BGH entscheidet zu Sonderkündigungsrecht bei Steuer- und Abgabenklauseln
Der BGH hat am 05. Juli 2017, Az. VIII ZR 163/16 über die Wirksamkeit einer sog. „Steuer- und Abgabenklausel in Energielieferverträgen mit Haushaltskunden entschieden. Solche Klauseln haben regelmäßig den Zweck, Änderungen von Steuern, Abgaben oder sonstigen hoheitlichen Belastungen, die den Energiepreis beeinflussen, an den Kunden weitergeben zu können.
Der BGH hat hierzu festgestellt, dass auch Änderungen des Energielieferpreises, die durch die Anwendung einer Steuer- und Abgabenklausel ausgelöst werden, ein Sonderkündigungsrecht des Kunden gem. § 41 Abs. 3 EnWG begründen. Eine Klausel die bei kundenfeindlichster Auslegung dem Kunden dieses Sonderkündigungsrecht nicht gewährt ist unzulässig.
Diese aktuelle Entscheidung ist relevant für alle Energielieferanten, die in ihren Lieferbedingungen ein Preisanpassungsrecht zur Weiterbelastung von Steuern, Abgaben und Umlagen an den Kunden verwenden.
Was ist der Hintergrund des Verfahrens?
In dem Verfahren Az. VIII ZR 163/16 wurde ein Energieversorger von einer Verbraucherschutzzentrale auf Unterlassung in Anspruch genommen. Dem Versorger sollte gerichtlich untersagt werden, die bisher verwendete Steuer – und Abgabenklausel gegenüber seinen Kunden weiterhin zu verwenden.
In der streitigen Klausel hatte sich der Energieversorger für den Fall von neu eingeführten, weggefallenen oder geänderten Steuern, Abgaben oder sonstigen hoheitlichen Belastungen Preisanpassungen vorbehalten. Nach Auslegung des Vertrages durch den BGH war nicht sichergestellt, dass den Kunden im Falle einer entsprechenden Preisänderung ein Sonderkündigungsrecht gemäß § 41 Abs. 3 EnWG zustehen sollte.
Das OLG Düsseldorf als Vorinstanz hatte die Verwendung der Klausel bereits als unzulässig gewertet, der BGH hat diese Entscheidung nunmehr bestätigt.
Wie begründet der BGH seine Entscheidung?
In seiner Entscheidung vertritt der BGH die Auffassung, dass auch eine Änderung des vom Kunden zu zahlenden Lieferpreises, die lediglich auf der Weitergabe von geänderten Steuern und Abgaben beruht eine „Änderung der Vertragsbedingungen“ darstellt. In diesem Fall ordnet § 41 Abs. 3 EnWG an, dass dem Kunden ein Sonderkündigungsrecht gewährt werden muss. Eine Klausel, die bei kundenfeindlichster Auslegung hiergegen verstößt, ist unzulässig.
Ist jede Art von Steuer- und Abgabenklauseln betroffen?
In der vom BGH konkret betrachteten Klausel sollte der Versorger nach dem Wortlaut im Falle von Steuer– und Abgabenänderungen zu Preisanpassungen „berechtigt“ sein. Der BGH betont in seiner Entscheidung den Umstand, dass die Klausel damit nach ihrem Wortlaut keine automatische Weitergabe von Steuern oder Abgaben vorsehen würde. Der Versorger habe sich vielmehr für Preisanpassungen einen eigenen Ermessensspielraum vorbehalten. Allein deshalb handele es sich bei entsprechenden Preisanpassungen um eine einseitige Änderung der Vertragsbedingungen durch den Versorger, die gemäß § 41 Abs. 3 EnWG der Gewährung eines Sonderkündigungsrechtes bedürfen.
Die Argumentation des BGH könnte im Umkehrschluss so gedeutet werden, dass bei vertraglichen Preisregelungen, nach deren Inhalt automatisch und ohne jeden weiteren Entscheidungsspielraum des Versorgers im Einzelfall Steuern und Abgaben in der jeweils gültigen Höhe an den Kunden weiterberechnet werden sollen, ein Sonderkündigungsrecht nicht gewährt werden muss.
Was bedeutet die Entscheidung des BGH für Sie?
Als Energielieferant sollten Sie ihre Lieferbedingungen kritisch überprüfen, ob diese unter Beachtung der vom BGH aufgestellten Grundsätze eine möglicherweise unzulässige Steuer- und Abgabenklausel enthalten. In diesem Fall besteht Handlungsbedarf, um Unterlassungsklagen von Verbraucherschutzzentralen oder Rückforderungsansprüche von betroffenen Kunden zu vermeiden.
Sprechen Sie uns gerne an, wenn wir Sie bei der Vertragsprüfung unterstützen können.
Redaktion:
Rechtsanwat Dr. Christian Dümke
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