Kurzinfo für Fernwärmeversorger - BGH hat erneut über eine Preisanpassungsklausel in einem Fernwärmeliefervertrag entschieden

ENERGIERECHT Nr. 12
07.11.2011 | Wibke Reimann, Dr. Fatima Massumi

BGH hat erneut über eine Preisanpassungsklausel in einem Fernwärmeliefervertrag entschieden

 * BGH, Urteil vom 13. Juli 2011, Az. VIII ZR 339/10

Der BGH hat wieder mal über eine Preisanpassungsklausel in einem Fernwärmeliefervertrag entschieden (BGH, Urteil vom 13. Juli 2011, Az. VIII ZR 339/10). Hierbei hat er nicht nur seine Urteil vom April 2011 bestätigt (vgl. unser Kurzinfo Nr. 10 vom 23. Juni 2011), sondern hat auch Aussagen zu Indizes und zum Marktelement gemacht.

Dem BGH lag diesmal eine Preisanpassungsklausel vor, die die Kostenfaktoren ausschließlich über Indizes abgebildet hat. In der Preisanpassungsklausel für den Grundpreis waren Indizes für Lohn und Investitionsgüter abgebildet. Die Preisanpassungsklausel für den Arbeitspreis sah Indizes für Lohn, HEL und Gas vor. Der Versorger setzte Gas und Öl für die Produktion von Wärme ein.

Aus dem Urteil sind im Wesentlichen die nachfolgenden Schlussfolgerungen zu ziehen:

  •     Bestätigung der Urteile vom April 2011
  •     Das Marktelement muss abgebildet werden.
  •     Investitionskosten können über einen Investitionsgüterindex abgebildet werden.
  •     Brennstoffkosten können nur bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen über einen Index abgebildet werden.


 Die Schlussfolgerungen möchten wir Ihnen näher erläutern.

 

Bestätigung der Urteile vom April 2011


Es kann nunmehr als ständige Rechtsprechung angesehen werden, dass Preisanpassungsklauseln in Fernwärmelieferverträge vorrangig an § 24 AVBFernwärmeV zu messen sind. Nur wenn der Fernwärmeliefervertrag unter die Ausnahme des § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV fällt oder mit einem Industriekunden abgeschlossen wurde, ist die Preisanpassungsklausel nach den §§ 305 ff. BGB zu prüfen.

Marktelement

Das Marktelement ist zwingend abzubilden.


Die Vorinstanz, das OLG Dresden (Urteil vom 30. November 2010, Az. 9 U 64/10), hatte die Auffassung vertreten, dass das Marktelement in einer Preisanpassungsklausel nicht berücksichtigt werden könne, weil es an einem wettbewerblichen Markt fehle. Dieser Auffassung hat der BGH eine Absage erteilt. Für die Frage, ob es einen wettbewerblichen Markt gibt, ist nach dem BGH nicht auf den lokalen Fernwärmemarkt - also nicht auf das Marktsegment Fernwärme -, sondern auf den Wärmemarkt zu schauen. Auch eine lokale Abgrenzung gibt der Wortlaut, nach dem BGH, nicht her.

Unter dem Wärmemarkt ist daher der allgemeine, d.h. der sich auch auf andere Energieträger erstreckende, Wärmemarkt gemeint.

Ob der Wärmemarkt über ein HEL-Element abgebildet werden kann, hat der BGH jedoch wieder einmal offen gelassen.

Kostenelement

Keine Kostenechheit: Der BGH hat bestätigt, dass eine Preisanpassungsklausel nach § 24 AVBFernwärmeV die Kosten nicht "echt" wiedergeben muss, d.h. die bei dem Versorger entstehenden Kosten müssen nicht spiegelbildlich in der Preisanpassungsklausel wiedergegeben werden.

Investitionskosten: Gegen die Abbildung der Investitionskosten durch einen Investitionsgüterindex hat der BGH keine Bedenken. Im Grundpreis sind die Investitions- und Vorhaltekosten des Versorgers abzubilden. Hierunter fallen in der Regel Material- und Lohnkosten. Die Abbildung der Materialkosten über einen Index, die die Preisentwicklung des investitionsgüterproduzierenden Gewerbes abbildet, hält der BGH für zulässig.

Brennstoffkosten: Die Berücksichtigung der Kostenentwicklung des eingesetzten Brennstoffs über einen Index sieht der BGH jedoch kritisch, hat die Möglichkeit jedoch nicht per se ausgeschlossen. Bei dem Kostenelement Brennstoff hat der BGH die Voraussetzung aufgestellt, dass als Bemessungsgröße nur dann ein Indikator gewählt werden kann, wenn er an die tatsächliche Entwicklung der Kosten des bei der Wärmeerzeugung überwiegend eingesetzten Brennstoffs anknüpft. Grundsätzlich ist der BGH der Auffassung, dass die Kostenentwicklung des Brennstoffs nicht über einen Index möglich ist, es sei denn, es wäre sichergestellt, dass sich die konkreten Brennstoffkosten im Wesentlichen in der gleichen Weise entwickeln, wie der eingesetzte Index. Hierbei hat der BGH jedoch leider offen gelassen, wann sich die Brennstoffkosten "in der gleichen Weise" wie der Index entwickeln. Schaut man sich jedoch die Ausführungen des BGH zur Kostenorientierung an, spricht einiges dafür, dass es hier einen Spielraum gibt. Hierfür spricht auch schon die vom BGH gewählte Formulierung "im Wesentlichen".

Beachte

Sollten Sie also Ihre Brennstoffkosten in Ihrer Preisanpassungsklausel durch einen Index abgebildet haben, bedeutet dies nicht per se, dass Ihre Preisanpassungsklausel unwirksam ist. Vielmehr können - und müssen - Sie darlegen, dass sich Ihre tatsächliche Kostenentwicklung und der Index in der Vergangenheit "gleich" entwickelt haben. Das bedeutet für Sie, dass Sie diesen Beweis zu erbringen haben.


Für den Versorger ist grundsätzlich positiv, dass nach wie vor keine Kostenechtheit vorausgesetzt wird, sondern lediglich eine Kostenorientierung. Positiv ist auch, dass es nunmehr Rechtssicherheit in Bezug auf die Frage gibt, ob ein Investitionsgüterindex zulässig ist. Dies wurde vom BGH bejaht. Es gibt jetzt auch Rechtssicherheit in der Frage, ob das Marktelement abzubilden ist. Hierbei darf der Versorger den Markt nicht zu eng abgrenzen. Leider hat der BGH jedoch wieder einmal die Frage offen gelassen, wie das Marktelement konkret abzubilden ist. Auch wenn das Urteil also in einigen Fragen Klarheit gebracht hat, lässt es noch einige Punkte offen. br>
Wir raten Ihnen daher, auch dieses Urteil des BGH zum Anlass zu nehmen, Ihre Preisanpassungsklausel zu überprüfen und ggf. neu zu gestalten.

Falls Sie noch weitere Fragen zu dieser Thematik haben, wenden Sie sich bitte an die nachstehenden Ansprechpartnerinnen.

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Wibke Reimann
Rechtsanwältin

gez.
Dr. Fatima Massumi
Rechtsanwältin

Redaktion

Redaktion: Rechtsanwältin Wibke Reimann und Rechtsanwältin Dr. Fatima Massumi

Herausgeber: Bethge.Reimann.Stari Rechtsanwälte, Berlin 

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