BGH entscheidet zu der Frage "Was ist Fernwärme"?

ENERGIERECHT Nr. 16
14.02.2012 | Wibke Reimannn, Dr. Fatima Massumi

BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, Az: VIII ZR 262/09

Der BGH hat erneut zu einem Fernwärmevertrag entschieden. Dieses Mal hat er sich jedoch nicht mit der Preisanpassungsklausel des Vertrages beschäftigt, sondern vielmehr mit der 10-jährigen Laufzeit des Vertrages und der damit einhergehenden Frage, wann eine Fernwärmeversorgung im Sinne der AVBFernwärmeV vorliegt.

Der BGH hat festgestellt

Eine Fernwärmeversorgung im Sinne der AVBFernwärmeV liegt immer nur dann vor, wenn der Versorger hohe Investitionen vornimmt, um die Wärmelieferung zu erfüllen.

Dies ist bei ausschließlichen Betriebsführungsmodellen i.d.R. nicht der Fall.

Die 10-jährige Laufzeit nach § 32 AVBFernwärmeV ist ausschließlich aufgrund der hohen Investitionen des Versorgers gerechtfertigt. In anderen Fällen ist eine 10-jährige Laufzeitvereinbarung unwirksam.

Hintergrund der Entscheidung

Im vorliegenden Fall stand die Wärmeerzeugungsanlage nicht im Eigentum des Versor­gers, sondern im Eigentum des Kunden. Der Kunde hatte in die Wärmeerzeugungsanlage selbst investiert und musste ebenfalls die Reinvestitionskosten tragen. Der Versorger hatte die Anlage zu einem symbolischen Pachtzins von 1,00 €/Jahr gepachtet und sich im Wesentlichen darauf beschränkt, die Betriebsführung der Anlage zu übernehmen und den Einsatzstoff zur Wärmeerzeugung zu liefern (= Betriebs­führungsmodell). Der Versorger vertrat die Auffassung, dass es sich um einen Fernwärmeversorgungsvertrag han­delte und die 10-jährige Vertragslaufzeit daher i.S.d. § 32 AVBFernwärmeV gelte.


Der BGH setzt sich in seiner Entscheidung sowohl mit der Auffassung in der Literatur als auch der Vorinstanz (Kammergericht Berlin) auseinander. Beiden Auffassungen erteilt er eine Absage.

In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, dass die Eigentumsverhältnisse an der Anlage für die Frage, ob eine Fernwärmeversorgung vorliegt, irrelevant sei. Es komme ausschließlich darauf an, ob der Versorger einen Dritten mit Wärme gegen Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes nach vorher festgelegten Preisen beliefern würde.

Das Kammergericht Berlin hatte ebenfalls diese Auffassung vertreten und weiter argumentiert, dass eine Wärmelieferung nach der AVBFernwärmeV davon abhänge, ob der Versorger das wirtschaftliche Risiko für den Einsatzstoff trage.

Mit beiden Auffassungen setzt sich der BGH auseinander und erteilt ihnen aufgrund der Verordnungsbegründung zur AVBFernwärmeV eine Absage. Der Verordnungsbegründung ist zu entnehmen, dass der Verordnungsgeber der AVBFernwärmeV den Zwang des Versorgers, hohe Investitionen vornehmen zu müssen, um seiner Lieferpflicht nachkommen zu können, als Wesensmerkmal des Fernwärmebegriffs ansieht. Dieses fehlt typischerweise bei ausschließlichen Betriebsführungsmodellen, bei denen der Versorger weder hohe Erstinvestitionskosten noch Reinvestitionskosten zu tragen hat. Dies hatte zur Folge, dass die Laufzeitregelung des Wärmelieferungsvertrages (10 Jahre) unwirksam war und der Vertrag somit auf unbestimmte Zeit geschlossen und jederzeit kündbar war.

Was bedeutet das für Sie?

Wenn Sie reine Betriebsführungsmodelle anbieten und diese an die AVBFernwärmeV angelehnt haben, sollten Sie diese Verträge überarbeiten. Hierbei sind wir Ihnen gerne behilflich.


Sie sollten in jedem Einzelfall prüfen, ob Ihre angebotenen Wärmelieferungsverträge vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung tatsächlich unter den Anwendungsbereich der AVBFernwärmeV fallen. Auch hierbei sind wir Ihnen gerne behilflich.


gez
Wibke Reimannn

Rechtsanwältin

gez.
Dr. Fatima Massumi
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Redaktion

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# Tags: Recht Aktuell, Energierecht, Wibke Reimann, Dr. Fatima Massumi-Kindermann