Ausgleichsansprüche unter Treugebergesellschaftern

IMMOBILIENRECHT Nr. 17
17.03.2016 | 

Einleitung

Mit unserer Kurzinfo Immobilienrecht Nr. 15 vom 12. Juni 2013 hatten wir umfassend die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zur Rechtsstellung von Treugebergesellschaftern in Publikumsgesellschaften dargestellt. Der BGH betont stets, dass eine direkte Haftung des Treugebergesellschafters gegenüber Gläubigern der Gesellschaft nicht besteht, der Treugebergesellschafter gegenüber dem Treuhänder jedoch zur Freistellung verpflichtet ist. Diese Rechtsprechung führt im Ergebnis dazu, dass der über eine Treuhandgesellschaft an einer Publikumsgesellschaft beteiligte Anleger, der aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung des Gesellschafts- und des Treuhandvertrages zunächst im Innenverhältnis zur Gesellschaft die Stellung eines unmittelbar beteiligten Gesellschafters inne hat, infolge seiner Verpflichtung, den Treuhänder von jedweder Haftung, die sich aus der treuhänderisch von diesem übernommenen Beteiligung ergibt, freizustellen, wirtschaftlich wie ein Direktgesellschafter haftet. Dies führt zu einer unmittelbaren Zahlungsverpflichtung des Anlegers gegenüber dem Gläubiger der Gesellschaft, sofern der Treuhänder – was ohne Einschränkungen zulässig ist – seinen sich aus dem Treuhandverhältnis ergebenden Freistellungsanspruch an eben diesen Gläubiger abgetreten hat.

In konsequenter Fortführung und Fortentwicklung dieser Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof nunmehr in einem aktuellen Urteil vom 29. September 2015 (Az: II ZR 403/13) entschieden, dass dem so erfolgreich vom Gläubiger in Anspruch genommenen Treugebergesellschafter gegenüber seinen Mittreugebergesellschaftern, die nicht in Anspruch genommen wurden, unter gewissen Voraussetzungen Innenausgleichsansprüche unmittelbar zustehen können.

I. Worum geht es?

Hintergrund für die Inanspruchnahme einzelner – über einen Treuhänder beteiligter – Anleger einer Publikumsgesellschaft wird in der Regel die Sanierungsbedürftigkeit dieser Gesellschaft sein. Diese ist nicht in der Lage, die laufenden Verpflichtungen gegenüber ihrem Gläubiger – in der Regel der Bank – zu erfüllen, so dass dieser sich veranlasst sieht, die Gesellschafter selbst im Rahmen ihrer Haftung in Anspruch zu nehmen.

Die Anleger haften gegenüber dem Gläubiger der Gesellschaft

  • als Kommanditisten, soweit sie konzeptionsbedingt mit dem Beitritt zur Gesellschaft nicht sämtliche, im Handelsregister eingetragenen Hafteinlagen auch als Pflichteinlagen erbracht haben bzw. soweit sie Ausschüttungen erhalten haben, die gem. § 172 Abs. 4 HGB zum Wiederaufleben der Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft führen;
  • als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer oHG persönlich mit ihrem Vermögen grundsätzlich unbeschränkt, in der Regel jedoch aufgrund entsprechender vertraglicher Vereinbarungen mit dem Gläubiger der Gesellschaft „lediglich“ quotal entsprechend der Höhe ihrer Beteiligung.

Sofern der Gesellschafter nicht direkt, sondern über einen Treuhänder beteiligt ist, haftet er, wie oben bereits erwähnt, über den „Umweg“ der – abgetretenen – Freistellungsansprüche des Treuhänders.

Aufgrund dieser Haftungssituation zahlen Anleger entweder direkt oder über einen für diese Zwecke eingeschalteten Sanierungstreuhänder, welcher nicht mit dem Beteiligungstreuhänder identisch ist, an den Gläubiger der Gesellschaft und tilgen damit Verbindlichkeiten der Gesellschaft.

Ein Teil der Anleger verweigert Zahlungen, so dass sich die Frage stellt, ob die zahlenden Anleger gegenüber den nicht zahlenden Anleger Ausgleichsansprüche geltend machen können.

II. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

1. Der Ausgleichsanspruch

Ein (treuhänderisch beteiligter) Gesellschafter, der, wie erläutert, Zahlungen an den Gläubiger der Gesellschaft und damit auf eine fremde Verbindlichkeit leistet, kann in einem ersten Schritt Regressansprüche gegenüber der Gesellschaft gem. § 110 HGB geltend machen.

Ist die Gesellschaft sanierungsbedürftig, wird sie sich in der Regel weigern (müssen!), den Regressanspruch zu erfüllen. Es besteht somit ein quotaler Ausgleichsanspruch des zahlenden Gesellschafters gegenüber dem nicht zahlenden Gesellschafter gem. § 426 BGB im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleiches.

Der Bundesgerichtshof hat schon früher in einem Urteil vom 17. Dezember 2001 (Az: II ZR 382/99) entschieden, dass ein solcher Ausgleichsanspruch auch dem nur treuhänderisch beteiligten Gesellschafter gegenüber direkt beteiligten Gesellschaftern zusteht. Die Frage, mit der sich der Bundesgerichtshof nunmehr auseinander zu setzen hatte, bezog sich nun auf Ausgleichsansprüche gegenüber den ebenfalls nur über einen Treuhänder beteiligten Mitgesellschafter.

Auch für diesen Fall hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 29. September 2015 das Bestehen eines unmittelbaren Ausgleichsanspruchs bestätigt. Zwar betont der Bundesgerichtshof, dass ein treuhänderisch beteiligter Gesellschafter nicht unmittelbar im Außenverhältnis haftet, weshalb ein externer Gläubiger den treuhänderisch beteiligten Gesellschafter nur über den „Umweg“ der abgetretenen Freistellungsansprüche des Treuhänders in Anspruch nehmen kann; im Rahmen der Geltendmachung von Innenausgleichsansprüchen jedoch dürfe sich – so der Bundesgerichtshof – der Mittreugebergesellschafter auf seine fehlende Außenhaftung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht berufen. Er könne seine fehlende unmittelbare Haftung seinem Mitgesellschafter gegenüber nicht einwenden. Im Ergebnis soll somit einem Treugebergesellschafter gegenüber dem anderen Treugebergesellschafter ein unmittelbarer Ausgleichsanspruch entsprechend der Regelung des § 426 BGB zustehen.

2. Voraussetzungen für das Bestehen des Innenausgleichsanspruchs

Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs ergibt sich, dass folgende Voraussetzungen grundsätzlich vorliegen müssen:

  • bei der Gesellschaft handelt es sich um einen Sanierungsfall;
  • die die Innenausgleichsansprüche geltend machenden Gesellschafter haben im Hinblick auf eine bestehende Außenhaftung bzw. im Hinblick auf entsprechende Freistellungsansprüche des Treuhandgesellschafters Zahlungen an den Gläubiger der Gesellschaft geleistet;
  • die Gesellschaft weigert sich – gleich aus welchem Grund –, Regressansprüche der Gesellschafter zu erfüllen;
  • die nunmehr im Wege des Innenausgleichs in Anspruch genommenen Gesellschafter werden nicht schlechter gestellt, als sie im Falle einer infolge des Scheiterns der Sanierung unvermeidbaren Insolvenz der Gesellschaft stünden.

Gerade der letzte Punkt wird vom Bundesgerichtshof besonders hervorgehoben. In diesem Fall spricht der Bundesgerichtshof dem in Anspruch genommenen Mitgesellschafter ein anerkennenswertes Interesse daran ab, sich der grundsätzlich wirtschaftlich sinnvollen Sanierung zu verweigern.

III. Fazit

Dogmatisch vermag die Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht in jedem Detail zu überzeugen. Sie erscheint auf den ersten Blick recht ergebnisorientiert. Wirtschaftlich hingegen überzeugt sie sehr, führt sie doch dazu, dass die Lasten einer wirtschaftlich sinnvollen Sanierung gleichmäßig auf die haftenden Gesellschafter entsprechend der Höhe der jeweiligen Beteiligungs- und Haftungsquote verteilt werden können. Die sanierungswilligen Gesellschafter haben somit die Möglichkeit, die Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden, um dann außerhalb der Insolvenz eine gleichmäßige Belastung der betroffenen und von der Sanierung letztlich begünstigten Gesellschafter herbeizuführen.

Dogmatisch lässt sich dies durchaus stärker begründen, als es der Bundesgerichtshof in dem aktuellen Urteil getan hat. Mit seinem Urteil vom 11. Januar 2011 (Az: II ZR 187/09) hatte der Bundesgerichtshof die treuhänderisch beteiligten Gesellschafter jedenfalls bei entsprechender Ausgestaltung der Treuhandverträge als eine Art Innen-GbR qualifiziert. Auf dieser Ebene lässt sich ein Ausgleichsanspruch unter diesen Gesellschaftern der Innen-GbR unserer Auffassung nach besser begründen.

Letztlich dürfte es für die Praxis auf die rechtsdogmatische Begründung im Detail jedoch nicht weiter ankommen. Bei Beachtung der notwendigen Voraussetzungen wird es nunmehr leichter möglich sein, bei sanierungsbedürftigen Gesellschaftern die Gesellschafter gleichmäßig mit den Kosten der Sanierung zu belasten.

 

Redaktion:

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Christian Stari

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# Tags: Recht Aktuell, Immobilienrecht, Dr. Christian Stari