BGH-Entscheidung zur Gas-Konzessionsabgabe ist da - Drittlieferanten müssen zukünftig die Sonderkunden-KA zahlen!
Der BGH hat lange auf sich warten lassen, nun hat er aber seine Entscheidungsgründe zu den zulässigen Konzessionsabgaben bei Gaslieferungen veröffentlicht (Urt. v. 06. November 2012, Az. KVR 54/11). Die Entscheidungsgründe sind nicht nur aus rechtstheoretischer Sicht interessant, sondern zwingen aus unserer Sicht alle Marktpartner dazu zu handeln. Wir möchten Sie daher nicht nur über den Inhalt der Entscheidung, sondern auch darüber informieren, was auf Sie zukommen wird und welche Handlungsmöglichkeiten Sie haben.
Bevor wir auf die wesentlichen Inhalte der Entscheidung eingehen, möchten wir nachfolgend kurz den Sachverhalt skizzieren.
Sachverhalt des BGH-Verfahrens
Der 100 % kommunale Netzbetreiber, die Gasversorgung Ahrensburg GmbH, hatte von Drittlieferanten die (höhere) Tarifkunden-KA beansprucht, weil der mit ihm assoziierte Vertrieb ausschließlich Tarifkundenverträge in seinem Netzgebiet angeboten hatte. In dem mit der Stadt vereinbarten Konzessionsvertrag hatte der Netzbetreiber vereinbart, dass dieser für die Lieferungen von Dritten Konzessionsabgaben in derselben Höhe an die Stadt zahlen wird, wie sie für eine unmittelbare Versorgung durch den mit dem Netzbetreiber assoziierten Vertrieb zu zahlen wäre. Das Bundeskartellamt hatte dem Netzbetreiber aufgegeben, zukünftig sämtliche Gaslieferungen Dritter als Lieferung an Sondervertragskunden einzustufen und die dementsprechend niedrigere Sonderkunden-KA dem Lieferanten in Rechnung zu stellen.
Der BGH hat hierzu im Wesentlichen entschieden
- Tarifkunden i. S. d. § 1 KAV seien demnach Kunden, die auf Grundlage von Grundversorgungsverträgen (§§ 36, 38 EnWG) beliefert werden. Alle übrigen Kunden seien Sondervertragskunden im Sinne der KAV.
- Ob ein Lieferant die Tarifkunden- oder die Sonderkunden-KA zu zahlen hat, bestimme sich ausschließlich nach der vertraglichen Ausgestaltung des jeweiligen Lieferverhältnisses.
- Der Netzbetreiber habe sich (kartellrechtlich) missbräuchlich verhalten. Die kartellrechtlichen Regelungen der §§ 19, 20, 29 GWB seien für 100% kommunale Netzbetreiber nicht durch das EnWG ausgeschlossen. 100 % kommunale Netzbetreiber bildeten mit der Gemeinde eine wirtschaftliche Einheit.
Was bedeutet die Entscheidung für die jeweiligen Marktpartner?
Für Netzbetreiber gilt:
- Für den Fall, dass der Gas-Konzessionsvertrag - abweichend von der aktuellen BGH-Rechtsprechung - die Möglichkeit vorsieht, auch für Sondervertragskunden von Dritten im o. g. Sinne die (höhere) Tarifkunden-KA abzurechnen, sollten Sie Ihren Konzessionsvertrag an die aktuelle Rechtsprechung anpassen.
- Es ist abzusehen, dass Drittlieferanten, die in der Vergangenheit die höhere Tarifkunden-KA gezahlt hatten, Rückforderungsansprüche geltend machen werden. Wir empfehlen Ihnen, jedes Rückforderungsbegehren im Einzelfall zu prüfen. Nicht nur aufgrund der konkreten Art und Weise der Geltendmachung könnten die Rückforderungsansprüche zurückgewiesen werden, darüber hinaus könnten Rückforderungsansprüche für vergangene Jahre bereits verjährt sein.
- Selbstverständlich sollten Sie auch Rückforderungsansprüche gegenüber Ihrem Konzessionsvertragspartner (Gemeinde/Stadt) in Betracht ziehen, wenn Ihr Unternehmen immer die hohe Tarifkunden-KA für Drittlieferanten abgeführt hat.
Für Lieferanten gilt:
- Als Grundversorger sollten Sie die Gestaltung neuer Vertriebs(sonder)produkte in Erwägung ziehen. Die Sonderkunden-KA beträgt derzeit 0,03 ct/kWh. Die Tarifkunden-KA beginnt im "günstigen Fall" bei einer Gemeinde mit 15.000 Einwohnern bei 0,22 ct/kWh und beträgt maximal 0,93 ct/kWh (bei über 500.000 Einwohnern für Koch- und Warmwasser). Die Differenz zwischen dem Preis eines Drittlieferanten zu Ihrem Grundversorgungstarif kann also bei bis zu 0,90 ct/kWh liegen. Bei einer 50 m² Wohnung mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 7.000 kWh/a bedeutet dies einen Preisvorteil i. H. v. 63,00 /a. Um also auf dem wettbewerblichen Markt überhaupt bestehen zu können, sollten Sie attraktive Sonderprodukte generieren. Netzbetreiber, die über einen verbundenen Vertrieb verfügen, sollten prüfen lassen, inwieweit eine Anpassung des Konzessionsvertrages, z. B. wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, gefordert werden kann.
- Drittlieferanten könnten mit Rückforderungsansprüchen von Endkunden belastet werden. Hierbei ist auch jeder Einzelfall zu prüfen. Neben den o.g. Erwägungen kann im Endkundenverhältnis maßgeblich sein, ob Sie dem Endkunden die Konzessionsabgabe im Rahmen eines Gesamtpreises weitergegeben haben oder als einzelne Kostenposition. Drittlieferanten, die zukünftig die geringere Sonderkunden-KA an den Netzbetreiber abführen, müssen dies aus unserer Sicht als gesunkenes Kostenelement - evtl. im Rahmen ihrer nächsten Preisanpassung - an Ihre Kunden weitergeben.
Für Gemeinden gilt:
Wie eben bereits dargestellt, können auch Gemeinden mit Rückforderungsansprüchen von ihren Konzessionsvertragspartnern belastet werden.
Gerne sind wir Ihnen bei der Prüfung von Rückforderungsansprüchen, der Anpassung Ihrer Verträge oder bei der Entwicklung neuer Vertriebsprodukte behilflich, sprechen Sie uns hierzu gerne an!
Redaktion:
Rechtsanwältin Wibke Reimann und Rechtsanwältin Dr. Fatima Massumi
BEHTGE.REIMANN.STAR Rechtsanwälte, Berlin
Sekretariat: Katja Schäbsdat, Tel.: 030 / 89 04 92 - 12, Fax: 030 / 89 04 92 - 10
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