Kapitalanlagerecht Verjährungshemmung durch Güteanträge - kurzer Prozess?

BANK- UND KAPITALMARKTRECHT Nr. 12
09.05.2014 | 

Im Bereich des Kapitalanlagerechts wird fleißig geklagt. Zahlreiche Altansprüche von Anlegern aus Prospekthaftung im weiteren Sinn aus der Zeit vor dem 01. Januar 2002 verjährten jedoch zum Ende des Jahres 2011. Um die Verjährung zu hemmen, wurden damals tausende von Güteanträgen bei verschiedenen Gütestellen eingereicht. Wie sich anhand der aktuellen Rechtsprechung herausstellt, waren zahlreiche dieser Güteanträge nicht geeignet, die Verjährung zu hemmen. In diesen Fällen werden die Anlegerklagen allein wegen der erhobenen Verjährungseinrede abgewiesen.

I. Einleitung

Ansprüche wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung oder Prospekthaftung im weiteren Sinne verjähren kenntnisabhängig innerhalb von drei Jahren und kenntnisunabhängig innerhalb von zehn Jahren nach deren Entstehung (§§ 195, 199 BGB). Im Zusammenhang mit den am 01. Januar 2002 in Kraft getretenen neuen Verjährungsvorschriften, verjährten Altansprüche von Kapitalanlegern aus der Zeit vor dem 01. Januar 2002 nach der kenntnisunabhängigen Höchstfrist von zehn Jahren zum 02. Januar 2012 (§§ 199 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 i. V. m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EGBGB).

Viele Anlegerrechtsanwälte nahmen dies zum Anlass, kräftig die Werbetrommel zu rühren und Anleger davon zu überzeugen, dass ihnen Schadensersatzansprüche zustünden, die jedoch zu verjähren drohen. Aus den unterschiedlichsten Gründen wurden die vermeintlich bestehenden Ansprüche nicht sogleich mit einer Klage geltend gemacht und die Verjährung auf dieser Weise gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Stattdessen wollten viele Anlegeranwälte die nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB bestehende Möglichkeit nutzen, die Verjährung durch Einreichung eines Güteantrages bei einer entsprechenden Gütestelle zu hemmen. Zu diesem Zweck wurden von einzelnen Anlegerechtskanzleien mehrere hundert zeit- und kostensparende kurze, fast wortgleiche Güteanträge bei einer oder verschiedenen Gütestelle eingereicht. Wie sich unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung herausstellt, könnte dies ein fataler Fehler gewesen sein, weil viele dieser Güteanträge nicht geeignet waren, die Verjährung tatsächlich zu hemmen.

Die entsprechenden Anlegerklagen werden in diesen Fällen allein wegen der von der beklagten Partei erhobenen Verjährungseinrede abgewiesen (vgl. § 214 Abs. 1 BGB). Aufwendige Beweisverfahren oder die Erörterung teilweise sehr komplexer Rechtsfragen im Zusammenhang mit Prospektinhalten entfallen in diesen Fällen.

II. Welche Fehler führen zur Verjährung trotz eingeleiteter Güteverfahren?

In unserer Verfahrenspraxis konnten wir im Wesentlichen zwei Fehler feststellen, die zur fehlenden Hemmungswirkung der eingeleiteten Güterverfahren führten:

  1. Die Bekanntgabe des Güteantrages wurde aus Gründen, die der Anleger oder sein rechtlicher Berater zu vertreten hatten, nicht "demnächst" veranlasst und/oder
  2. der Güteantrag war zu unbestimmt, um die Verjährung zu hemmen.

III. Wann erfolgt die Veranlassung der Bekanntgabe nicht mehr "demnächst" und führt nicht mehr zur Hemmung der Verjährung?

Nicht die Beantragung, sondern die Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrages durch die Gütestelle hemmt gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB die Verjährung. Zahlreiche Güteanträge werden erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist eingereicht, so dass die Gütestelle die Bekanntgabe des Güteantrages an den Antragsgegner nicht mehr innerhalb, sondern erst nach Ablauf der Verjährungsfrist veranlassen kann. Ähnlich der Verjährungshemmung durch die Zustellung einer Klage sieht § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB vor, dass die Hemmung der Verjährung gleichwohl bereits mit der Einreichung des Güteantrages eintritt, wenn die Bekanntgabe "demnächst" nach der Einreichung des Antrages veranlasst wird.

Der Bundesgerichtshof hatte mit Urteil vom 22. September 2009 (BGH, Urt. v. 22. November 2009 - XI ZR 230/09) entschieden, dass bei der Beurteilung der Frage, ob eine Bekanntgabe "demnächst" im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB veranlasst worden ist, auf die für die Zustellung der Klageschrift geltende Vorschrift des § 167 ZPO und auf die zu dieser Vorschrift entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden könne. Kommt es bei der Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrages zu Verzögerungen, die auf einer Arbeitsüberlastung der Gütestelle beruhen, seien diese dem Antragssteller - so der Bundesgerichtshof - grundsätzlich nicht zuzurechnen.

Auf dieses Urteil berufen sich die anwaltlichen Vertreter der Anleger regelmäßig, wenn die Veranlassung der Bekanntgabe der Güteanträge sich verzögert hat (Oftmals haben die Antragsgegner die Güteanträge erst Monate teilweise sogar Jahre später erhalten). Dabei wird übersehen, dass die Bekanntgabe des Güteantrages nicht mehr "demnächst" veranlasst wurde, wenn die Verzögerungen von der den Güteantrag stellenden Partei oder ihrem anwaltlichen Vertreter hätten vermieden werden können (BGH, Urt. v. 22. November 2009 - XI ZR 230/09; LG München, Urt. v. 05. Dezember 2013 - 3 O 10 700/13).

Die den Antrag stellende Partei hat die Verzögerung beispielsweise dann zu vertreten, wenn sie den für die Veranlassung der Bekanntgabe vorgesehenen Kostenvorschuss nicht rechtzeitig einzahlt und die Gütestelle die Bekanntgabe aus diesem Grund nicht veranlasst (vgl. zuletzt LG München, Urt. v. 05. Dezember 2013 - 3 O 10 700/13). Die Verfahrensordnungen zahlreicher Gütestellen sehen ausdrücklich vor, dass zunächst eine der Höhe nach schon in der jeweiligen Verfahrensordnung bezifferte Antragsgebühr zu entrichten ist, bevor die Bekanntgabe des Güteantrages veranlasst wird. Hat der Antragsteller den Kostenvorschuss in diesem Fall nicht sofort eingezahlt, wird ihm die Verzögerung in der Regel zuzurechnen sein.

Selbst wenn der Antragsteller die Anforderungen eines Kostenvorschusses abwarten darf, darf er nicht länger als angemessen untätig bleiben, nachdem die Anforderung ausblieb (LG Marburg, Urt. v. 02. September 2013 - 7 O 26/13). Die Rechtsprechung sieht hierfür einen Zeitraum von ca. drei Wochen als noch angemessen an (LG Marburg, Urt. v. 02. September 2013 - 7 O 26/13). Hat der Antragsteller also erst nach Anforderung eines Kostenvorschusses gezahlt und auf diesen mehr als drei Wochen gewartet, ohne nachzufragen, wurde der Güteantrag ebenfalls nicht demnächst zugestellt, mit der Folge, dass auch hier keine Hemmung der Verjährung eintreten konnte.

IV. Welche Anforderungen sind an den Güteantrag selbst zu stellen?

Die Einreichung eines Güteantrages kann die Verjährung etwaiger Ansprüche nur dann hemmen, wenn dieser die entsprechenden Ansprüche hinreichend genau bezeichnet, sich also auf einen oder mehrere bestimmte Streitgegenstände bezieht (OLG Dresden, Beschl. v. 08. April 2014 - 5 U 1320/13; OLG München, Beschl. v. 18. März 2014 - 13 U 4100/13; OLG München, Urt. v. 06. November 2013 - 20 U 2064/13; OLG München, Beschl. v. 12. November 2007 - 19 U 4170/07; Landgericht Berlin, Urt. v. 12. November 2013 - 2 O 68/13; LG Berlin, Urt. v. 23. Oktober 2013 - 10 O 43/13; LG Frankfurt a. M., Urt. v. 11. Oktober 2013 - 2-10 O 42/13).

Zur ausreichenden Individualisierung des Streitgegenstandes muss zunächst der zugrunde liegende Lebenssachverhalt dargestellt werden (OLG Dresden, Beschl. v. 08. April 2014 - 5 U 1320/13; OLG München, Beschl. v. 18. März 2014 - 13 U 4100/13). Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn dem Schuldner die Beurteilung möglich ist, ob er sich gegen die Forderung zur Wehr setzen möchte oder nicht (vgl. BGH, Urt. v. 05. Dezember 1991 - VII ZR 106/91). Dies muss auch für den Güteantrag gelten, weil nur so dem Schuldner klar werden kann, wegen welchem Anspruch er nicht mehr auf eine künftig eintretende Verjährung vertrauen darf (OLG München, Beschl. v. 18. März 2014 - 13 U 4100/13, m. w. Nachw.).

Macht der Anleger mehrere Pflichtverletzungen geltend, muss er diese bezeichnen, weil sich die Hemmungswirkung nur auf solche Pflichtverletzungen erstreckt, die er benennt. Denn der Verjährung unterliegt der materiell-rechtliche Anspruch im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB. Mehrere materiell-rechtliche Ansprüche unterliegen jeweils einer eigenständigen Verjährung (st. Rspr., zuletzt BGH, Urt. v. 22. Oktober 2013 - XI ZR 42/12).

Für die Individualisierung des jeweiligen Lebenssachverhalts ist die - von vielen Anlegerkanzleien praktizierte - Verwendung eines formularhaft gefassten und gestalteten, zur wortgleichen Verwendung in einer Vielzahl von Fällen geeigneten und bestimmten Mustergüteantrages nicht ausreichend, weil diese den individuellen Streitfall gerade nicht darstellen (OLG Dresden, Beschl. v. 08. April 2014 - 5 U 1320/13). Für die Geltendmachung einer Beratungspflichtverletzung muss der Zeitpunkt oder Zeitraum der Beratungsgespräche zumindest eingegrenzt werden und es muss neben der Anlage auch das Zeichnungsdatum benannt werden (vgl. LG Bamberg, Urteil vom 17. Juli 2013 - 1 O 422/12; LG Frankfurt am Main, Urteil vom  11. Oktober 2013 - 2-10 O 42/13, LG Frankfurt am Main, Urteil vom 13. September 2013- 2-10 O 38/13). Es müssen auch Datum, Ort, Inhalt und Umstände der Beratung vorgetragen werden und der vermeintliche Berater namentlich benannt werden (LG Frankfurt a. M., Urt. v. 11. Oktober 2013 - 2- 10 O 42/13; LG Frankfurt a. M., Urt. v. 13. September 2013 - 2 -20 O 38/13).

Nach der Rechtsprechung zahlreicher Oberlandesgerichte gehört zur ausreichenden Individualisierung des Streitgegenstandes neben der Darstellung des Lebenssachverhaltes auch die bestimmte Bezeichnung der Rechtsfolge, was auch eine Bezifferung des Anspruchs voraussetzt (OLG Dresden, Beschl. v. 08. April 2014 - 5 U 1320/13; OLG Bamberg, Urt. v. 29. Februar 2014 - 3 U 61/13; OLG München, Urt. v. 06. November 2013 - 20 U 2064/13; LG Baden-Baden, Urt. v. 30. Dezember 2013 - 1 O 187/12).

V. Konsequenz

Für den Fall, dass Sie von Kapitalanlegern auf Schadensersatz in Anspruch genommen wurden, lohnt es sich also, zunächst die Verjährung der vermeintlichen Schadensersatzansprüche zu prüfen. Gerne stehen wir Ihnen auch hier beratend und prozessbegleitend zur Seite. Die Einrede der Verjährung kann unter bestimmten Voraussetzungen sogar noch in der Berufungsinstanz erstmals erhoben werden.

 

Redaktion:

Rechtsanwalt Malte Beuster

BEHTGE.REIMANN.STAR Rechtsanwälte, Berlin

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