Genehmigte Netznutzungsentgelte unterliegen der Billigkeitsprüfung - aber ändert sich wirklich etwas? -
Der BGH hat aktuell zu der Frage, ob auch genehmigte Netznutzungsentgelte der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB Stellung genommen und festgestellt, dass auch die genehmigten Netznutzungsentgelte der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterliegen (BGH, Urteil vom 15. Mai 2012, Az. EnZR 105/10).
Was hat der BGH konkret entschieden?
- Genehmigte und regulierte Netznutzungsentgelte unterliegen der Billigkeitskontrolle!
ABER
- Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Netznutzer.
Hintergrund der Entscheidung:
Ein Lieferant hatte gegen den Netzbetreiber auf Rückzahlung zuviel gezahlter Netzentgelte für den Zeitraum vom 01. Oktober 2006 bis zum 31. Dezember 2006 geklagt. Die von dem Netzbetreiber in Rechnung gestellten Netznutzungsentgelte waren von der Bundesnetzagentur gem. § 23 a EnWG genehmigt gewesen. Der Lieferant war nunmehr der Auffassung, dass die genehmigten Netznutzungsentgelte mindestens um 27 % unbillig überhöht waren.
Die Vorinstanz, das OLG Naumburg (Urteil vom 09. November 2012, Az. 1 U 40/10), hatte noch die Auffassung vertreten, dass im Sinne der BGH-Rechtsprechung zur Mehrerlösabschöpfung eine nachträgliche Überprüfung der genehmigten Netzentgelte nach § 315 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sei.
Der BGH hat zwar das Urteil des OLG Naumburg insoweit bestätigt, als der Lieferant keinen Anspruch auf Rückzahlung der Netzentgelte hat, er kommt jedoch auf einem anderen Weg zu diesem Ergebnis.
Der BGH hat festgestellt, dass die Entgeltgenehmigung die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB nicht ausschließt. Ausschlaggebendes Argument für den BGH ist, dass auch dem Netznutzer ein effektiver Rechtsschutz einzuräumen sei, da der Netznutzer sonst keine Möglichkeit habe, die Angemessenheit der Netznutzungsentgelte zu überprüfen. Er habe keinen Rechtsanspruch, um im Entgeltregulierungsverfahren beigeladen zu werden. Damit könne er zu keinem Zeitpunkt die Entgeltfestsetzung zu seinen Gunsten beeinflussen. Ihm müsse daher zumindest die Möglichkeit eingeräumt werden, vor den Zivilgerichten die Netzentgelte auf ihre Billigkeit hin überprüfen zu lassen.
Soweit dieser Teil der Entscheidung zugunsten der Netznutzer ausfällt, geht der zweite Teil der Entscheidung jedoch zu deren Lasten.
Denn der BGH hat auch entschieden, dass sich der Netzbetreiber, der grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der Netzentgelte trägt, sich im ersten Schritt auf die Entgeltgenehmigung nach § 23 a EnWG stützen kann. Es obliegt dann dem Netznutzer, im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen die genehmigten Netzentgelte überhöht sein sollen. Der Netznutzer muss also die Vermutungswirkung einer angemessenen Netzentgeltgenehmigung erschüttern.
Dies wird in der Praxis für die Netznutzer eine hohe Hürde bedeuten.
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Redaktion:
Rechtsanwältin Wibke Reimann und Rechtsanwältin Dr. Fatima Massumi
BEHTGE.REIMANN.STAR Rechtsanwälte, Berlin
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