BGH verneint Prozessführung im Wege der „actio pro societate“

Gesellschaftsrecht Nr. 7
05.02.2018 | 

Der BGH hat am 19. Dezember 2017 (Az. II ZR 255/16) über die Befugnis eines Kommanditisten zur unmittelbaren Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH entschieden.

Der BGH hat klargestellt, dass über die anerkannten Grundsätze der actio pro socio eine Ausweitung der Prozessführungsbefugnis auf eine actio pro societate nicht zulässig ist, so dass es dem Kommanditisten einer GmbH & Co. KG nicht möglich ist, unmittelbar Schadensersatzansprüche gegenüber dem Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH geltend zu machen.

In der Entscheidung wird vielmehr eine Lösung über die unmittelbare Anwendung der Grundsätze der actio pro socio aufgezeigt, mit welcher eine weitere Ausweitung der Prozessführungsbefugnis der Gesellschafter für ihre Gesellschaft entbehrlich gemacht wird.

Was ist der Hintergrund des Verfahrens?

In dem Verfahren ging es um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, welcher durch schuldhafte Pflichtverletzungen einen Schaden bei der GmbH & Co. KG verursacht haben sollte, indem er für die GmbH & Co. KG wissentlich ein Grundstück zu einem weit überhöhten Preis angekauft hatte.

Da die GmbH & Co. KG durch gerade diesen Geschäftsführer vertreten wird, ergab sich die Problematik, dass dieser eigentlich verpflichtet gewesen wäre, entsprechende Schadensersatzansprüche sich selbst gegenüber geltend zu machen. Da die Kommanditisten der GmbH & Co. KG naheliegender Weise davon ausgingen, dass er entsprechende Schritte nicht einleiten würde, haben die Kommanditisten im eigenen Namen unmittelbar gegenüber dem Geschäftsführer entsprechende Schadensersatzansprüche der Gesellschaft geltend gemacht und Zahlung an die GmbH & Co. KG verlangt.

Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, hat das Berufungsgericht der hiergegen eingelegten Berufung teilweise stattgegeben und hat den Geschäftsführer zur Zahlung von Schadensersatz an die GmbH & Co. KG verurteilt. Das Berufungsgericht hatte die Prozessführungsbefugnis der Kläger aus den Grundsätzen der actio pro socio hergeleitet. Die Anwendbarkeit wurde damit begründet, dass die Kommanditisten als Kläger ein besonderes Interesse daran hätten, Ansprüche der Kommanditgesellschaft gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH durchzusetzen.

Wie begründet der BGH seine Entscheidung?

Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung klargestellt, dass sich die Gesellschafter nicht auf eine Prozessführungsbefugnis nach den Grundsätzen der actio pro socio berufen können.

Als actio pro socio wird die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Gesellschaftsverhältnis durch einen Gesellschafter im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft bezeichnet. Sie wurzelt im Gesellschaftsverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2010, Az: II ZR 69/09 sowie Urteil vom 13. Mai 1985, Az: II ZR 170/84).

Mit dem in der Entscheidung streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch der GmbH & Co. KG gegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH wird jedoch kein Anspruch gegen einen Mitgesellschafter geltend gemacht, sondern gegen einen Nicht-Gesellschafter. Der BGH hat klargestellt, dass die Einziehung einer Gesellschaftsforderung bei einer Personenhandelsgesellschaft ein Akt der Geschäftsführung ist, der grundsätzlich Aufgabe der geschäftsführenden Gesellschafter ist. Die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen der GmbH & Co. KG gem. § 43 Abs. 2 GmbHG analog gegen einen Fremdgeschäftsführer obliegt damit der geschäftsführenden Gesellschafterin, der Komplementär-GmbH.

Der erkennende Senat führt weiter aus, dass eine Prozessführungsbefugnis im Wege der actio pro socio für Ansprüche der Kommanditgesellschaft gegen einen geschäftsführenden Gesellschafter grundsätzlich für möglich angesehen werde, diese Grundsätze jedoch nicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Dritten, also Nicht-Gesellschaftern ausgeweitet werden können. Er stellt klar, dass eine Erweiterung dieser Grundsätze auch nicht deshalb angezeigt sei, da davon auszugehen sei, dass ein Fremdgeschäftsführer einer Komplementär-GmbH Ansprüche der KG nicht sich selbst gegenüber geltend machen würde. Dies führt allerdings nicht dazu, dass der BGH eine Prozessführungsbefugnis für einen unmittelbaren Durchgriff der Ansprüche der GmbH & Co. KG gegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH für erforderlich hält. Vielmehr stellt er klar, dass für einen solchen unmittelbaren Durchgriff kein Bedürfnis bestehe. Die Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers bei der Geschäftsführung für die GmbH als Komplementärin und zugleich für die Kommanditgesellschaft muss sich im Innenverhältnis zwischen Komplementär-GmbH und Kommanditgesellschaft die Komplementär-GmbH nach § 31 BGB zurechnen lassen.

Die Komplementär-GmbH ist damit gegenüber der GmbH & Co. KG zum Schadensersatz verpflichtet und hat ihrerseits einen Ersatzanspruch gegen ihren Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG. Diese Ansprüche der GmbH & Co. KG gegen die Komplementär-GmbH können wiederum die Kommanditisten unmittelbar im Wege der actio pro socio dieser gegenüber geltend machen. Sie haben daher die Möglichkeit, einen Titel gegen die Komplementär-GmbH zu erstreiten und aus diesem in deren Anspruch gegen den Geschäftsführer zu vollstrecken.

Der BGH macht damit deutlich, dass ein unmittelbarer Durchgriff nicht als erforderlich angesehen wird und die Gesellschaft sowie ihre Gesellschafter darauf verwiesen werden, zunächst einen Titel gegen die Komplementär-GmbH zu erstreiten. Hieraus folgt zwangsläufig, dass eine Durchsetzung der Zahlungsansprüche gegen den Geschäftsführer erschwert wird, da im Zweifel über das Bestehen einer Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Komplementär-GmbH ein weiterer Rechtsstreit zu führen sein würde.

Zu begrüßen ist allerdings, dass der BGH einer weiteren Ausweitung der Prozessführungsbefugnis aus reinen Zweckmäßigkeitserwägungen eine Absage erteilt hat. Die Entscheidung ist in ihrer Begründung auch überzeugend und macht deutlich, dass über die Grundsätze der actio pro socio für die Gesellschafter eine hinreichende Sicherheit gewährleistet wird, auch in schwierigen Konstellationen die berechtigten Ansprüche ihrer Gesellschaft realisieren zu können.

Was bedeutet die Entscheidung des BGH für Sie?

Im Falle einer rechtlichen Auseinandersetzung in Bezug auf eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers bei einer GmbH & Co. KG ist vor einer gerichtlichen Geltendmachung besonderes Augenmerk auf die Prozessführungsbefugnis des jeweiligen Klägers zu legen. Es ist zu berücksichtigen, dass ein unmittelbarer prozessualer Durchgriff von der Gesellschaft bis auf den Geschäftsführer der Komplementärin nicht möglich ist, sondern das Verfahren in zwei Stufen zu führen ist, um die Ansprüche der Gesellschaft rechtssicher realisieren zu können.

Wir verfügen über umfangreiche Prozesserfahrung und stehen Ihnen im Konfliktfall gerne mit unserer Fachkompetenz zur Seite.

 

Redaktion:

Rechtsanwalt Andreas Noack

BEHTGE.REIMANN.STARI Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin

Sekretariat: Susanne Isensee, Tel.: 030 / 89 04 92 - 11, Fax: 030 / 89 04 92 - 10

Recht aktuell wird nach sorgfältig ausgewählten Unterlagen erstellt. Diese Veröffentlichung verfolgt ausschließlich den Zweck, bestimmte Themen anzusprechen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für die Anwendung im konkreten Fall kann eine Haftung nicht übernommen werden. Sollten Sie weitere Fragen zu den angesprochenen Themen haben, so wenden Sie sich bitte an unsere Ansprechpartner. Der Nachdruck - auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe gestattet.



# Tags: Recht Aktuell, Gesellschaftsrecht, Andreas Noack, Dr. Christian Stari, Malte Beuster