt werden, ausreichend beachten. Insoweit habe die Schutzbedürftigkeit des Darlehensnehmers Vorrang. 

Vor diesem Hintergrund wird eine Darlehen gewährende Gesellschaft regelmäßig als Unternehmer im Sinne des Verbraucherdarlehensrechts einzustufen sein.

2. Verbrauchereigenschaft des Gesellschafters als Darlehensnehmer

Die Anwendung der Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge setzt weiter voraus , dass der Darlehensempfänger Verbraucher ist. Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.    

a) Darlehensaufnahme zu rein privaten Zwecken 

Der Gesellschafter ist somit als Verbraucher anzusehen, wenn er das Darlehen zu privaten Zwecken aufgenommen hat. Dies dürfte in der Regel beispielsweise dann der Fall sein, wenn das Darlehen der Finanzierung eines Eigenheimes, eines nur privat genutzten Fahrzeugs oder einer Familienreise dient.    

b) Private Vermögensverwaltung 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 23. Oktober 2001, Az: XI ZR 63/01) gehört grundsätzlich auch die Anlage und Verwaltung von Vermögen zur privaten Sphäre, so dass auch in diesem Fall die Verbrauchereigenschaft zu bejahen ist. Der private Vermögensverwalter sei erst dann als Unternehmer einzustufen, wenn der mit der Vermögensverwaltung verbundene organisatorische und zeitliche Aufwand insgesamt nach den Umständen des Einzelfalls das Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebes vermittelt. Hier gestaltet sich die Abgrenzung schwierig. 

Es stellte insbesondere die Frage, ob die Aufnahme eines Darlehens zum Erwerb von Gesellschaftsanteilen als Anlage von Vermögen dem privaten Bereich zuzuordnen ist oder bereits eine gewerbliche Tätigkeit darstellt. 

Teilweise wurde vertreten, dass es sich beim Erwerb von GmbH-Anteilen und Aktien jedenfalls dann um eine gewerbliche Tätigkeit handele, wenn mit der Beteiligung eine unternehmerische Zielsetzung verfolgt werde. Dies sei regelmäßig bei einer 25%-igen Beteiligung anzunehmen. 

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurde der Erwerb von Geschäftsanteilen unabhängig vom Grad der Beteiligung grundsätzlich dem Bereich der Vermögensverwaltung zugeordnet (BGH, Urt. v. 08. November 2005, Az. XI ZR 34/05). 

Das OLG Celle hat nunmehr mit einer  noch nicht rechtskräftigen - Entscheidung vom 22. September 2010 (OLG Celle, Urt. v. 22. September 2010, Az: 3 U 75/10) nochmals klargestellt, dass die Aufnahme eines Darlehens zum Erwerb der Gesellschaftsanteile keine gewerbliche Tätigkeit darstelle. Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist, dass dies selbst dann gelte, wenn der Erwerber der Gesellschaftsanteile späterer Alleingesellschafter und Geschäftsführer wird. Es sei ohne Belang, ob der Erwerber alle Anteile der Gesellschaft erwirbt und ob er auch die Position des Geschäftsführers übernimmt. Denn auch die Geschäftsführung einer GmbH als solche sei - nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - für den Geschäftsführer keine gewerbliche Tätigkeit. 

Damit zeichnet sich ab, dass die Rechtsprechung den Erwerb von Gesellschaftsanteilen stets dem privaten Bereich zuordnet, so dass der Gesellschafter bei Aufnahme eines Darlehens zu diesem Zweck fast ausnahmslos als Verbraucher einzustufen sein wird, selbst wenn er späterer Alleingesellschafter und Geschäftsführer wird.

3. Entgeltliches Darlehen

Schließlich setzt die Anwendung der Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge voraus, dass es sich um ein entgeltliches Darlehen handelt. 

Hierbei wird häufig übersehen, dass die Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge auch dann Anwendung finden, wenn dem Gesellschafter ein entgeltlicher Zahlungsaufschub oder eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe gewährt wird (§ 506 Abs. 1 BGB). Die Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge können somit beispielsweise nicht dadurch umgangen werden, dass die Gesellschaft einen ihr gegen den Gesellschafter zustehenden Zahlungsanspruch unter Vereinbarung von Zinsen stundet. 

Entgeltlich ist das Darlehen, wenn irgendeine Gegenleistung vereinbart wird. Regelmäßig stellen die vereinbarten Zinsen das Entgelt für die Darlehensgewährung dar. Nicht vereinbarte, sondern gesetzliche Fälligkeits- oder Verzugszinsen stellen indes kein Entgelt dar (BGH, Urt. v. 16. Oktober 2007 - XI ZR 132/06).

III. Anforderungen an einen Verbraucherdarlehensvertrag

Ein Verbraucherdarlehensvertrag muss bestimmte Anforderungen erfüllen. 

Die Regelung des § 492 BGB bestimmt, dass Verbraucherdarlehensverträge zwingend schriftlich abzuschließen sind. Zudem muss der Verbraucherdarlehensvertrag Pflichtangaben enthalten. 

Zu diesen Pflichtangaben gehörten bisher insbesondere der Nettodarlehensbetrag, der Gesamtbetrag aller vom Darlehensnehmer zur Tilgung des Darlehens sowie zur Zahlung der Zinsen und sonstigen Kosten zu entrichtenden Teilzahlungen, die Art und Weise der Rückzahlung, der Zinssatz und alle sonstigen Kosten des Darlehens, der effektive Jahreszins, die Kosten einer Restschuld - oder sonstigen Versicherung sowie der zu bestellenden Sicherheiten. 

Durch die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie 2008 zum 11. Juni 2010 sind weitere Pflichtangaben, beispielsweise zur Vertragslaufzeit, Behandlung von Verzugszinsen und die Berechnungsmethode für Vorfälligkeitszinsen, hinzugekommen. 

Ferner wurde durch die Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie 2008 die Regelung des § 491a BGB eingeführt, welche auch vorvertragliche Pflichten des Darlehensgebers vorsieht. Der Darlehensnehmer hat beispielsweise das Recht, einen Entwurf des Verbraucherdarlehensvertrages zu verlangen. Zudem ist der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer vor Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages angemessene Erläuterungen zu geben, damit der Darlehensnehmer in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, ob der Vertrag dem von ihm verfolgten Zweck und seinen Vermögensverhältnissen gerecht wird. 

Darüber hinaus steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu, auf welches er ausdrücklich hingewiesen werden muss. 

Die einem Gesellschafter ein Darlehen gewährende Gesellschaft ist somit verpflichtet, die gesetzlich vorgesehenen umfassenden Pflichtangaben in den schriftlichen Darlehensvertrag aufzunehmen.

IV. Sanktionen bei Pflichtverstößen und Fehlen von Pflichtangaben

Die Nichteinhaltung der Schriftform und meistens auch das Fehlen einer Pflichtangabe führt grundsätzlich zur Nichtigkeit des Darlehensvertrages. In diesem Fall werden keinerlei Erfüllungsansprüche begründet. Das heißt aber grundsätzlich auch, dass der Darlehensnehmer in diesem Fall keinen Anspruch auf Auszahlung des Darlehens hat. 

Die Nichtigkeit des Darlehensvertrages wird jedoch durch Empfangen oder Inanspruchnahme des Darlehens durch den Darlehensnehmer geheilt. Dabei ist eine Auszahlung auch dann anzunehmen, wenn die Leistung weisungsgemäß an einen Dritten erfolgt (BGH, Urt. v. 25. April 2006, Az: XI ZR 193/04). Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die bloße Bestätigung der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter, dass eine Einlage nunmehr als geleistet betrachtet werde, ohne den Betrag zuvor als Darlehen an den Gesellschafter auszuzahlen, ausreichend ist, um die Heilungsfolgen herbeizuführen. Dies ist problematisch, weil das Darlehen in diesem Fall bei der Gesellschaft durch Umbuchung "verblieben" ist und nicht ausgezahlt wurde. Hier bleibt die weitere Rechtsprechung abzuwarten. 

Auch wenn die Nichtigkeit des Darlehens durch Auszahlung geheilt ist, führt das Fehlen gewisser Pflichtangaben zum Eintritt von Sanktionen. 

Fehlt beispielsweise die Angabe des Gesamtbetrages, des Nominalzinssatzes bzw. des effektiven oder anfänglichen effektiven Jahreszinses, so verringert sich der im Vertrag vereinbarte Zinssatz auf den gesetzlichen Zinssatz. 

Fehlen die erforderlichen Angaben zu den voraussichtlich entstehenden Kosten werden die nicht angegebenen Kosten vom Darlehensnehmer nicht geschuldet. 

Die fehlende Angabe einer Sicherheit führt dazu, dass diese vom Darlehensgeber nicht gefordert werden kann. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Nettodarlehensbetrag 75.000,00 € übersteigt. Zudem sichern bereits bestellte Sicherheiten die Verbindlichkeiten aus dem Verbraucherdarlehensvertrag. 

Fehlen im Vertrag Angaben zur Laufzeit oder zum Kündigungsrecht, ist der Darlehensnehmer jederzeit zur Kündigung berechtigt, ohne dass eine Vorfälligkeitsentschädigung anfallen kann.    

V. Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 GmbHG

Auch bei Gewährung eines Darlehens an einen Gesellschafter gilt es zudem zu beachten, dass im Falle einer Unterbilanzierung ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschrift (vgl. § 30 GmbHG) vorliegt. Im Zustand der Unterbilanz darf ein Geschäftsführer den Gesellschaftern keine liquiden Zahlungsmittel zur Verfügung stellen, wenn das Stammkapital nicht hinreichend gedeckt ist. Wird in diesem Fall gleichwohl ein Darlehen gewährt, können die Geschäftsführer zum Schadensersatz verpflichtet sein (vgl. BGH, Urt. v. 24. November 2003, Az: II ZR 171/01.

VI. Zusammenfassung

Gewährt eine Gesellschaft einem Gesellschafter ein Darlehen, finden in der Regel die Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge Anwendung. Die Gesellschaft ist in diesem Fall insbesondere zu zahlreichen Pflichtangaben verpflichtet. Unterlässt die Gesellschaft diese Pflichtangaben, wird dies zumindest durch die Anwendung verbraucherfreundlicher Regelungen sanktioniert und kann im Fall des noch nicht ausgereichten Darlehens sogar zur Nichtigkeit des Darlehensvertrages führen. 

gez.

Malte Beuster

Rechtsanwalt

Redaktion

Redaktion: Rechtsanwalt Malte Beuster

Herausgeber: Bethge.Reimann.Stari Rechtsanwälte, Berlin 

Sekretariat: Susanne Rothe, Tel: 030 - 890492-11, Fax: 030 - 890492-10

Recht aktuell wird nach sorgfältig ausgewählten Unterlagen erstellt. Diese Veröffentlichung verfolgt ausschließlich den Zweck, bestimmte Themen anzusprechen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für die Anwendung im konkreten Fall kann eine Haftung nicht übernommen werden. Sollten Sie weitere Fragen zu den angesprochenen Themen haben, so wenden Sie sich bitte an unsere Ansprechpartner. Der Nachdruck - auch auszugsweise - ist nur mit Quellenangabe gestattet.

Wenn Sie die Publikation nicht mehr erhalten wollen, teilen Sie uns dies bitte per E-Mail mit.



# Tags: Recht Aktuell, Gesellschaftsrecht, Malte Beuster