Der EuGH hat zur "AVBGasV-Preisanpassungsklausel" in Sonderverträgen entschieden!

ENERGIERECHT Nr. 25
25.03.2013 | 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in der Vergangenheit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mehrere Fragen zu Preisanpassungsklauseln in Energielieferverträgen vorgelegt. In der ersten Sache hat der EuGH nun am 21. März 2013 entschieden (EuGH, Urteil vom 21. März 2013, C-92/11). Wir möchten die Gelegenheit nutzen, Ihnen die Entscheidung zu erläutern und darzulegen, was die Entscheidung für Ihren Vertrieb bedeutet und welche Handlungsoptionen Sie haben.

 

I. Was ist passiert?

Die RWE Vertrieb AG hatte in ihren Sonderkundenverträgen auf die damals noch geltende AVBGasV verwiesen, insbesondere die Preisanpassungsklausel nach § 4 Abs. 2 AVBGasV wortwörtlich abgebildet. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hatte aus abgetretenen Recht von 25 Verbrauchern Rückzahlungen gefordert, weil die "AVBGasV-Preisanpassungsklausel" in Sonderkundenverträgen nach § 307 BGB unwirksam sei. Das Verfahren ist bis vor den BGH gegangen, der dem EuGH u. a. nachfolgende Frage vorgelegt hatte:

 

Erste Vorlagefrage:  Ist eine Klausel AGB-rechtlich überprüfbar, wenn sie auf eine gesetzliche Regelung verweist?

 

Der EuGH hat hierzu nun festgestellt:

  • Preisanpassungsklauseln die auf gesetzliche Regelungen verweisen, sind dann AGB-rechtlich überprüfbar, wenn die gesetzliche Regelung, auf die verwiesen wird, nur für andere Vertragskonstellationen gilt.

 

Für das vorliegende Verfahren bedeutet das, dass die "AVBGasV-Preisanpassungsklausel" am stregen Maßstab des § 307 BGB zu überprüfen ist, weil die AVBGasV - heute die GasGVV - nicht für Sonderkunden gilt.

 

Wichtig!  Der EuGH hat aber nicht darüber entschieden, ob die "AVBGasV-Preisanpassungsklausel" wirksam oder unwirksam ist!

 

Der EuGH hat ausdrücklich festgestellt, dass es Aufgabe des nationalen Gerichts ist - also des BGH - zu entscheiden, ob die Preisanpassungsklausel wirksam oder unwirksam ist.

 

Nichts desto trotz hat der EuGH dem BGH Hinweise dazu gegeben, wann eine Preisanpassungsklausel wirksam ist. Der BGH - der nun die "AVBGasV-Preispassungsklausel" zu prüfen hat - muss die Hinweise des EuGH berücksichtigen. Nach dem EuGH haben Preisanpassungsklauseln folgende Kriterien zu erfüllen:

  • In der Klausel müssen der Anlass und der Modus der Änderung der Entgelte so transparent dargestellt werden, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen der Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien absehen kann.
  • Der Verbraucher muss von dem ihm eingeräumten Kündigungsrecht tatsächlich Gebrauch machen können. Wir sind der Auffassung, dass diese Voraussetzung aktuell bejaht werden muss. Die Verbraucherzentrale NRW hatte darauf abgestellt, dass zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Preisanpassungen - also 2003 bis 2005 - ein Wechsel der Verbraucher faktisch nicht möglich gewesen sei, da auf dem Endkundenmarkt kein Wettbe¬werb herrschte. Zumindest hiervon ist aktuell auszugehen.

 

Der BGH muss nun also über die Wirksamkeit der "AVBGasV-Preisanpassungsklausel" in Sonderkundenverträgen unter Berücksichtigung sämtlicher Vertragsumstände entscheiden!

 

II. Was passiert als Nächstes?

Der EuGH hat die Entscheidung über die "AVBGasV-Preisanpassungsklausel" an den BGH zurückverwiesen. Vor dem Hintergrund der Hinweise des EuGH liegt es aus unserer Sicht nahe, dass der BGH von seiner bisherigen "Leitbild-Rechtsprechung" abweichen und die "AVBGasV-Preisanpassungsklausel" in Sonderkundenverträgen für unangemessen gem. § 307 BGB und somit für unwirksam halten wird. Es liegt dann in der Hand des BGH, ob er im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung den Versorgern dennoch ein Preisanpassungsrecht einräumt - vielleicht auch vor dem Hintergrund, dass die Versorger auf die "Leitbild-Rechtsprechung" des BGH vertraut hatten. Hierzu bleibt das Urteil des BGH abzuwarten.  

Zumindest wird der BGH seine Rechtsprechung zur Rückforderung von unrechtmäßigen Preisanpassungen zu berücksichtigen haben. Zugunsten der Versorger hatte der BGH am 14. März 2012 festgestellt, dass Kunden, die Gaspreiserhöhungen über mehrere Jahre widerspruchslos hingenommen haben, sich auf die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel nicht berufen können. Preiserhöhungen, die nicht innerhalb von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung, beanstandet wurden, können von den Kunden nicht angegriffen werden. Auf diese Ausschlussfrist werden sich die Versorger wohl stützen können.

 

III. Was bedeutet das für Sie?

Wenn Sie in Ihren Sonderkundenverträgen eine "AVBGasV-Preisanpassungsklausel" - Gleiches gilt für eine "GasGVV-Preisanpassungsklausel" - geregelt haben, empfehlen wir Ihnen,

  • die Entscheidung des BGH abzuwarten. Auch wenn absehbar ist, dass der BGH die Klausel für unwirksam erklären wird, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der BGH im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung eine "Hintertür" für die Versorger öffnet. Auch besteht die Möglichkeit, dass der BGH Ausführungen dazu macht, wie Versorger eine wirksame Preisanpassungsklausel zukünftig zu gestalten haben.
  • keine neuen Preisanpassungsklauseln zu gestalten. Derzeit raten wir Ihnen dazu, Ihre AGB Preisanpassungsklauseln noch nicht umzustellen, da aus unserer Sicht derzeit keine rechtssicheren Preisanpassungsklauseln in Sonderkundenverträgen gestaltet werden können.
  • alternativ darüber nachzudenken, ob Sie kurzfristige Festpreisverträge anbieten könnten. Zwar liegt das Risiko bei Festpreisverträgen mit kurzen Laufzeiten darin, dass Sie Ihre Kunden - nach Ablauf der kurzen Vertragslaufzeit - neu anschreiben müssen und dabei Kunden verlieren könnten. Dieses Risiko müssen Sie aber gegen das Risiko einer unwirksamen Preisanpassungsklausel abwägen. Insbesondere das wirtschaftliche Risiko bei kurzen Festpreisverträgen halten wir jedoch für hinnehmbar. Sie könnten z. B. kurze Lieferverträge mit einer Laufzeit vom 01. Januar bis zum 31. Dezember eines Jahres gestalten. Spätestens im Oktober eines Jahres kennen Sie die Umlagen (meist ist auch schon der Einkauf für das kommende Jahr abgewickelt), so dass Sie diese Kostenelemente in Ihre Festpreisverträge kalkulieren können. Hierdurch minimieren Sie Ihr wirtschaftliches Risiko erheblich. Wenn wir Ihnen bei der Gestaltung von Festpreisverträgen behilflich sein können, sprechen Sie uns gerne an!  

 

IV. Was bedeutet die EuGH-Entscheidung für die noch ausstehenden Entscheidungen zur Preisanpassung in Grundversorgungsverträgen?

 

Aus der EuGH-Entscheidung kann aus unserer Sicht allerdings auch geschlossen werden, dass im Bereich der Grundversorgung die "GVV-Preisanpassungsklausel" eine bindende Regelungen ist, die keiner Angemessenheitsprüfung unterliegt. § 5 Strom/GasGVV dürfte demnach nicht am strengen Maßstab des § 307 BGB geprüft werden. Dies schließt jedoch nicht aus, dass der EuGH auch in den noch ausstehenden Verfahren zumindest noch darauf hinweist, dass die § 5 Strom/GasGVV-Preisanpassungsklausel nicht den Anforderungen der Strom- und Erdgasrichtlinien entspricht. Diese Entscheidungen bleiben abzuwarten. Wir werden Sie umgehend über neuere Erkenntnisse informieren.

 

 

Redaktion:

Rechtsanwältin Wibke Reimann und Rechtsanwältin Dr. Fatima Massumi

BEHTGE.REIMANN.STAR Rechtsanwälte, Berlin

Sekretariat: Katja Schäbsdat, Tel.: 030 / 89 04 92 - 12, Fax: 030 / 89 04 92 - 10

 

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# Tags: Recht Aktuell, Energierecht, Wibke Reimann, Dr. Fatima Massumi-Kindermann, Dr. Christian Dümke, Dr. Birgit Ortlieb