Aktuelle Entscheidungen zum Anspruch des Anlegers einer Publikumsgesellschaft auf Mitteilung der Namen und Anschriften seiner Mitgesellschafter
I. Einführung
Gegenstand zahlreicher Rechtsstreitigkeiten war und ist die Frage, ob ein Anleger, welcher sich an einem geschlossenen Fonds (insbesondere einem geschlossenen Immobilienfonds) in Form der Publikumsgesellschaft beteiligt hat, einen Anspruch auf Mitteilung der Namen und Anschriften seiner Mitgesellschafter hat. Entsprechende Ansprüche werden häufig von als sog. Anlegerschutzgemeinschaften organisierten Anlegern geltend gemacht, um weitere Anleger für ein gemeinsames Vorgehen akquirieren zu können.
Die Rechtsprechung der Instanzgerichte hierzu war bisher uneinheitlich. Teilweise wurde ein solcher Anspruch bejaht (so bspw.: LG Frankfurt a. M., Urt. v. 08. Mai 2009 - 2-21 O 78/08; LG Frankfurt a. M., Urt. v. 17. Juli 2007 - 2-21 O 162/07;: LG Berlin, Urt. v. 31. Oktober 2000 - 20 O 317/00), teilweise - vor allem wegen Bestehens eines etwaigen Geheimhaltungsinteresses der Mitgesellschafter - verneint (so bspw.: Kammergericht, Hinweisbeschl. v. 12. Januar 2009 - 2 U 19/08; LG Berlin, Urt. v. 12. Februar 2008 - 30 O 451/07; AG Schöneberg, Urt. v. 14. März 2008 - 19 C 443/07).
Jüngst sind zu diesem Thema zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ergangen, welche bereits in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung Berücksichtigung gefunden haben.
II. Auskunftsanspruch des unmittelbar beteiligten Anlegers
Der Bundesgerichtshof hat für Gesellschafter, welche sich unmittelbar an einer in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft ausgestalteten Publikumsgesellschaft beteiligt hatten, das Bestehen eines Anspruchs auf Auskunft über die Namen und Anschriften der Mitgesellschafter bejaht (BGH, Beschl. v. 21. September 2009 - II ZR 264/08).
Dabei hat der Bundesgerichtshof zugleich zwei in diesem Zusammenhang umstrittene Rechtsfragen mit entschieden.
Erstens hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass der Gesellschafter zur Erlangung der entsprechenden Auskunft einen Ausdruck über die geforderten Informationen verlangen kann, wenn diese in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert sind. Im Grundsatz ist der Gesellschafter eigentlich auf das Einsichtsrecht in den Geschäftsräumen der Gesellschaft beschränkt. Sind die Namen und Anschriften der Gesellschafter in Datenverarbeitungsanlagen gespeichert, ist der Gesellschafter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs indes nicht auf die Darstellung auf einem Bildschirm beschränkt, sondern kann einen Ausdruck verlangen.
Zweitens besteht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs weder aus Vertrag noch aus Gesetz ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse.
Soweit der Gesellschaftsvertrag einen Ausschluss des Auskunftsanspruchs vorsehe, sei dieser unwirksam, weil das Recht, seinen Vertragspartner zu kennen, in jedem Vertragsverhältnis derart selbstverständlich sei, dass es nicht wirksam ausgeschlossen werden könne. Zudem sah der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegende Gesellschaftsvertrag vor, dass für eine Einberufung der Gesellschafterversammlung mindestens 5 % der Gesellschafter erforderlich seien. Diese Hürde könne ein Gesellschafter, welcher nicht allein eine 5 %ige Beteiligung halte, nur dann überwinden, wenn er sich mit anderen zusammenschließe. Dies setze wiederum zwingend voraus, dass er die Namen und Anschriften seiner Mitgesellschafter kenne.
Ferner hat der Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass auch aus allgemeinen oder aus datenschutzrechtlichen Gründen kein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse bestehe. Es scheint, als habe der Bundesgerichtshof den Entscheidungen einzelner Instanzgerichte, dem Auskunftsanspruch datenschutzrechtliche Gründe (§ 28 BDSG) entgegenzuhalten, endgültig eine Absage erteilt.
Das Urteil des Bundesgerichtshof ist in Bezug auf die ablehnenden Ausführungen zur Berücksichtigung des Datenschutzes auf scharfe Kritik in der rechtswissenschaftlichen Literatur gestoßen. Zudem hat der Bundesgerichtshof in seiner späteren Entscheidung vom 21. Juni 2010 (BGH, Beschl. v. 21. Juni 2010 - II ZR 219/09) einem Vereinsmitglied einen Anspruch auf Mitteilung der Namen und Anschriften anderer Vereinsmitglieder im Hinblick auf datenschutzrechtliche Vorschriften nur insoweit zugesprochen, als die Mitgliederliste einem Treuhänder herauszugeben ist, welcher einen etwaigen Widerspruch der Mitglieder gegen die Weiterleitung der Daten zu berücksichtigen habe. Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse aus datenschutzrechtlichen Gründen bei Publikumsgesellschaften auch in Folgeentscheidungen kategorisch ablehnen wird.
III. Auskunftsansprüche des mittelbar beteiligten Anlegers
Noch umstrittener ist die Frage, ob und ggf. gegen wen ein als Treugeber über eine Treuhandgesellschaft an einer Publikumsgesellschaft beteiligter Anleger einen entsprechenden Auskunftsanspruch geltend machen kann. Auch hierzu sind aktuelle Entscheidungen ergangen.
1. Anspruch als Gesellschafter einer BGB-Innengesellschaft
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 11. Januar 2011 (BGH, Urt. v. 11. Januar 2011 - II ZR 187/09) entschieden, dass Anleger, welche sich als Treugeber über eine Treuhandkommanditistin an einer Publikumskommanditgesellschaft beteiligt haben, Auskunft über die Namen und Anschriften der anderen Treugeber verlangen können, wenn sie im Innenverhältnis eine BGB-Gesellschaft bilden.
Die Besonderheit in diesem Fall bestand darin, dass der Treuhandvertrag Regelungen nicht nur für das Verhältnis zwischen dem Treugeber und dem Treuhänder, sondern auch für das Rechtsverhältnis der Treugeber untereinander vorsah. Der Treuhandvertrag sah beispielsweise eine sog. Anlegerversammlung der Treugeber vor, welche die Treuhänderin zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten in der Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft anweisen kann. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist der Treuhandvertrag somit als eine gesellschaftsrechtliche Verbindung in Form einer BGB-Gesellschaft geregelt, deren Zweck die Wahrnehmung der der Anlegerversammlung eingeräumten Rechte ist. Bilden die Treugeber somit eine BGB-Innengesellschaft, ergebe sich anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur BGB-Gesellschaft (vgl. oben BGH, Hinweisbeschl. v. 21. September 2009 - II ZR 264/08) ein Anspruch gegen die Treuhandkommanditistin auf Mitteilung der Namen und Adressen der anderen Treugeber.
2. Anspruch der den Gesellschaftern gleichgestellten Treugeber
Da der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 11. Januar 2011 allein über die spezielle Vertragsgestaltung entschieden hat, dass die Treugeber eine BGB-Innengesellschaft bilden, stellt sich die Frage, ob Treugeber auch in anderen Fallgestaltungen einen entsprechenden Auskunftsanspruch haben können.
a) Entscheidungen des OLG München vom 18. Mai 2011
Diesbezüglich hat das OLG München mit Urteilen vom 18. Mai 2011 (OLG München, Urt. v. 18. Mai 2011 - 7 U 4847/10, OLG München, Urt. v. 18. Mai 2011 - 7 U 190/11) entschieden, dass einem Treugeber, welcher über eine Treuhandkommanditistin an einer Publikumsgesellschaft beteiligt ist, ein Auskunftsanspruch auch dann zusteht, wenn er mit den anderen Treugebern gerade keine BGB-Innengesellschaft bildet, sondern vielmehr unmittelbar beteiligten Kommanditisten gleichgestellt ist. Dieser Anspruch bestehe gegenüber der Publikumsgesellschaft, nicht jedoch gegenüber der Treuhandgesellschaft.
aa) Auskunftsanspruch gegen die Publikumsgesellschaft
Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (vgl. oben: BGH, Urt. v. 11. Januar 2011 - II ZR 187/09) enthielt der Treuhandvertrag keine Regelungen für das Rechtsverhältnis der Treugeber untereinander, so dass auch kein Raum für das Vorliegen einer BGB-Innengesellschaft bestand. Vielmehr seien die Treugeber aufgrund der Klauseln im Treuhand- und Gesellschaftsvertrag in Bezug auf Stimmrechte, bei der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen sowie am Gewinn und bei der Ausübung mitgliedschaftlicher Rechte nach Auffassung des OLG München wie unmittelbare Gesellschafter zu behandeln. In diesem Zusammenhang trifft das OLG München im Wesentlichen vier Feststellungen:
Erstens seien die Treugeber aufgrund der Klauseln im Treuhand- und Gesellschaftsvertrag wie unmittelbare Gesellschafter zu behandeln. Daher stünde den Treugebern gegen die Publikumsgesellschaft ein Auskunftsanspruch hinsichtlich der Namen und Anschriften sowohl der Mittreugeber als auch der Mitgesellschafter zu.
Zweitens vertritt das OLG München somit die Rechtsauffassung, dass auch einem unmittelbar beteiligten Kommanditisten gegen die Gesellschaft ein Anspruch auf Auskunft über die Namen und Anschriften der Mitgesellschafter zustehe. Dabei weist das OLG München darauf hin, dass die in § 166 HGB gesetzlich normierten Kontrollrechte des Kommanditisten zwar im Gegensatz zu den Informationsrechten des Gesellschafters einer OHG (§ 118 HGB) oder eine GbR (§ 716 BGB) stark eingeschränkt seien. Das Recht auf Kenntnis der Vertragspartner unterfalle indes nicht dem Kontrollrecht des § 166 HGB, sondern werde vielmehr aus der gesellschaftsvertraglichen Bindung abgeleitet. Ob sich der Auskunftsanspruch des unmittelbar beteiligten Kommanditisten auch auf die Namen und Anschriften der Treugeber erstreckt, lässt das OLG München im Ergebnis offen.
Drittens vertritt das OLG München unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. Januar 2011 (vgl. oben: BGH, Urt. v. 11. Januar 2011 - II ZR 187/09) ebenfalls die Auffassung, dass diesem Anspruch auch aus datenschutzrechtlichen Gründen kein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse entgegenstünde.
Viertens habe der Treugeber auch einen Anspruch auf Mitteilung der jeweiligen Beteiligungshöhe der Mitgesellschafter. Dies sei im Hinblick auf das Haftungsrisiko und das für die Einberufung von Gesellschafterversammlungen festgesetzte Quorum geboten.
bb) Auskunftsanspruch gegen die Treuhandgesellschaft
Ein Auskunftsanspruch gegenüber der Treuhandgesellschaft bestehe indes nicht. Der sich grundsätzlich aus dem Treuhandverhältnis ergebende Anspruch sei vorliegend wirksam vertraglich ausgeschlossen worden. Zwar sei ein entsprechender Ausschluss grundsätzlich unwirksam, weil damit das wesentliche Gesellschafterrecht, eine außerordentliche Gesellschafterversammlung einzuberufen, faktisch beseitigt werden würde. Dies sei vorliegend indes nicht der Fall, weil dem Treugeber hier ein entsprechender Auskunftsanspruch gegen die Gesellschaft zustehe.
b) Erneute Entscheidung des BGH erwartet
Gegen die Entscheidungen des OLG München wurde Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Der Bundesgerichtshof wird somit nicht nur über die Frage des Auskunftsanspruchs eines über eine Treuhandgesellschaft an einer Publikumsgesellschaft beteiligten Treugebers, sondern im Rahmen dessen u. a. auch über den Auskunftsanspruch des unmittelbar beteiligten Kommanditisten sowie ggf. erneut über die Frage des Geheimhaltungsinteresses aus datenschutzrechtlichen Gründen abschließend zu entscheiden haben.
IV. Zusammenfassung
Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung zeichnet sich ab, dass dem Anleger einer Publikumsgesellschaft in der Regel ein Anspruch auf Mitteilung der Namen und Anschriften seiner Mitgesellschafter zustehen wird. Hierbei ist unerheblich, ob er sich unmittelbar oder mittelbar - über eine Treuhandgesellschaft - an der Publikumsgesellschaft beteiligt hat. Je nach Ausgestaltung des Gesellschafts- und ggf. des Treuhandvertrages richtet sich der Anspruch entweder gegen die Publikumsgesellschaft oder gegen die Treuhandgesellschaft. Im Rahmen der Revision gegen die Entscheidungen des OLG München wird der Bundesgerichtshof voraussichtlich auch über die letzten noch offenen Fragen in diesem Zusammenhang zu entscheiden haben. Wir werden Sie über die zu erwartenden weiteren Entscheidungen der Instanzgerichte und des Bundesgerichtshofs zu diesem Thema informieren.
Redaktion
Redaktion: Rechtsanwalt Malte Beuster
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