Ende der Sozialbindung - "Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende?"

VERWALTUNGSRECHT Nr. 1
15.11.2013 | 

Im Kontext eines regelrechten Dauerbrenners, der Frage nach bezahlbarem Wohnraum in Berlin, möchten BETHGE.REIMANN.STARI auf einige praktisch besonders bedeutsame Konstellationen eingehen, die das Ende öffentlich-rechtlicher Sozialbindung betreffen.

AUSGANGSSITUATION

Mit dem Ziel, diejenigen Haushalte zu unterstützen, die sich am Markt ggf. selbst nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können, wurde in der Vergangenheit die Wohn-raumversorgung, darunter der soziale Wohnungsbau, mit öffentlichen Mitteln in Form von Aufwendungsdarlehen und Aufwendungszuschüssen gefördert.

Während der 15-jährigen ersten Phase der Grundförderung bestritten die Eigentümer geförderter Objekte ihre Einnahmen zu einem Teil aus den Mieteinnahmen und zu einem anderen Teil aus öffentlichen Mitteln, die auch dazu dienten, die Differenz der regelmäßig deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegenden "Sozialmiete" mit abzudecken.

Nach Ablauf der ersten Förderphase wurde nicht allen Objekten eine Anschlussförderung gewährt. Nachdem die Richter des Bundesverwaltungsgerichts diese Praxis für Berlin im Ergebnis bestätigten, fehlte vielen (fondsgebundenen) Investitionsvorhaben nunmehr ein die entstehenden Deckungslücken kompensierender wirtschaftlicher Anteil. Nicht immer war zudem die einseitige Erhöhung auf das Niveau der sog. Kostenmiete wirtschaftlich durchsetzbar. Trotz des Wegfalls der Anschlussförderung endete dagegen die Eigenschaft als "öffentlich gefördert" und damit auch die Sozialbindung nicht.

Viele Eigentümer geförderter Objekte sind inzwischen wirtschaftlich sanierungsbedürftig geworden. Dies hat wiederholt die Frage aufgeworfen, welche Auswirkungen bspw. ein Verkauf des Objektes auf das Ende der Sozialbindung hat.

Nach den bundesweit anwendbaren Gesetzen zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (WoBindG) und über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) war ein Ende der Eigenschaft "öffentlich gefördert" stets an die vollständige Rückzahlung des Aufwendungsdarlehens gekoppelt, was in Anbetracht der vielfach zu beobachtenden wirtschaftlichen Schieflage der Eigentümer oft zu einer sehr langen Sozialbindung führt.

HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN

Im Bundesland Berlin ist am 01. Juli 2011 das Gesetz über den sozialen Wohnungsbau (Wohnraumgesetz Berlin - WoG Bln) in Kraft getreten, das die Regelungen des Bundes im WoBindG und WoFG nunmehr teilweise landesrechtlich ersetzt bzw. ergänzt.

Dies gibt Anlass, bestehende Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, mithilfe derer ggf. ein Ausstieg aus der Sozialbindung herbeigeführt werden kann, sowie auf die Folgen des Wegfalls der Sozialbindung hinzuweisen:

Kooperationsvertragliche Lösung gem. § 3 WoG Bln

§ 3 Abs. 1 WoG Bln eröffnet(e) für geförderte Objekte der Wohnungsbauprogramme von 1972 bis 1988 die Möglichkeit, die Aufwendungsdarlehen in Höhe des auf den Rückzahl-ungszeitpunkt abgezinsten Barwertes, ggf. mit (weiterem) Abschlag von 10 %, auf kooperationsvertraglicher Basis unter Fortdauer der Mietpreisbindung bis spätestens zum Ablauf dieses Jahres - 31. Dezember 2013 - zurückzuzahlen. Die Eigenschaft "öffentlich gefördert" sollte in diesem Fall spätestens mit Ablauf des 20. Kalenderjahres nach dem Jahr der vollständigen Rückzahlung des Aufwendungsdarlehens zum Barwert enden.

Da ein entsprechender Antrag aber spätestens 6 Monate vor dem Rückzahlungstermin liegen musste, d.h. spätestens bis zum - bereits abgelaufenen - 30. Juni 2013, kommt diese Variante aktuell leider nicht mehr in Betracht.

Ob der Landesgesetzgeber diese Frist nach Auswertung der beabsichtigten Evaluation der bisherigen Ergebnisse des WoG Bln ggf. nochmals verlängern wird, ist bisher unbekannt.

Beendigungstatbestände des § 5 WoG Bln

Die wohl wichtigsten Änderungen enthält daher § 5 Abs. 1 WoG Bln.

Dieser sieht vor, dass bei Objekten, deren erste Grundförderphase nach dem 31.12.2002 ausgelaufen ist und keine Anschlussförderung erhalten haben, die Eigenschaft "öffentlich gefördert" u.a. in folgenden Fällen entfällt:

  • Im Fall der Zwangsversteigerung mit Erteilung des Zuschlages (Nr. 1)
  • Im Fall des freihändigem Verkauf im Zeitpunkt der wirksamen Übertragung des Eigentums auf den Erwerber (Nr. 2)

Durch diese Regelungen ist der Verkauf ehemals geförderter Objekte deutlich erleichtert worden, weil ein Erwerber - sei es z.B. durch Zwangsversteigerung oder freihändige Veräußerung - künftig nicht mehr der Sozialbindung unterliegt. Die Hürde der oftmals lange Zeit nachwirkenden Sozialbindung ist damit genommen. Allerdings entfällt die Bindung nicht automatisch, sondern wird von dem jeweils zuständigen Wohnungsamt nur auf Antrag schriftlich bestätigt.

  • Im Falle der Übertragung der Befugnis zur wirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks (Nr. 3)

Aus praktischen Erwägungen heraus soll auch dann ein Ende der Sozialbindung möglich sein, wenn das Eigentum zwar formal beim (bisherigen) Eigentümer verbleibt, aber langfristige Nutzungsrechte übertragen werden, so bspw. durch Nießbrauch oder Pacht. Es bedarf auch hier eines Antrags beim zuständigen Wohnungsamt.

  • Mit registerrechtlicher Eintragung des Beitritt neuer oder des Wechsels der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (KG), sobald die Haftsummen der "neuen" Gesellschafter die der "alten" Gesellschafter übersteigt (Nr. 4)
  • Mit registerrechtlicher Eintragung der Auswechslung des Komplementärs einer Kommanditgesellschaft (Nr. 5)
  • Mit Veräußerung von mehr als 50 % der Gesellschaftsanteile an der Komplementärin einer KG, wenn der Erwerber seine Rechte gegenüber der KG erstmalig ausüben darf (Nr. 6)

Nach den Neuregelungen kann sogar in Fällen des "wirtschaftlichen Eigentümerwechsels" d.h. bei bloßen Veränderungen der Gesellschaftsstruktur z.B. durch einen Wechsel der Gesellschaftermehrheit, die Auswechslung des Komplementärs oder einer Veräußerung der Mehrheit der Anteile an der Komplementär-GmbH, die Sozialbindung entfallen. Grund hierfür ist, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht der ursprüngliche Eigentümer in formaler Funktion, sondern nur der "wirtschaftliche Eigentümer" von der Rechtsänderung betroffen ist. Auch hier sind Anträge beim zuständigen Wohnungsamt notwendig.

Sämtliche Ausstiegstatbestände gelten nur für Objekte ohne weitere Anschlussförderung und finden zeitlich unbegrenzt Anwendung.

Beendigungstatbestände der § 6 und § 7 WoG Bln

Von den Möglichkeiten des vorzeitigen Endes der Eigenschaft "öffentlich gefördert" gem. § 6 und § 7 WoG Bln, die stets auch einen (teilweisen) Verzicht auf die Rückzahlung der Aufwendungsdarlehen bedeuten, wird vom Land Berlin in der Praxis nur äußerst restriktiv Gebrauch gemacht.

Bei vorzeitiger freiwilliger, unter Gewährung eines Schuldnachlass, zumindest teilweiser Rückzahlung endet die Sozialbindung gem. § 6 Abs. 1 WoG Bln (erst) mit Ablauf des 20. Kalenderjahres nach dem Jahr erfolgter Rückzahlung des vereinbarten Betrages. Diese Bindungsdauer kann - im Einzelfall - ggf. unterschritten werden, wenn das Ende der Sozialbindung planmäßig nach Maßgabe der Tilgungsbedingungen früher eintritt.

Wurde die Rückzahlung des Aufwendungsdarlehens teilweise oder vollständig erlassen, endet die Eigenschaft "öffentlich gefördert" gem. § 7 Abs. 1 WoG Bln mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem dieses nach Maßgabe seiner Tilgungsbedingungen vollständig zurückgezahlt worden wäre.

Erwähnenswert ist noch die Regelung in § 7 Abs. 2 WoG Bln. Wenn im Rahmen eines Notverkaufs ein Eigentumswechsel stattfindet und dadurch die ansonsten alternativlose Zwangsversteigerung abgewendet wird, kann die Sozialbindung unter Umständen bereits zum Ablauf des dritten Jahres nach vollzogener Eigentumsumschreibung enden.

Beendigungstatbestände des WoBindG

Neben den speziellen Vorschriften des Wohnraumgesetzes Berlin finden die allgemeinen Vorschriften des WoBindG weiterhin Anwendung.

Nach § 15 Abs. 1 lit. a WoBindG endet die Eigenschaft "öffentlich gefördert" bei Rück-zahlung des Aufwendungsdarlehens nach Maßgabe der Tilgungsbedingungen mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Aufwendungsdarlehen vollständig zurückgezahlt sind.

§ 16 WoBindG sieht grundsätzlich ein Ende der Sozialbindung mit Ablauf des zehnten Kalenderjahres nach dem Jahr der vollständigen Rückzahlung vor, wenn die Rückzahlung freiwillig vorzeitig erfolgt.

§ 17 WoBindG wird - für geförderte Objekte ohne eine Anschlussförderung - von der spezielleren (Landes-)Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 WoG Bln ersetzt, für Objekte mit Anschlussförderung gilt er weiter. Hiernach endet die Sozialbindung regelmäßig erst drei Kalenderjahre nach Erteilung des Zuschlages.

Folge des Wegfalls der Eigenschaft "öffentlich gefördert"

Als Folge des Wegfalls der Sozialbindung kann - zum Schutz der Mieter - nicht mehr die (alte) Kostenmiete verlangt werden, sondern nur noch die "örtsübliche" Vergleichsmiete.

Für den gesamten "Mieterbestand" bildet daher der Berliner Mietspiegel die Obergrenze der dann zulässigen Miete. Ausschließlich für "Neumieter", die in zeitlicher Hinsicht nach Eintragung des Erwerbers im Grundbuch in ein Mietverhältnis eintreten, kann die Miete frei, d.h. bis zur maximalen Marktmiete, bestimmt werden. Es ist daher im Einzelnen vorab zu prüfen, ob sich das Ende der Sozialbindung auch wirtschaftlich auszahlt.

FAZIT

Mit dem Wohnraumgesetz Berlin (WoG) hat der Gesetzgeber die Handlungsoptionen für Eigentümer geförderter Objekte und für potentielle Erwerber deutlich erweitert.

Zusammenfassend kann insoweit festgehalten werden:

  • kooperationsvertragliche Lösungen finden (aktuell) keine Anwendung mehr,
  • die Beendigungstatbestände des § 5 WoG Bln gelten zeitlich unbegrenzt und sind daher von besonderem Interesse für Eigentümer/Erwerber,
  • der Anwendungsbereich für § 6 und § 7 WoG Bln ist sehr gering, weil das Land Berlin nicht auf die Rückzahlung der Aufwendungsdarlehen verzichten will,
  • die Beendigungstatbestände des WoBindG gelten überwiegend weiterhin.

Wenn Sie Fragen im Zusammenhang mit dem Ausstieg aus der Sozialbindung sowie der Veräußerung oder dem Erwerb eines geförderten Objektes haben, unterstützen wir Sie selbstverständlich gerne und erarbeiten interessengerechte und wirtschaftlich sinnvolle, auf den Einzelfall zugeschnittene Lösungsmöglichkeiten.

Abschließend ist nochmals darauf hinzuweisen, dass der Landesgesetzgeber ausweislich der Begründung zum WoG Bln die mit Ablauf des Jahres 2013 erzielten Ergebnisse zunächst evaluieren will, um zu entscheiden, ob ggf. weitergehende gesetzliche Vorgaben notwendig sind. Die Entwicklung bleibt abzuwarten.

 

Redaktion:

Rechtsanwalt - FAArbR, FAVerwR -  Glenn Dammann, Rechtsanwältin Annkathrin Griesbach

BEHTGE.REIMANN.STAR Rechtsanwälte, Berlin

Sekretariat: Uta Bendrich, Tel.: 030 / 89 04 92 - 15, Fax: 030 / 89 04 92 - 10

 

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# Tags: Recht Aktuell, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Immobilienrecht, Glenn Dammann, Andreas Noack, Dr. Christian Stari