Insolvenzfeste Gestaltung von Lieferverträgen - Sicherheit trotz Insolvenzanfechtung!
Einleitung
Die Insolvenz eines Vertragspartners ist fast immer problematisch. Trotz des Rückgangs der Gesamtzahl der Unternehmensinsolvenzen, wurden im Jahr 2013 dennoch mehr als 25.000 Unternehmensinsolvenzverfahren eingeleitet; die Gesamtzahl der Insolvenzen - unter Berücksichtigung von Verbraucher und Nachlassinsolvenzen - belief sich im Jahr 2013 nach den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes auf 141.332. Das Risiko, dass einer Ihrer Vertragspartner insolvent wird ist damit weiterhin einer der Hauptgründe für einen Forderungsausfall.
Auch wenn die Gesamtzahl der Unternehmensinsolvenzen in den vergangenen Jahren rückläufig ist, so sollte dies keinesfalls dazu führen, die Prüfung, ob die eigenen Vertragsbeziehungen auch unter insolvenzrechtlichen Aspekten hinreichend abgesichert sind, zu vernachlässigen. Hier spielen vor allem die insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbestände eine wesentliche Rolle, so dass diese bereits bei der Vertragsgestaltung hinreichend berücksichtigt werden müssen, um sodann im Falle der Insolvenz eines Vertragspartners keine unangenehmen Überraschungen zu erleben.
Bereits bei Vertragsschluss bzw. bei der Vertragsgestaltung sollte auch eine hinreichende Absicherung für den möglichen Insolvenzfall berücksichtigt werden. Wenn der Vertragspartner in Zahlungsschwierigkeiten gerät, ist es für Sicherungsmaßnahmen häufig bereits zu spät. Tritt dieser Fall dennoch ein, ist genau abzuwägen, in welchem Umfang noch eigene Leistungen erbracht werden müssen, obwohl deren Vergütung fraglich geworden ist. Eine fortgesetzte Leistungserbringung in der irrigen Annahme für die hieraus resultierenden Forderungen ausreichend gesichert zu sein, kann im Einzelfall das Ausfallrisiko erheblich erhöhen.
Besonders problematisch ist in der Praxis die insolvenzrechtliche Anfechtung bereits geleisteter Zahlungen des insolventen Vertragspartners durch einen Insolvenzverwalter, die dazu führt, dass auch erhaltene und somit sicher geglaubte Leistungsentgelte wieder zurückgezahlt werden müssen.
Um Sie für diese Problematik zu sensibilisieren, stellen wir nachfolgend die Anfechtungstatbestände mit ihren wesentlichen Voraussetzungen in ihren Grundzügen dar:
I. Insolvenzrechtliche Anfechtungsmöglichkeiten
Die Insolvenzordnung erlaubt es dem Insolvenzverwalter bestimmte Rechtshandlungen anzufechten und die Vermögenswerte, die durch diese anfechtbaren Rechtshandlungen der Insolvenzmasse entzogen wurden, heraus zu verlangen. Die entsprechenden Regelungen finden sich in den §§ 129 ff. InsO.
Voraussetzung einer jeden Insolvenzanfechtung ist das Vorliegen einer Rechtshandlung, welche sowohl ein aktives Tun, als auch ein pflichtwidriges Unterlassen darstellen kann. Hierbei ist zu beachten, dass diese Rechtshandlung sowohl von der Insolvenzschuldnerin bzw. deren Organen (z.B. dem Geschäftsführer) begangen werden kann, als auch von dem jeweiligen Vertragspartner. Das bedeutet, dass eine Anfechtung - entgegen der weit verbreiteten irrigen Annahme - nicht schon dann ausgeschlossen ist, wenn man auf den Insolvenzschuldner gar nicht eingewirkt hat, sondern dieser vermeintlich aus freien Stücken eine Sicherheit gewährt hat oder offene Forderung bereits vor Fälligkeit bedient hat.
Entscheidend ist sodann, dass diese Rechtshandlung zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt hat, was nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anhand einer wirtschaftlichen Betrachtung zu beurteilen ist. Vereinfacht formuliert ist eine solche Gläubigerbenachteiligung stets dann anzunehmen, wenn die Gläubiger des Insolvenzschuldners ohne die Rechtshandlung besser stehen würden, was in der Regel dann der Fall, wenn ohne die Rechtshandlung Vermögenswerte noch zur Insolvenzmasse gehören würden und somit an die Gläubiger entsprechend der jeweiligen Quote verteilt werden könnten.
Damit begründet in der Regel jede Zahlung und jede Begründung bzw. Einräumung einer zusätzlichen Sicherheit - sei es durch Übereignung von Gegenständen oder die Verschaffung von Rechte an solchen Gegenständen - eine solche Gläubigerbenachteiligung, da diese Werte ohne die Zahlung oder die Einräumung der Sicherheit für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehen würden. So ist auch im Falle einer Aufrechnung gegenüber Forderungen des Insolvenzschuldners regelmäßig vom Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung auszugehen.
Kann eine solche gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung festgestellt werden, so kommt die Anfechtung bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen grundsätzlich in Betracht, wobei aus Sicht des Insolvenzverwalters nachfolgendes Stufenverhältnis besteht, welches sich an den Anforderungen an den jeweiligen Anfechtungstatbestand orientiert:
- Anfechtung wegen Unentgeltlichkeit (§ 134 InsO)
- Anfechtung wegen inkongruenter Deckung (§ 131 InsO)
- Anfechtung wegen kongruenten Deckung (§ 130 InsO)
- Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO)
Hierzu im Einzelnen:
1. Anfechtung wegen Unentgeltlichkeit
Gemäß § 134 InsO ist eine gläubigerbenachteiligende unentgeltliche Leistung anfechtbar, soweit sie in den letzten vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde. Dieser Tatbestand soll im Wesentlichen den offensichtlichen Fall von Schenkungen des Insolvenzschuldners erfassen, durch welche Vermögensgegenstände ohne eine Gegenleistung an Dritte gegeben wurden und ohne dass hierzu eine rechtliche Verpflichtung bestand.
Da dieser Fall so besonders offensichtlich ist, spielt er in der Praxis im Wirtschaftsverkehr eine eher untergeordnete Rolle und erlangt vielmehr im Bereich der Privatinsolvenzen wesentliche Bedeutung. Hier kommt es immer wieder vor, dass Privatpersonen ihr Vermögen verschenken, um es dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, um sodann jedoch in der Praxis doch noch über diese im eigenen Interesse verfügen zu können.
2. Anfechtung wegen inkongruenter Deckung
Von besonderer praktischer Relevanz ist die Anfechtung wegen Inkongruenz nach § 131 InsO. Der Tatbestand erlaubt die Anfechtung von Rechtshandlungen, die in dem Zeitraum von bis zu drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden, wobei hier hinsichtlich der Anforderungen und der Zeiträume unterschiedliche Stufen zu unterscheiden sind.
Anknüpfungspunkt für diesen Tatbestand ist die so genannte Inkongruenz. Eine solche liegt vor, wenn eine Rechtshandlung eine Sicherung oder eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die der Gläubiger nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Vereinfacht erfasst diese Regelung jede Abweichung vom bestehenden Vertrag, welche den Gläubiger begünstigt. Sei es durch Zahlungen vor Fälligkeit, Erfüllung auf anderem Wege als Zahlung (z.B. durch Abtretung anderer Vermögenswerte) sowie jede Sicherung, die der Vertrag nicht oder nicht unter den tatsächlich gegebenen Umständen vorsieht.
Typischerweise hat der Gläubiger bei einer absehbaren Krise des Vertragspartners genau an diesen Rechtshandlungen ein spezifisches Interesse, um sich vor einem Ausfall zu schützen. So werden oftmals zusätzliche - im Vertrag nicht vorgesehene - Sicherheiten vereinbart oder Vorauszahlungen verlangt, was in beiden Fällen regelmäßig einen Fall einer inkongruenten Deckung darstellt.
Die geringsten Anforderungen stellt das Gesetz an die Anfechtung von inkongruenten Rechtshandlungen, welche im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurden, da hier alleine das Vorliegen einer Inkongruenz bzgl. der gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlung ausreicht. Es ist hier insbesondere nicht erforderlich, dass der Gläubiger Kenntnis von der Krise der späteren Insolvenzschuldnerin hatte, was bedeutet, dass auch ein vollkommen gutgläubiger Vertragspartner die ihm gewährten Leistungen infolge der Anfechtung zurück gewähren muss.
Grundsätzlich ist damit jede nicht vertragsgerechte Leistung, welche im letzten Monat vor der Insolvenzantragstellung an einen Gläubiger geleistet wurde und die übrigen Gläubiger benachteiligt, als inkongruente Deckung anfechtbar.
Der Tatbestand erlaubt bei Vorliegen weiterer Umstände auch eine Anfechtung von Rechtshandlungen im zweiten und dritten Monat vor der Insolvenzantragstellung und zwar dann, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung bereits zahlungsunfähig oder überschuldet war (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO) oder aber dem Gläubiger zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung bekannt war, dass die Rechtshandlung die übrigen Gläubiger benachteiligt (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO).
Da diese beiden Voraussetzungen meist nur relativ schwer nachweisen sind, bzw. durch die gesetzlichen Insolvenzantragsfristen von höchstens drei Wochen die Voraussetzungen der Nr. 2 nur in nachweislichen Fällen der Insolvenzverschleppung erfüllt sein dürften, ist der praktische Anwendungsbereich dieser Anfechtungstatbestände als eher gering einzustufen.
3. Anfechtung wegen kongruenter Deckung
Nach Maßgabe des § 130 InsO sind auch solche Rechtshandlungen anfechtbar, die dem Gläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt haben, die vertraglich genau in dieser Form vorgesehen war (sog. Kongruenz) und zwar dann, wenn diese in den letzten drei Monaten vor der Insolvenzantragstellung vorgenommen wurden und der Insolvenzschuldner zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig oder überschuldet war und dies dem Gläubiger bekannt war (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO).
Der Gesetzgeber bringt mit dieser Regelung zum Ausdruck, dass auch vertragsgemäß erbrachte, gläubigerbenachteiligende Leistungen, dann nicht mehr schutzwürdig sind, wenn der Gläubiger Kenntnis von der Insolvenz seines Vertragspartners hatte. Folgerichtig sind daher nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO auch alle vertragsgemäßen Leistungen nach dieser Regelung anfechtbar, welche in Kenntnis des Eröffnungsantrages nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden.
Das bedeutet zugleich, dass je mehr Umstände dem Gläubiger über die wirtschaftliche Situation und somit die Krise seines Vertragspartners bekannt sind, desto höher ist das Risiko einer Anfechtung auch bei Vorliegen einer kongruenten Deckung.
Dies insbesondere auch deshalb, da § 130 Abs. 3 InsO klarstellt, dass der Kenntnis der Insolvenz und der Antragstellung die Kenntnis von Umständen gleichzustellen ist, die zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.
Dies führt dazu, dass Klauseln, welche einen Anspruch auf Nachbesicherung begründen, jedoch an Umstände anknüpfen, welche in diesem Sinne auf eine Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen, ein besonderes Risiko darstellen, die auf dieser Grundlage gewährte Sicherheit in Folge einer Anfechtung durch den Insolvenzverwalter wieder zu verlieren.
4. Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung
Schließlich erlaubt § 133 InsO sogar eine Anfechtung von gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlungen die bis zu zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden, sofern diese nachweislich mit dem Vorsatz vorgenommen wurden, die übrigen Gläubiger zu benachteiligen und der andere Teil zum Zeitpunkt der Vornahme dieser Rechtshandlung diesen Vorsatz der späteren Insolvenzschuldnerin kannte. Hierbei wird die Kenntnis des Vertragspartners vermutet, wenn ihm bekannt war, dass eine Insolvenz drohte und dass die Rechtshandlung die übrigen Gläubiger benachteiligte.
Auch wenn hier die Nachweisanforderungen für den Insolvenzverwalter sehr hoch sind, so zeichnet sich in der Rechtsprechung doch eine deutliche Tendenz ab, auch solche Anfechtungen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligungen für die Insolvenzverwalter zu erleichtern, so dass auch dieser Tatbestand an Bedeutung in der Praxis gewinnt.
II. Fazit
Die verschiedenen Anfechtungstatbestände machen Zweierlei deutlich:
Zum einen ist bereits bei Vertragsschluss auf eine hinreichende Absicherung für den Insolvenzfall zu achten, da Nachbesserungen im Angesicht der Krise des Vertragspartners ein erhebliches Anfechtungsrisiko innewohnt.
Zum anderen ist bei Eintritt und Kenntnis der Krise genau abzuwägen, in welchem Umfang noch Geschäfte mit dem Partner vollzogen werden und es ist zu prüfen, ob es Möglichkeiten gibt, ohne die Verletzung eigener Vertragspflichten, weitere eigene Leistungen zu verweigern, um das Risiko eines Ausfalls - sei es unmittelbar oder mittelbar über eine Anfechtung - so weit wie möglich zu minimieren. Eine fortgesetzte Leistungserbringung in der irrigen Annahme für die hieraus resultierenden Forderungen ausreichend gesichert zu sein, kann im Einzelfall das Ausfallrisiko erheblich erhöhen.
Diese Darstellung vermag selbstverständliche eine individuelle Beratung nicht zu ersetzen, da eine Lösung erst dann eine gute Lösung ist, wenn sie sowohl die konkreten Umstände des Einzelfalls, als auch Ihre wirtschaftlichen Interessen und Handlungsspielräume hinreichend berücksichtigt. Ohne das Bewusstsein, in diesem Bereich teilweise erhebliche Risiken einzugehen, ist die Gefahr nicht zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Schritte vorzunehmen, jedoch ungleich größer.
Gerne stehen wir Ihnen für eine solche individuelle Beratung zur Verfügung.
Redaktion:
Rechtsanwalt Andreas Noack
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