Bundesnetzagentur hat den Netznutzungsvertrag Strom beschlossen - Netzbetreiber müssen den Netznutzungsvertrag Strom spätestens bis zum 01. Januar 2016 umsetzen!

ENERGIERECHT Nr. 45
22.04.2015 | 

Die Bundesnetzagentur hat ihr Konsultationsverfahren zum Netznutzungsvertrag Strom am 16. April 2015 abgeschlossen und somit den neuen Netznutzungsvertrag Strom beschlossen. Bevor wir Sie darüber informieren, wie Sie die Umsetzung zum 01. Januar 2016 gewährleisten und was sich bei der inhaltlichen Abwicklung der Netznutzungsverträge für Sie zukünftig ändern wird, stellen wir Ihnen kurz dar, für welche Fälle der Netznutzungsvertrag gilt und wer ihn umsetzen muss.

Für wen gilt der Netznutzungsvertrag?

Der Netznutzungsvertrag ist von allen Netzbetreibern aller Spannungsebenen (auch von Übertragungsnetzbetreibern) anzuwenden!
Der Netznutzungsvertrag gilt ebenfalls für geschlossene Verteilernetze. Auch Betreiber von geschlossenen Verteilernetzen müssen den Netznutzungsvertrag mit Letztverbrauchern/Lieferanten abschließen.
Der Netznutzungsvertrag gilt nicht zwischen Netzbetreibern. Netzbetreiber untereinander können die Netznutzung also nach wie vor entweder separat oder im Netzkopplungsvertrag regeln.

Für welche Fälle gilt der Netznutzungsvertrag?

Der Netznutzungsvertrag Strom regelt sowohl

  • die Netznutzung durch den Letztverbraucher als auch
  • durch einen Lieferanten (Lieferantenrahmenvertrag).

Neu ist im Vergleich zum Konsultationsentwurf, dass sich der Netznutzungsvertrag ausschließlich auf Entnahmestellen (und nicht auch auf Einspeisestellen) bezieht.

I. Umsetzung spätestens bis zum 01. Januar 2016


- Neue Netznutzer

Neuen Netznutzern (Letztverbraucher oder Lieferanten) müssen Sie spätestens ab dem 01. Januar 2016 den neuen Netznutzungsvertrag Strom anbieten. Wie gehabt, müssen Sie diesen auf Ihrer Internetseite veröffentlichen. Die Umsetzung in Bezug auf "Neukunden" ist insoweit unproblematisch.

- Bisherige Netznutzer

Interessanter wird die Umsetzung gegenüber Ihren bisherigen Netznutzern. Aus unserer Sicht können Sie eine "Anpassung" nur durch eine ordentliche Kündigung Ihrer bisherigen Lieferantenrahmenverträge (und Ihrer Netznutzungsverträge mit Letztverbrauchern) und durch das (gleichzeitige) Angebot des neuen Netznutzungsvertrages erreichen. Welche Kündigungsfrist Sie zu berücksichtigen haben, hängt von Ihrer Regelung im bisherigen Lieferantenrahmenvertrag Strom ab. Sie müssen also

  1. prüfen, welche Kündigungsfrist Sie für eine Umsetzung zum 01. Januar 2016 einhalten müssen und
  2. alle Ihre Netznutzer mit einer entsprechenden Änderungskündigung anschreiben.

 

Gerne bereiten wir für Sie den gesamten Umsetzungsprozess vor, sprechen Sie uns an!

II. Inhaltliche Änderungen

Die "formale" Umsetzung des neuen Netznutzungsvertrages Strom ist nicht ausreichend. Selbstverständlich müssen Sie die neuen Regelungen gegenüber Ihren Netznutzern spätestens ab dem 01. Januar 2016 auch "leben". Auf die wesentlichen Änderungen dürfen wir Sie nachfolgend hinweisen.

1. Abweichungen und Ergänzungen zum Netznutzungsvertrag Strom

Grundsätzlich sind individuelle Vereinbarungen im Netznutzungsvertrag Strom nicht möglich. Insbesondere die bisher üblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen können nicht mehr verwendet werden. Abweichungen und Ergänzungen zum Netznutzungsvertrag Strom sind zukünftig nur noch möglich, wenn diese

  • kenntlich gemacht,
  • veröffentlicht und
  • allen Netznutzern angeboten werden.

 

Beachte:

Netzanschlussbedingungen / Netzreseverekapazitäten / Lastprofile und Schwachlastzeiten sind keine Abweichungen oder Ergänzungen zum Netznutzungsvertrag Strom, sondern werden von diesem gar nicht geregelt, so dass diese Themen ohnehin von Ihnen individuell zu regeln sind.    

2. Information der Netznutzer über geänderte Netzentgelte

Alle Netznutzer sind über geänderte Netznutzungsentgelte zu informieren. Die Veröffentlichung auf Ihrer Internetseite ist nicht mehr ausreichend. Sie müssen also ab dem 01. Januar 2016 jeden Netznutzer über jede Änderung Ihrer Netzentgelte (sei es eine vorläufige oder eine endgültige Anpassung der Netzentgelte) durch die Übersendung des Preisblattes (Excel-Datei via E-Mail) informieren. Die Bundesnetzagentur beabsichtigt hierzu einen automatisierten Kommunikationsprozess zu entwickeln. Alle Netzbetreiber sind dazu verpflichtet, der Bundesnetzagentur bis zum 01. August 2015 ein elektronisches Netzentgeltpreisblatt zu erarbeiten und der Bundesnetzagentur vorzulegen. Nach unserem Kenntnisstand erarbeiten derzeit die Verbände entsprechende Prozessbeschreibungen.

3. Abrechnungen

Die Bundesnetzagentur gibt verbindliche Strukturen zur Abrechnung von RLM-Entnahmestellen in Bezug auf

  • den Abrechnungszeitraum
  • die Berechnung des Jahresleistungspreises und
  • den Lieferantenwechsel

 

vor. Bisher haben Netzbetreiber RLM-Entnahmestellen sehr unterschiedlich abgerechnet. Insbesondere aufgrund der neuen Abrechnungsregelungen müssen Sie unter Umständen Ihr Abrechnungssystem umstellen. Bitte beachten Sie, dass die Umstellung der Abrechnungssysteme Zeit in Anspruch nimmt.

- Abrechnungszeitraum

Die Bundesnetzagentur hat sich bei RLM-Entnahmestellen gegen ein rollierendes Abrechnungssystem entschieden. Abrechnungszeitraum für RLM-Entnahmestellen ist das Kalenderjahr.

- Berechnung des Jahresleistungspreises


Für die Berechnung des Jahresleistungspreises ist auf die im Kalenderjahr gemessene Leistungsspitze abzustellen. Bei einer Leistungserhöhung erfolgt also eine Nachberechnung.

- Unterjähriger Lieferantenwechsel

  • Die Bundesnetzagentur hat nunmehr festgestellt, dass bei einer nachträglich erreichten Leistungsspitze keine Nachberechnung gegenüber dem Altlieferanten erfolgt. Zukünftig ist also für den Altlieferanten nur die in seinem Lieferzeitraum eingetretene Leistungsspitze maßgeblich. Die Nachberechnung erfolgt ausschließlich gegenüber dem Neulieferanten, die auch den Lieferzeitraum des Altlieferanten berücksichtigt.
  • Jährlich berechnete Entgelte (z. B. Abrechnungsentgelte) sind bei einem unterjährigen Lieferantenwechsel tagesscharf anteilig zu berechnen. Die Berechnung eines (doppelten) Jahresentgeltes (bei einem unterjährigen Lieferantenwechsel) käme andernfalls einer Wechselgebühr gleich und ist damit unzulässig.

4. Mehr- und Mindermengenabrechnung

Die Mehr- und Mindermengen sind zukünftig elektronisch und lieferstellenscharf abzurechnen. Sie müssen die Mehr- und Mindermengen immer gegenüber dem Lieferanten (auch wenn der Lieferant nicht Netznutzer sein sollte) berechnen. Die Bundesnetzagentur verweist bereits jetzt auf den verbands- und spartenübergreifenden Leitfaden zur Mehr- und Mindermengenabrechnung, der voraussichtlich ab dem 01. April 2016 umzusetzen ist. Der Leitfaden sieht eine einheitliche elektronische Abwicklung der Mehr- und Mindermengenabrechnung vor.

5. Unterbrechung 

- Einheitlicher Sperrauftrag

Der Netznutzungsvertrag Strom sieht als Anlage einen einheitlichen Sperrauftrag vor, der zwingend durch die Lieferanten zu verwenden ist.

- Unterbrechung innerhalb von 6 Tagen

Neu ist für den Netzbetreiber, dass die Entnahmestelle bei einer Beauftragung durch den Lieferanten innerhalb von sechs Werktagen zu unterbrechen ist. Auch hier kann es unter Umständen erforderlich sein, dass Sie entsprechende Umstellungen bei sich im Unternehmen vornehmen müssen, um die Frist ab 01. Januar 2016 einhalten zu können.

6. Vorauszahlung (es gibt keine Sicherheitsleistung mehr!)

Anders als nach dem Lieferantenrahmenvertrag Gas (KoV VII) können Netzbetreiber keine Sicherheitsleistung, sondern ausschließlich Vorauszahlung, verlangen. Hintergrund ist, dass die Bundesnetzagentur Sicherheitsleistungen nicht für sinnvoll erachtet, weil diese unter Umständen insolvenzrechtlich angefochten werden können. Nur eine Vorauszahlung kann unter Umständen insolvenzfest sein, wenn

  • Leistungen (Netznutzung) und Gegenleistung (Zahlung der Netzentgelte) unmittelbar miteinander verknüpft sind,
  • ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht und
  • die ausgetauschten Leistungen gleichwertig sind und keine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung besteht.

 

Ob die Voraussetzungen vorliegen (die Vorauszahlung also nicht angefochten werden kann) hängt maßgeblich davon ab, wie die Abwicklung der Vorauszahlung vereinbart wird.

Wir unterstützen Sie sowohl bei der Umstellung Ihrer Lieferantenrahmenverträge als auch bei der Umsetzung der einzelnen Regelungen. Sprechen Sie uns gerne an!

 

 

Redaktion:

Rechtsanwältin Wibke Reimann und Rechtsanwältin Dr. Fatima Massumi

BEHTGE.REIMANN.STAR Rechtsanwälte, Berlin

Sekretariat: Katja Schäbsdat, Tel.: 030 / 89 04 92 - 12, Fax: 030 / 89 04 92 - 10

 

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# Tags: Recht Aktuell, Energierecht, Wibke Reimann, Dr. Fatima Massumi-Kindermann, Dr. Christian Dümke, Dr. Birgit Ortlieb