Neuregelung der Prospektpflicht und der gesetzlichen Prospekthaftung insb. bei nicht in Wertpapieren verbrieften Vermögensanlagen
Einleitung
Durch das vom Bundestag am 06. Dezember 2011 beschlossene Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts (FinAnlVG) sind u. a. die Prospektpflicht und die gesetzliche Prospekthaftung neu geregelt worden. Kernstück dieses Gesetzes ist das zum 01. Juni 2012 in Kraft getretene Vermögensanlagengesetz (VermAnlG). Dieses Gesetz regelt die Prospektpflicht und die Prospekthaftung für nicht in Wertpapiere verbriefte Vermögensanlagen und löst das bisher geltende Verkaufsprospektgesetz (VerkProsG) ab.
1. Was gilt allgemein für die Prospektpflicht und die gesetzliche Prospekthaftung?
Durch das FinAnlVG wurden die Prospektpflicht und die Prospekthaftung insgesamt neu geregelt. Wer Vermögensanlagen öffentlich anbietet respektive die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel anstrebt, muss weiterhin grundsätzlich einen Prospekt veröffentlichen und übernimmt damit auch die Haftung für fehlerhafte Prospektangaben.
Für die Börsenzulassung richten sich die Prospektpflicht nach § 3 Abs. 3 WpPG und die Prospekthaftung nunmehr nach § 21 WpPG. Bei öffentlichen Angeboten von Vermögensanlagen ist auch nach der Neuregelung zu unterscheiden, ob diese in Wertpapiere verbrieft sind oder nicht. Für in Wertpapiere verbriefte Vermögensanlagen (insbesondere Aktien und Anleihen) folgt die Prospektpflicht aus § 3 Abs. 1 WpPG und die Prospekthaftung richtet sich nach §§ 22, 24 WpPG.
Für nicht in Wertpapiere verbriefte Vermögensanlagen (wie bspw. Genussrechte oder Beteiligungen an geschlossenen Fonds), auf die nachfolgend näher eingegangen wird, richtet sich die Prospektpflicht nach § 6 Abs. 1 VermAnlG und die Prospekthaftung nach §§ 20, 21 VermAnlG. Durch das VermAnlG soll für den sog. "Grauen Kapitalmarkt" ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der sich dem regulierten Kapitalmarkt (Börsenhandel, Wertpapierhandel) weitgehend annähert.
2. Für welche Vermögensanlagen gilt das VermAnlG?
Das VermAnlG gilt nur für nicht in Wertpapiere verbriefte und im Inland öffentlich angebotene Vermögensanlagen, die in § 1 Abs. 2 VermAnlG wie folgt aufgezählt sind:
Vermögensanlagen i. S. d. VermAnlG Nicht in Wertpapier verbriefte
- Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren,
- Anteile an einem Vermögen, das der Emittent oder ein Dritter in eigenem Namen für fremde Rechnung hält oder verwaltet (Treuhandvermögen),
- Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds,
- Genussrechte und
- Namensschuldverschreibungen.
3. Welche Ausnahmen von der Prospektpflicht gibt es?
Die Regelung des § 2 VermAnlG sieht eine Reihe von Ausnahmen für einzelne Arten von Vermögensanlagen vor, für die die §§ 6 bis 26 des VermAnlG keine Anwendung finden.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf Anteile an einer Genossenschaft im Sinne des § 1 des Genossenschaftsgesetzes (§ 2 Ziffer 1 VermAnlG) sowie auf die in § 2 Ziffer 3 VermAnlG aufgeführten Angebote.
Angebote i. S. d. § 2 Ziffer 3 VermAnlG sind solche, bei denen
- von derselben Vermögensanlage nicht mehr als 20 Anteile angeboten werden,
- der Verkaufspreis der im Zeitraum von zwölf Monaten angebotenen Anteile insgesamt 100.000,00 nicht übersteigt oder
- der Preis jedes angebotenen Anteils mindestens 200.000,00 je Anleger beträgt.
4. Wie erfüllt man diese Prospektpflicht?
Nach § 6 VermAnlG besteht für Anbieter, die im Inland Vermögensanlagen anbieten, die Pflicht zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts. Die inhaltlichen Anforderungen an den Verkaufsprospekt sind in § 7 VermAnlG geregelt. Dieser wird durch die ebenfalls geänderte seit dem 01. Juni 2012 geltende Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung (VermVerkProspV) ergänzt, welche zahlreiche neue Mindestangaben normiert.
Gemäß § 8 Abs. 1 VermAnlG darf der Verkaufsprospekt nicht vor seiner Billigung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) veröffentlicht werden. Während die BaFin den Verkaufsprospekt nach dem bisher geltenden VerkProspG nur einer Vollständigkeitsprüfung unterzogen hatte, unterliegt der Verkaufsprospekt nunmehr auch einer Kohärenz- und Verständlichkeitsprüfung. Das heißt, dass die BaFin nach neuem Recht nicht nur prüft, ob der Verkaufsprospekt die gesetzlich vorgesehenen Mindestangaben enthält, sondern auch, ob dieser in sich widerspruchsfrei und aus sich selbst heraus verständlich ist.
- Achtung: Die BaFin prüft den Verkaufsprospekt weiterhin nicht auf dessen Richtigkeit! Hierauf ist auf dem Deckblatt sogar explizit hinzuweisen (§ 7 Abs. 2 VermAnlG). Zudem ist den Anbietern ausdrücklich verboten, mit Angaben zu werben, die über den Umfang der Prüfung täuschen können (vgl. § 16 Abs. 1 VermAnlG). Für die Richtigkeit des Verkaufsprospekts haftet der Emittent bzw. der Prospektverantwortliche somit auch bei einem von der BaFin geprüften Verkaufsprospekt. Nach Billigung des Verkaufsprospekts durch die BaFin ist dieser mindestens einen Werktag vor dem öffentlichen Angebot entweder im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen oder bei den im Verkaufsprospekt benannten Zahlstellen zur kostenlosen Ausgabe bereitzuhalten, was wiederum im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen ist (vgl. § 9 VermAnlG). Gemäß § 32 Abs. 4 VermAnlG sind Veröffentlichungen und Bekanntmachungen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 VermAnlG bis zum 31. Dezember 2014 zusätzlich zu der Veröffentlichung oder Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger auch in einem überregionalen Börsenpflichtblatt vorzunehmen.
5. Was versteht man unter dem sog. "Beipackzettel"?
Ein Anbieter, der im Inland Vermögensanlagen öffentlich anbietet, muss vor dem Beginn des öffentlichen Angebots neben dem Verkaufsprospekt auch ein Vermögensanlagen-Informationsblatt (sog. "Beipackzettel") erstellen, dessen Inhalt in § 13 VermAnlG vorgegeben ist. In diesem Vermögensanlagen-Informationsblatt müssen die wesentlichen Informationen über die Vermögensanlagen in übersichtlicher und leicht verständlicher Weise auf nicht mehr als drei DIN-A4-Seiten (daher der Begriff "Beipackzettel") so dargestellt werden, dass der Anleger die Vermögensanlage selbst einschätzen und insbesondere mit anderen Finanzinstrumenten vergleichen kann.
Anders als der Verkaufsprospekt unterliegt das Vermögensanlagen-Informationsblatt nicht der Prüfung der BaFin, muss bei dieser jedoch hinterlegt werden.
6. Wie ist nach dem VermAnlG die Prospekthaftung geregelt?
Der Verkaufsprospekt stellt weiterhin die zentrale Haftungsgrundlage dar, wenn dieser nicht alle wesentlichen Informationen für die Anlageentscheidung enthält bzw. die Prospektangaben falsch sind (§ 20 VermAnlG). Daneben können Haftungsansprüche auf das Fehlen des Verkaufsprospekts (§ 21 VermAnlG) und zukünftig auch auf ein unrichtiges Vermögensanlagen-Informationsblatt (§ 22 VermAnlG) gestützt werden.
Während nach dem § 13 Abs. 1 VerkProspG auf die Haftungsnormen für den fehlenden Börsenzulassungsprospekt (§§ 44 bis 47 BörsG a. F.) verwiesen wurde, wurden nunmehr mit §§ 20 - 22 VermAnlG eigene Haftungsnormen geschaffen.
Neben der Fehlerhaftigkeit des Prospekts setzt eine Haftung nach § 20 VermAnlG - wie bisher - voraus, dass der Erwerb der Vermögensanlage nach Veröffentlichung des Verkaufsprospekts und ferner während der Dauer des öffentlichen Angebots erfolgte. Das Erwerbsgeschäft muss zudem spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem ersten öffentlichen Angebot der Vermögensanlage im Inland abgeschlossen worden sein (diese Ausschlussfrist betrug vorher nur sechs Monate).
Die bisher geltende Sonderverjährungsfrist des § 46 BörsG (ein Jahr ab Kenntnis, drei Jahre kenntnisunabhängig) entfällt zu Gunsten der Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB. Danach verjährt der Prospekthaftungsanspruch nunmehr drei Jahre, nachdem der Anleger die Anlage gezeichnet hat und in tatsächlicher Hinsicht Kenntnis von der Unrichtigkeit des Prospekts erlangt hat sowie nach zehn Jahren kenntnisunabhängig.
Auch für die Haftung bei fehlendem Verkaufsprospekt (§ 21 VermAnlG) wurde die Ausschlussfrist auf zwei Jahre verlängert. Ebenso gilt die Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB.
Für das Vermögensanlagen-Informationsblatt ist in § 22 VermAnlG eine Haftungsnorm für den Fall der Irreführung, Unrichtigkeit oder Unvereinbarkeit eingeführt worden, welche sich an die Prospekthaftung anlehnt. Auch hier gilt die Ausschlussfrist von zwei Jahren. Für den Fall eines fehlenden Vermögensanlagen-Informationsblatts wurde kein Haftungstatbestand geschaffen.
7. Welche weiteren Pflichten werden dem Emittenten aufgegeben?
In den §§ 23 bis 26 VermAnlG wurden Vorschriften zur Rechnungslegung und Prüfung eingeführt. Danach ist der Emittent von Vermögensanlagen nunmehr zur Erstellung eines Jahresberichts verpflichtet, wobei der Jahresabschluss nebst Lagebericht von einem Abschlussprüfer zu prüfen ist. Dies kann - wenn der Emittent hierzu bisher nicht verpflichtet war - zu einem nicht unbedeutenden Mehraufwand führen.
Diese Bestimmungen gelten gemäß § 32 Abs. 3 VermAnlG für sämtliche Emittenten von Vermögensanlagen, deren Vermögensanlagen nach dem 01. Juni 2012 im Inland öffentlich angeboten werden und sind erstmals auf Jahresabschlüsse und Lageberichte für das nach dem 31. Dezember 2013 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden.
8. Wie sind Vermögensanlagen i. S. d. VermAnlG rechtlich auch einzuordnen?
Nach dem VermAnlG sind Vermögensanlagen nunmehr Finanzinstrumente i. S. d. Kreditwesengesetztes (KWG) sowie des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG). Dies hat u. a. zur Folge, dass Berater und Vermittler von Vermögensanlagen grundsätzlich einer Erlaubnis nach § 32 KWG bedürfen. Anlagenvermittler und Anlagenberater sind von dieser Erlaubnispflicht indes in der Regel ausgenommen. Allerdings bedürfen diese i. d. R. eine gewerberechtliche Erlaubnis, welche sich ab dem 01. Januar 2013 nach § 34f GewO richtet (vgl. hierzu unser Recht Aktuell, Bank- und Kapitalmarktrecht, Nr. 6, vom 14. September 2012).
9. Wann tritt das Gesetz in Kraft und wie sieht die Übergangsregelung aus?
Grundsätzlich findet das seit dem 01. Juni 2012 in Kraft getretene VermAnlG für alle nach dem 31. Mai 2012 im Inland veröffentlichte Verkaufsprospekte Anwendung.
Das bisher geltende VerkProspG bleibt nach der Übergangsregelung des § 32 VermAnlG für bestimmte Fallgestaltungen weiterhin anwendbar. Zum einen auf Verkaufsprospekte, die vor dem 01. Juni 2012 bei der BaFin zur Gestattung ihrer Veröffentlichung eingereicht wurden (§ 32 Abs. 1 VermAnlG) und zum anderen auf Ansprüche wegen fehlerhafter Verkaufsprospekte, die vor dem 01. Juni 2012 im Inland veröffentlicht worden sind (§ 32 Abs. 2 VermAnlG).
Redaktion
Redaktion: Rechtsanwalt Malte Beuster
Herausgeber: Bethge.Reimann.Stari Rechtsanwälte, Berlin
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