BGH Entscheidung zur Ausschreibung von Konzessionsverträgen - Die Entscheidungsgründe sind da! -

ENERGIERECHT Nr. 34
19.03.2014 | 

Wir hatten Sie bereits mit unserem RECHT AKTUELL vom 19. Dezember 2013 (Energierecht Nr. 32) über die Grundsatzentscheidungen des BGH zu Konzessionsvergaben (KZR 65/12 und KZR 66/12) informiert. Die Entscheidungsgründe liegen uns nunmehr vor. Über die zum Großteil zu befürwortenden Erwägungen des BGH möchten wir Sie gerne informieren.

Der BGH hat in seiner Entscheidung - erfreulicherweise - nicht nur Mindestvorgaben zum Vergabeverfahren festgeschrieben, sondern ist auch auf die inhaltlichen Anforderungen an eine Konzessionsvergabe (Gestaltung der Zuschlagskriterien und deren Gewichtung) eingegangen. Neben diesen wesentlichen Ausführungen hat der BGH auch einige "Randfragen" endgültig geklärt. Unter anderem ist nunmehr höchstrichterlich entschieden, dass

  • Kommunen marktbeherrschende Unternehmen im Sinne des GWB sind,
  • die Kommunen bei der Ausschreibung der Konzessionsverträge eine Doppelfunktion wahrnehmen (einerseits als Nachfrager des Netzbetriebes, andererseits als Anbieter des Wegenutzungsrechts) und
  • der örtliche Markt sich auf das Konzessionsgebiet - und nicht auf das Bundesgebiet - bezieht.

 

Basierend auf diesen Feststellungen hat der BGH nachfolgende Vorgaben für die Ausschreibung von Konzessionsverträgen gemacht: 

 

I.    Vorgaben zum Auswahlverfahren

 

Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung müssen allen interessierten Unternehmen vor Angebotsabgabe zur Verfügung gestellt werden!

Diese Vorgabe des BGH zum Auswahlverfahren verwundert nicht, zumal sie ein grund-legender Ausdruck des Diskriminierungsverbotes und des Transparenzgebotes ist. Selbstverständlich müssen die interessierten Unternehmen - vor Erstellung ihrer Angebote - wissen, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt. Die Zuschlagskriterien müssen aber auch deswegen vorher bekannt gemacht werden, weil andernfalls ein Diskriminierungspotenzial darin liegt, die Auswahlkriterien im Nachhinein (entsprechend den bereits eingegangenen Angeboten) festzulegen oder zu ändern.

Wir empfehlen Ihnen daher, bei der Ausschreibung Ihrer Konzessionsverträge - bereits vor Bekanntgabe der Ausschreibung - die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung (in der Regel durch einen Ratsbeschluss) festzulegen.

 

II.    Materielle Anforderungen bei der Ausschreibung:

Fiskalische Interessen dürfen (wenn auch eingeschränkt) berücksichtigt werden!

  • Höchstzulässige Konzessionsabgaben,
  • Folgekosten,
  • Gemeinderabatt und
  • Abrechnungsregelungen

 

stehen den Gemeinden bereits aus § 3 Konzessionsabgabenverordnung (KAV) als zulässige Leistungen zu. Zu Recht hat der BGH dem OLG Schleswig in dieser Frage eine Absage erteilt.

 

Zuschlagskriterien - § 1 EnWG (und darüber hinaus?)

Neben den eben genannten wirtschaftlichen Leistungen haben die Kommunen die Zuschlagskriterien vorrangig an § 1 EnWG (sicherer, preisgünstiger, verbraucherfreundlicher, effizienter und umweltverträglicher Netzbetrieb, der zunehmend erneuerbare Energien berücksichtigt) auszurichten. Unter einer vorrangigen Berücksichtigung ist wohl - entsprechend dem OVG Lüneburg - eine 51%ige Gewichtung zu verstehen. Im Rahmen dieser 51% steht den Gemeinden ein Beurteilungsspielraum dahingehend zu, wie sie die zum Teil widerstreitenden § 1 EnWG gewichten. 

Versorgungssicherheit darf nicht mit weniger als 25 % gewichtet werden!

Zwar macht der BGH keine verpflichtende Vorgabe dazu, dass dem Kriterium Versorgungssicherheit stets 25 % einzuräumen sind. Die Netzsicherheit mit weniger als dem Faktor 4 zu gewichten, ist aber ausdrücklich unzulässig! Der BGH begründet dies mit der fundamentalen Bedeutung des sicheren Netzbetriebes (einschließlich den Teilspektren, Zuverlässigkeit der Versorgung und Ungefährlichkeit des Betriebes der Verteilungsanlagen). In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatte die Gemeinde der Versorgungssicherheit allerdings auch nur 5,8 % zugeschrieben. Der BGH hat in diesem Zusammenhang eine willkürliche Mindergewichtung festgestellt.

Nachfolgende Leistungen in einem Konzessionsvertrag hält der BGH jedenfalls zur Gewährleistung der § 1 EnWG Ziele für unproblematisch:

  • Erdverkabelung und Leerrohre
  • Einflussmöglichkeit auf Effizienz, Sicherheit, Preisgünstigkeit, Netzerweiterung (Sicherung der Planungshoheit), Modernisierung des Netzes
  • Informations- und Nachverhandlungspflichten
  • Mitwirkungs- und Konsultationsrechte
  • Endschaft und Kaufpreis
  • Laufzeit (die Laufzeitregelung hält der BGH unter Umständen nur dann für diskriminierend, wenn nicht verbundene Unternehmen ein Sonderkündigungsrecht nicht anbieten könnten)
  • Auskunftsanspruch
  • Zusatzleistungen (entsprechend § 3 KAV)
  • Beseitigung stillgelegter Leitungen
  • Örtliche Kundenbüros und örtliche Netzstörungsstelle (unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit und Verbraucherfreundlichkeit)

  

Inhouse-Vergabe

Die bisherige Rechtsprechung hat es schon vermuten lassen. Der BGH hat es jetzt endgültig klargestellt. Eine Inhouse-Vergabe ist gemäß § 46 Abs. 4 EnWG unwirksam. Auch bei der Übertragung der Konzession an einen Eigenbetrieb muss ein Vergabeverfahren entsprechend § 46 Abs. 1 und 2 EnWG vorgeschaltet werden. Selbstverständlich stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber auch nach der Umsetzung der Dienstleistungskonzessionsrichtlinie (DKR) an § 46 Abs. 4 EnWG festhalten wird. Derzeit ist dem Inhouse-Privileg jedoch eindeutig eine Absage erklärt worden.

 

Rügeobliegenheit der Bieter

Bieter können die diskriminierende Vergabe eines Konzessionsvertrages jederzeit - zumindest bis zur Netzübertragung - geltend machen. Auch wenn wir der Auffassung des BGH in diesem Punkt nicht folgen können, müssen Sie als Kommune das Risiko in Betracht ziehen, dass nach Zuschlagserteilung ihr Auswahlverfahren angegriffen werden könnte. Wir empfehlen Ihnen daher auch ihre bereits abgeschlossenen Vergabeverfahren am Maßstab der neuen Rechtsprechung kritisch zu prüfen und ggf. die Ausschreibung zu wiederholen.

Der BGH hat den Kommunen jedoch eine äußerst praktische Handhabe mit auf den Weg gegeben, um Rechtssicherheit zu schaffen. Der BGH verweist auf § 101 a GWB. Hiernach können Bieter Verfahren nicht mehr angreifen, wenn Sie vor Zuschlagserteilung (15 Tage zuvor) über die beabsichtigte Zuschlagserteilung informiert werden.

Legt der unterlegene Bieter während dieser 15 Tage keine einstweilige Verfügung ein, wäre er präkludiert!

 

Was ist die Rechtsfolge eines diskriminierenden oder intransparenten Verfahrens?

Interessant ist, dass ein Verstoß gegen § 20 GWB nach dem BGH nicht per se die Gesamtnichtigkeit des Vertrages zur Folge hat. Der BGH stellt klar, dass das diskriminierende bzw. intransparente Verfahren sich durchaus kausal ausgewirkt haben muss. Anders als das OLG München (Urteil vom 26.09.2013; AZ: U 35 89/12 Kart zu § 3 KAV) stellt der BGH also nicht zwingend auf die Gesamtnichtigkeit ab. Hier bleibt es abzuwarten, ob der BGH sich auch zu § 3 KAV in diese Richtung bewegen wird.

 

 

 

Redaktion:

Rechtsanwältin Wibke Reimann und Rechtsanwältin Dr. Fatima Massumi

BEHTGE.REIMANN.STAR Rechtsanwälte, Berlin

Sekretariat: Katja Schäbsdat, Tel.: 030 / 89 04 92 - 12, Fax: 030 / 89 04 92 - 10

 

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# Tags: Recht Aktuell, Vergaberecht, Energierecht, Wibke Reimann, Dr. Birgit Ortlieb, Dr. Christian Dümke, Dr. Fatima Massumi-Kindermann