Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen - Zinsen sparen mit Gefahren -
"Hätten wir doch schon damals so niedrige Zinsen gehabt" sagen sich heute viele Darlehensnehmer mit Blick auf die aktuelle Zinsentwicklung. Wie gerne würden sie ihren vor Jahren geschlossenen Darlehensvertrag mit verhältnismäßig hohen Zinsen in einen Darlehensvertrag tauschen, der zu heutigen Konditionen abgeschlossen werden kann. Die aktuelle Rechtslage scheint ihnen diese Möglichkeit zu bieten. Wer nach dem 01. November 2002 als Verbraucher einen Darlehensvertrag abgeschlossen hat, kann sein Darlehen im Einzelfall vorzeitig widerrufen und Zinsen sparen. Der Widerruf kann jedoch fatale Folgen haben, wenn man sich nicht richtig vorbereitet.
I. Die Möglichkeit des Widerrufs
Seit dem 01. November 2002 steht einem Darlehensnehmer beim Verbraucherkreditvertrag ein Widerrufsrecht zu (§ 495 Abs. 1 BGB). Danach kann der Verbraucher seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung innerhalb einer Frist von zwei Wochen widerrufen (§§ 495 Abs. 2, 355 Abs. 2 BGB). Gemäß §§ 495 Abs. 2 Nr. 1, 355 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist erst, wenn dem Verbraucher Pflichtangaben (in der "Widerrufsbelehrung") mitgeteilt worden sind, die sich aus Art. 247 § 6 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ergeben. Fehlen diese Pflichtangaben oder entsprechen sie nicht den gesetzlichen Anforderungen, kann der Darlehensnehmer das Darlehen auch noch nach Jahren widerrufen.
Viele Darlehensverträge aller großen Kreditinstitute enthalten fehlerhafte Pflichtangaben, so dass die zweiwöchige Widerrufsfrist oftmals nicht zu laufen beginnt. Diese Darlehensverträge können heute noch widerrufen werden. Selbst bereits gekündigte Darlehensverträge sollen im Einzelfall noch widerrufen werden können (vgl. zuletzt LG Köln, Urt. v. 22. Juli 2014 - 3 G 255/13). Ein Recht auf Widerruf eines Darlehensvertrages kann jedoch verwirkt sein, wenn der Darlehensvertrag beispielsweise seit Jahren zurückgezahlt ist und das Kreditinstitut angesichts der vollständigen beiderseitigen Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nicht mehr mit einem Widerruf rechnen muss (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 09. Januar 2014 - I-14 U 55/13).
II. Folgen des Widerrufs
Die Folgen eines Widerrufs sind für den Darlehensnehmer auf dem ersten Blick nur erfreulich.
Kündigt der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag vor Ablauf der Zinsfestschreibungszeit, ist er grundsätzlich zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verpflichtet. Die Vorfälligkeitsentschädigung soll den Schaden des Kreditinstituts abdecken, der ihm durch die vorzeitige Rückzahlung des Darlehens entsteht (sog. Refinanzierungs- und Margenschaden). Der Darlehensnehmer muss also auch im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrages im Wesentlichen die ursprünglich vereinbarten Zinsen zahlen.
Kann der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag indes widerrufen, kann das Kreditinstitut keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Es ist zur Rückerstattung aller vom Darlehensnehmer bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen verpflichtet. Allerdings hat der Darlehensnehmer für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten (§ 357a Abs. 3 Satz 1 BGB). Für die Vergangenheit ändert sich danach regelmäßig nichts. Für die Zukunft entfällt jedoch die Pflicht, den vertraglich vereinbarten Zinssatz zu zahlen. Ist das Darlehen durch ein Grundpfandrecht gesichert, kann nachgewiesen werden, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war als der vereinbarte Sollzins. In diesem Fall schuldet der Darlehensnehmer nur den niedrigeren Betrag (§ 357a Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB).
Durch den Abschluss eines Darlehens zu günstigeren Konditionen, kann der Darlehensnehmer seine Zinslast für die Zukunft somit im Einzelfall erheblich senken.
Zu bedenken ist jedoch, dass der Darlehensnehmer die noch offene Darlehensvaluta spätestens nach 30 Tagen zurückzahlen muss (vgl. § 357a Abs. 1 BGB). Er erhält im Gegenzug vom Kreditinstitut die von ihm eingeräumten Sicherheiten zurück. Dies setzt jedoch die Zahlung der offenen Darlehensvaluta voraus.
III. Das Problem der Anschlussfinanzierung
Die Rückzahlung der noch offenen Darlehensvaluta stellt viele Darlehensnehmer vor erhebliche Probleme. Zahlreiche Bankkunden machen von ihrem Widerrufsrechts Gebrauch, ohne sich eine Anschlussfinanzierung zu sichern. Dies kann fatale Folgen haben.
Über die Kreditinstitute ist eine Widerrufswelle geschwappt, die bei diesen zu Verlusten zumindest im dreistelligen Millionenbetrag geführt haben sollen. Die Kreditinstitute sind daher nicht mehr bereit, Darlehensverträge auf den aktuellen Zinssatz anzupassen. Vielmehr formiert sich ein kreditinstitutsübergreifender Widerstand, der sich dadurch bemerkbar macht, dass viele Kreditinstitute nicht mehr bereit sind, eine Anschlussfinanzierung für solche Darlehensnehmer zu gewähren, die - gestützt auf vermeintlich falsche Pflichtangaben - von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen.
Die 30 Tage, die der mit Wirkung zum 13. Juni 2014 in Kraft getretene § 357a Abs. 1 BGB vorsieht, ist eine kurze Zeit, um ein Kreditinstitut zu finden, das zu den gewünschten Konditionen eine Umschuldung finanziert. Durch den neu formierten Widerstand der Kreditinstitute wird eine Umschuldung noch weiter erschwert. Nach Ablauf der 30-Tage-Frist kann das Kreditinstitut seinen Rückzahlungsanspruch gerichtlich geltend machen. Es droht sogar die Zwangsvollstreckung, beispielsweise durch Zwangsversteigerung der finanzierten Immobilie. In diesem Fall kann der Widerruf statt zur erhofften Zinsersparnis zum Verlust der Immobilie führen.
IV. Fazit
Vor diesem Hintergrund sollte der Widerruf eines Darlehens nicht unvorbereitet erfolgen. Neben der Prüfung, ob die Voraussetzungen eines Widerrufs überhaupt vorliegen, sollte frühzeitig eine Anschlussfinanzierung sichergestellt werden. Auch in diesem Zusammenhang sollte sich der Darlehensnehmer rechtlich beraten und vertreten lassen.
Redaktion:
Rechtsanwalt Malte Beuster
BEHTGE.REIMANN.STAR Rechtsanwälte, Berlin
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