Aktuelles BGH-Urteil zur Pflicht des Netzbetreibers auf Anweisung des Lieferanten die Versorgung unterbrechen zu lassen!
In der Praxis stellt sich für Netzbetreiber (aber auch für Lieferanten) immer wieder die Frage, inwiefern sie dazu verpflichtet sind, die Versorgung von Endkunden auf Anweisung von (Dritt-)Lieferanten unterbrechen zu müssen. Soweit der Fall der Versorgungsunterbrechung bei Endkunden des eigenen Vertriebs in der Praxis noch unproblematisch verläuft, ist der Fall der Versorgungsunterbrechung auf Anweisung von Drittlieferanten regelmäßig problematischer. Insbesondere wenn der Kunde an höhere Netzebenen (ab Mittelspannung/-druck) angeschlossen ist, treten Untersicherheiten auf.
In diesem Zusammenhang dürfen wir Sie auf ein aktuelles Urteil des BGH aufmerksam machen. Der BGH hat festgestellt, dass Netzbetreiber jedenfalls eine Versorgungsunterbrechung eines Drittlieferanten nicht mit der Begründung ablehnen können, dass sie nur grundversorgte Kunden unterbrechen. Ein solches Verhalten stellt einen Verstoß gegen die Pflicht zur Gewährung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs dar (§ 20 Abs. 1 Satz 1 EnWG) (BGH, Urt. v. 14. April 2015, Az. EnZR 13/14).
Was ist passiert?
Der Netzbetrieb hatte es abgelehnt, einen Anschlussnutzer in der Mittelspannung auf Anweisung des Lieferanten zu unterbrechen. Der Netzbetreiber hatte dem Lieferanten entgegen gehalten, dass er grundsätzlich nur die Versorgung von grundversorgten Kunden unterbricht.
Was hat der BGH entschieden?
- Keine Unterbrechungspflicht aus §24 N(D)AV
§ 24 Abs. 3 N(D)AV begründet keine Pflicht des Netzbetreibers, auf Anweisung des Lieferanten die Versorgung des Anschlussnutzers zu unterbrechen.
Die N(D)AV und § 24 Abs. 3 N(D)AV regelt ausschließlich das Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Anschlussnehmer bzw. Anschlussnutzer, so dass der Netzbetreiber - liegen denn die Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 N(D)AV vor - gegenüber dem Anschlussnutzer ein Unterbrechungsrecht hat. § 24 Abs. 3 N(D)AV folgt aber keine Pflicht des Netzbetreibers, der Anweisung des Lieferanten nachzukommen.
- Maßgeblich ist der Lieferantenrahmenvertrag und § 20 EnWG
Ob der Lieferant gegenüber dem Netzbetreiber einen Anspruch auf Versorgungsunterbrechung hat, bestimmt sich in erster Linie nach dem Lieferantenrahmenvertrag (zwischen dem Lieferanten und dem Netzbetreiber). Jedenfalls stellt es einen Verstoß gegen die Pflicht einen diskriminierungsfreien Netzzugang zu gewähren, wenn der Netzbetreiber die Versorgungsunterbrechung deswegen ablehnt, weil die Belieferung nicht im Rahmen der Grundversorgung erfolgt.
Der Netzbetreiber ist gem. § 20 Abs. 1 EnWG dazu verpflichtet, den Netzzugang diskriminierungsfrei zu gewähren, hierbei müssen die Regelungen für den Netzzugang so ausgestaltet sein, dass diese sachlich gerechtfertigt sind, also keinen Lieferanten ohne sachlichen Grund diskriminieren. Zu diesen Regelungen gehört auch die Versorgungsunterbrechung.
Was bedeutet die Entscheidung für die Netzbetreiber?
Die Tragweite der Entscheidung ist aus unserer Sicht begrenzt. Spätestens ab dem 01. Januar 2016 haben Netzbetreiber den von der Bundesnetzagentur vorgegebenen Netznutzungsvertrag Strom allen Lieferanten gegenüber anzubieten. § 10 Abs. 7 des Netznutzungsvertrages Strom regelt die vertragliche Pflicht des Netzbetreibers auf Anweisung des Lieferanten die Versorgung zu unterbrechen (wenn die Voraussetzungen vorliegen). Darüber hinaus gibt der Netznutzungsvertrag ein einheitliches Muster vor, nach welchem alle Lieferanten die Sperrung zu beauftragen haben. Weder die Regelungen im Lieferantenrahmenvertrag noch das Sperrauftragsmuster unterscheiden zwischen verbundenem Vertrieb, Drittlieferanten oder der Spannungsebene. Nach dem neuen Lieferantenrahmenvertrag Strom können auch keine Ergänzenden Bedingungen (die abweichendes regeln) vorgegeben werden. Ähnliches gilt für den neuen Lieferantenrahmenvertrag Gas nach der KoV VIII. Auch hierin ist die Unterbrechung hinreichend geregelt.
BRS-Anwendungshilfe für Versorgungsunterbrechungen
In unserer Praxis haben wir festgestellt, dass sowohl der Vertrieb als auch der Netzbetrieb immer wieder vor der Herausforderung einer Versorgungsunterbrechung steht. Vor diesem Hintergrund haben wir eine Anwendungshilfe für die typischen Fallkonstellationen der Versorgungsunterbrechung (sowohl aus Vertriebs- als auch aus Netzbetriebssicht) gestaltet. Die Anwendungshilfe geht auf die praxisrelevantesten Fälle und die typischen Fragestellungen ein. Bestellen Sie die Anwendungshilfe gerne mit dem beigefügten Auftragsformular.
Redaktion:
Rechtsanwältin Dr. Fatima Massumi-Kindermann
BEHTGE.REIMANN.STAR Rechtsanwälte, Berlin
Sekretariat: Katja Schäbsdat, Tel.: 030 / 89 04 92 - 12, Fax: 030 / 89 04 92 - 10
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