Achtung! Ab Januar 2014 gilt für Stadtwerke in Niedersachsen das Landesvergabegesetz!

ENERGIERECHT Nr. 31
17.12.2013 | 

Ab dem 01. Januar 2014 gilt für Stadtwerke in Niedersachsen das neue Tariftreue- und Vergabegesetz (NTVerG). Das NTVerG löst ein bisher sehr stadtwerkefreundliches Landesvergabegesetz ab und wird die Praxis der Stadtwerke grundlegend ändern. Die Anforderungen an eine Vergabe sind nicht nur im Vergleich zu vorher, sondern auch im Vergleich zu anderen Landesvergabegesetzen sehr hoch.

Sie müssen ab dem 01. Januar 2014 bei jeder Beschaffung von Bau-, Dienst- oder Lieferleistungen (ab einem Auftragswert von 10.000,00 EUR netto) immer das NTVerG beachten!

Wir dürfen Ihnen nachfolgend einen Überblick darüber geben, was das neue Gesetz zukünftig für Sie bedeutet.

WER hat das neue Landesvergabegesetz zu beachten?

Das neue NTVerG gilt für alle öffentlichen Auftraggeber (§ 98 Nr. 1 bis 5 GWB).

Neu ist, dass das Gesetz auch an die Sektorenauftraggeber (§ 98 Nr. 4 GWB) adressiert ist. Es gilt also für alle Netzbetreiber (Strom, Gas, Wärme oder Wasser). Für die Stadtwerke ist das die gravierendste Änderung. Das bisherige Landesvergabegesetz galt nur für die klassischen öffentlichen Auftraggeber (d.h. nur für die Gemeinden, Gemeindeverbände und Landesbehörden). Für Stadtwerke hieß das bisher, dass sie unterhalb der EU-Schwellenwerte (ab dem 01.01.2014 für Dienstleistungen 414.000,00 EUR netto und für Bauleistungen 5.186.000,00 EUR netto) das Vergaberecht i. d. R. gar nicht berücksichtigen mussten. Dies ändert sich jetzt grundlegend.

Für WELCHE AUFTRÄGE gilt das neue Landesvergabegesetz?

Das Landesvergabegesetz gilt für die Vergabe von Bau-, Dienst- oder Lieferleistung uneingeschränkt. Das bisherige Landesvergabegesetz war nur auf Bauaufträge anwendbar. Auch hier hat sich das Gesetz also deutlich verschärft.

Zur Erinnerung - Was sind Bau-, Dienst- oder Lieferleistungen? 

  • Bauaufträge umfassen alle entgeltlichen Verträge über die Erbringung von Bauleistungen. Es handelt sich dabei um sämtliche Tätigkeiten, die auf eine bauliche Anlage bezogen sind, insbesondere deren Planung, Errichtung, Instandhaltung, Änderung, Erweiterung und Demontage. Hierzu kann auch der Bau von Leitungen, BHKWs, Biogasanlage oder anderen Gebäuden gehören.
  • Lieferaufträge sind Verträge zur Beschaffung von Waren, die insbesondere den Kauf, Ratenkauf oder Leasing, Miet- oder Pachtverhältnisse betreffen.
  • Dienstleistungsaufträge sind eine Auffangkategorie. Sie erstrecken sich auf alle Verträge, die nicht der Erbringung von Bau- oder Lieferleistungen dienen (z. B. Betriebsführungsverträge).

Das NTVerG gilt bei Aufträgen ab 10.000,00 EUR netto. Der Auftragswert wurde von 30.000,00 EUR (netto) auf 10.000,00 EUR (netto) herabgesetzt. Bevor Sie also einen Auftrag vergeben, müssen Sie den Auftragswert schätzen. Bei der Schätzung des Auftragswertes müssen Sie auch die Laufzeit des Vertrages berücksichtigen.

WAS fordert das Landesvergabegesetz?

  • Die VOB/A und die VOL/A (jeweils 1. Teil) sind nunmehr auch unterhalb der EU-Schwellenwerte (und ab 10.000,00 EUR netto) anzuwenden. Es gilt also der Grundsatz, dass Sie Ihre Aufträge vorrangig in einem offenen Verfahren auszuschreiben haben. Positiv ist zwar, dass der Wertegrenzen-Erlass zur erleichterten Durchführung von freihändigen oder beschränkten Ausschreibungen weiterhin gelten soll. Der Wertgrenzen-Erlass bestimmt aber letztendlich nur die Wahl der Vergabeart. Die Vorgaben der VOL/A bzw. VOB/A für die freihändige Vergabe oder beschränkte Vergabe sind dennoch zu berücksichtigen.
  • Als Auftraggeber müssen Sie die Eignung der Bieter feststellen. Das heißt wiederum, dass Sie die Eignung der Bieter feststellen bzw. erst einmal Eignungskriterien festlegen und dem Bieter diese vorab transparent ausweisen müssen.
  • Neben der Tariftreueerklärung wird ein vergaberechtlicher Mindestlohn von 8,50 EUR je Stunde zu berücksichtigen sein. Hierzu müssen Sie entsprechende Verpflichtungserklärungen abfragen. Werden diese Verpflichtungserklärungen nicht abgegeben, müssen Sie die Angebote ausschließen.
  • Sie können bei der Vergabe umweltbezogene und soziale Vergabekriterien berücksichtigen. Ebenso verhält es sich mit der Einhaltung der ILO Kernarbeitsnormen. Auch wenn Sie grundsätzlich also selbst entscheiden können, welche Vergabekriterien Sie heranziehen, müssen Sie Ihre Vergabekriterien allen Bietern gegenüber transparent kommunizieren und dürfen diese nicht nachträglich ändern.
  • Ihre Aufträge müssen Vertragsstrafenregelungen - für den Fall, dass der Auftragnehmer gegen das Landesvergabegesetz verstößt - vorsehen. Das heißt, Sie müssen auch bei der Gestaltung ihrer Aufträge das Landesvergabegesetz berücksichtigen!

Wie Sie den Pflichten entnehmen können, gibt das neue Landesvergabegesetz strenge Vorgaben bei der Vergabe von Bau-, Dienst- und Lieferleistungen vor. Sobald Sie also annähernd an einen Auftragswert von 10.000,00 EUR (netto) herankommen, sprechen Sie uns an, damit wir prüfen können, ob das Landesvergabegesetz für Ihre Ausschreibung tatsächlich anzuwenden ist und wenn ja, wie Sie eine dementsprechende Ausschreibung gestalten können. Wir unterstützen Sie gerne sowohl bei der Konzeptionierung eines (möglichst schlanken) Verfahrens als auch bei der Erstellung aller erforderlichen Vergabeunterlagen.

 

 

Redaktion:

Rechtsanwältin Wibke Reimann und Rechtsanwältin Dr. Fatima Massumi

BEHTGE.REIMANN.STAR Rechtsanwälte, Berlin

Sekretariat: Katja Schäbsdat, Tel.: 030 / 89 04 92 - 12, Fax: 030 / 89 04 92 - 10

 

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# Tags: Recht Aktuell, Energierecht, Vergaberecht, Dr. Fatima Massumi-Kindermann, Dr. Christian Dümke, Wibke Reimann, Dr. Birgit Ortlieb