Zur Sachmängelhaftung beim Erwerb von Gesellschaftsanteilen

Sachmängelhaftung, Gesellschaftsanteile, Asset Deals, Erwerb, Unternehmenskauf, Share Deal
28.03.2019 | 

I. Problemstellung

Dem potentiellen Käufer eines Unternehmens stehen grundsätzlich zwei Wege offen, wie er den Erwerb rechtlich gestalten kann:

  • Entweder erwirbt er die einzelnen zum Unternehmen gehörenden Gegenstände in Form eines sog. Asset Deals von dem Unternehmen selbst, welches sodann als leere Hülle zurück bleibt oder
  • er erwirbt von den Gesellschaftern der zu übernehmenden Gesellschaft die Gesellschaftsanteile im Wege eines Share Deals mit der Folge, dass der Erwerber nunmehr Gesellschafter des zu übernehmenden Unternehmens mit all seinen Inhalten ist.

Da der Käufer beim Asset Deal einzelne Gegenstände erwirbt, findet insofern das Sachmängelgewährleistungsrecht der §§ 434 ff. BGB in Bezug auf die übernommenen Einzelgegenstände Anwendung.

Kaufgegenstand bei einem Share Deal ist hingegen der Erwerb von Mitgliedschaftsrechten an einer Gesellschaft. Es handelt sich mithin um einen Rechtskauf, so dass sich die Mängelgewährleistungsansprüche gem. § 453 BGB auch nur auf den Gesellschaftsanteil als Kaufgegenstand beziehen.

Stellt sich das erworbene Unternehmen im Folgenden als mangelhaft dar, z. B. weil es insolvenzreif ist, stellt sich die Frage nach den Rechten des Erwerbers.

II. Differenzierung und Praxisrelevant

Die rechtliche Differenzierung der Rechtsfolgen bei Vorliegen eines Mangels zwischen einem Share Deal und einem Asset Deal führt tief ins Mängelgewährleistungsrecht und ist von erheblicher praktischer Bedeutung.

1. Sachmängelgewährleistungsrecht

Das Sachmängelgewährleistungsrecht der §§ 434 ff. BGB ist grundsätzlich als verschuldensunabhängige Haftung ausgestaltet. Der Verkäufer einer verkauften Sache haftet innerhalb der „Gewährleistungsfristen“, d. h. gem. § 438 Abs. 1 BGB i. d. R. zwei Jahre, bei Bauwerken etc. fünf Jahre, unabhängig von einem Verschulden dafür, dass die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln ist. Zwar verweist § 453 BGB auch für den Rechtskauf grundsätzlich auf das Sachmängelgewährleistungsrecht, jedoch bezieht sich nach überwiegender Auffassung dieser Verweis nur auf das erworbene Recht, beim Anteilskauf- somit auf den erworbenen Gesellschaftsanteil.

2. Praxisrelevante Unterscheidung

Erwirbt ein Unternehmenskäufer ein Unternehmen im Wege des Asset Deals, so haftet der Verkäufer verschuldensunabhängig jedenfalls zwei Jahre dafür, dass die übertragenen Einzelgegenstände, beispielsweise das Inventar, frei von Mängeln ist. Erwirbt ein Unternehmenskäufer auf diese Weise das gesamte Unternehmen, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch die Insolvenzreife des Unternehmens in diesem Fall einen Sachmangel darstellt, für den der Verkäufer verschuldensunabhängig haftet. Stellt sich also innerhalb der „Gewährleistungsfristen“ heraus, dass die Gesellschaft schon zum Zeitpunkt des Verkaufs insolvenzreif war, haftet der Verkäufer im Falle eines Asset Deals unabhängig davon, ob ihm Verschulden zur Last fällt.

Beim Share Deal, also beim Rechtskauf, beim Erwerb von Gesellschaftsanteilen sind die einzelnen (Inventar )Gegenstände nicht Gegenstand des Verkaufs, so dass sich aus etwaigen Mängeln des Inventars keine Ansprüche des Käufers gegenüber dem Verkäufer ergeben. Nach ständiger Rechtsprechung ist auch die Insolvenzreife eines Unternehmens kein Mangel, der dem Gesellschaftsanteil selbst anhaftet. Stellt sich hier nach Erwerb des Unternehmens die Insolvenzreife heraus, haftet der Verkäufer somit grundsätzlich nicht.

3. Ausweitung des Sachmängelgewährleistungsrechts beim Unternehmenskauf

Mit Urteil vom 26. September 2018, Az: VIII ZR 187/17, hatte sich der Bundesgerichtshof nochmals mit diesen Differenzierungen zum Sachmängelgewährleistungsrecht beim Unternehmenskauf auseinander zu setzen. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung die obigen Grundsätze bestätigt, gleichzeitig jedoch auch betont, dass im Einzelfall auch bei einem Share Deal in weitergehendem Umfang Sachmängelgewährleistungsrecht Anwendung finden kann. Erwirbt der Käufer vom Verkäufer „sämtliche oder nahezu sämtliche Geschäftsanteile“, mit der Folge, dass er „ohne durch die Befugnisse von Mitgesellschaftern beeinträchtigt zu sein, uneingeschränkt über das Unternehmen verfügen konnte“, so ist davon auszugehen, dass der Wille der Vertragsschließenden darauf gerichtet war, im Ergebnis sämtliche Einzelgegenstände zu übertragen mit der Folge, dass sich das Sachmängelgewährleistungsrecht auch inhaltlich auf das gesamte Unternehmen erstreckt. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Verkäufer verschuldensunabhängig dafür einzustehen hat, sollte sich nach dem Verkauf innerhalb der Gewährleistungsfristen erweisen, dass das Unternehmen schon zum Zeitpunkt des Verkaufs insolvenzreif war.

Der Verkäufer von Geschäftsanteilen, der (nahezu) sämtliche Geschäftsanteile seines Unternehmens auf einen Erwerber überträgt, haftet somit grundsätzlich verschuldensunabhängig insbesondere dafür, dass das übertragene Unternehmen zum Zeitpunkt der Übertragung nicht insolvenzreif ist.

III. Berücksichtigung bei der Vertragsgestaltung

Hieraus ergibt sich, dass beim Unternehmenskauf die Vertragsgestaltung eine wesentliche Rolle spielt. Je nachdem, ob Sie als Käufer oder Verkäufer Partei eines solchen Vertrages werden, können die Interessen sehr unterschiedlich ausfallen. Hier gilt es durch entsprechende Vertragsgestaltung einen Ausgleich der Interessenlagen herbei zu führen. Gerade beim Share Deal empfiehlt es sich, klare Regelungen zu Gewährleistungsansprüchen, die sich auch auf den Inhalt des Unternehmens beziehen, zu treffen.

Für Rechtsfragen rund um dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen etc. stehen wir Ihnen gerne beratend zur Verfügung.

 

Redaktion:

Rechtsanwalt Dr. Christian Stari

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# Tags: Recht Aktuell, Gesellschaftsrecht, Dr. Christian Stari