Stadtwerke und Vergaberecht

Stadtwerke und Vergaberecht, Sektorenverordnung, SektVO, Sektorenauftraggeber, OLG München, Beschluss, 13. März 2017, Verg 15/16, Beauftragung von Betriebsführungsleistungen
19.06.2019 | 

Das klassische Stadtwerk liegt mehrheitlich in kommunaler Hand. So verwundert es nicht, dass Stadtwerke – als kommunale Töchter – genauso wie ihre Mütter – die Kommunen – beim Einkauf von Waren, Dienstleistungen oder bei der Beschaffung von Bauleistungen die vergaberechtlichen Vorschriften einhalten müssen. Mit der Vergaberechtsreform 2016 wurden diese Vorgaben speziell für kommunale (Energieversorgungs-)Unternehmen in der Sektorenverordnung (SektVO) konkretisiert. Wir geben Ihnen nachfolgend einen kurzen Überblick, wann auch Stadtwerke ans Vergaberecht denken müssen.

1. Stadtwerke als Sektorenauftraggeber

Die Sektorenverordnung gilt für Sektorenauftraggeber. Stadtwerke sind regelmäßig Sektorenauftraggeber, weil sie erstens im Bereich der Strom-, Erdgas-, Trinkwasser- und Warmwasserversorgung tätig sind und zweitens eine Kommune mehrheitlich an ihnen beteiligt ist (§§ 100 Abs. 2, 3 i.V.m. 102 Abs. 1 bis 3 GWB). Die Sektorenverordnung kommt aber nur dann ins Spiel, wenn die zu vergebenen Dienst- oder Bauleistungsaufträge dem Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit dienen (§ 106 Abs. 2 Nr. 3 GWB). Ob ein Auftrag dem Zweck der Sektorentätigkeit dient, ist nach einer aktuelleren Entscheidung des OLG München weit auszulegen. Das OLG München hatte darüber zu entscheiden, ob die Stadtwerke Regensburg beim Projekt „Errichtung eines Verwaltungsgebäudes“ das Vergaberecht hinreichend berücksichtigt hatten (OLG München, Beschluss vom 13. März 2017, Az. Verg 15/16). Das Gericht hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass es nicht darauf ankommen kann, wann ein Auftrag mittelbar oder (noch) unmittelbar der Sektorentätigkeit dient, weil dies die Energieversorgungsunternehmen in der Praxis vor enorme Abgrenzungsschwierigkeiten stellen würde. Vielmehr reicht jeder auch nur mittelbare Zusammenhang zur Sektorentätigkeit. Wenn bei der Errichtung eines Verwaltungsgebäudes in der Tat die Frage erlaubt ist, inwiefern diese der Tätigkeit im Energiebereich dienlich ist, ist dies beispielweise bei der Beauftragung von (technischen und kaufmännischen) Betriebsführungsleistungen eindeutig. Nicht selten erbringt der Netzbetreiber i.S.d. EnWG die einzelnen Betreiberleistungen nicht selbst und vergibt diese Aufträge für mehrere Jahre an einen Dienstleister. Spätestens in diesen Fällen müssen Stadtwerke darüber nachdenken, ob und wie das Vergaberecht zu berücksichtigen ist.

2. EU-Schwellenwerte

Nicht bei jeder Beschaffung ist ein förmliches Vergabeverfahren nach der Sektorenverordnung einzuhalten. Der Auftrag muss eine gewisse wettbewerbliche Relevanz haben, die (derzeit) bei einem Auftragswert ab 443.000,00 EUR (netto) angenommen wird. Zu beachten ist allerdings, dass es auf das Gesamtvolumen des Auftrags ankommt. Dies bedeutet einerseits, dass die Auftragswerte einzelner Lose zu addieren und anderseits die Laufzeit zu berücksichtigen ist.

Wird der EU-Schwellenwert nicht erreicht, ist die SektVO zwar unbeachtlich, jedes Stadtwerk hat aber zu prüfen, inwiefern die jeweiligen Landesvergabegesetze anzuwenden sind.

3. Anforderungen an ein Vergabeverfahren für Stadtwerke

Aber was bedeutet es eigentlich für ein Stadtwerk, wenn es einen Auftrag nach der SektVO und damit in einem förmlichen Verfahren ausschreiben muss? Im Wesentlichen muss ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren gewährleistet werden, um einen freien und unverfälschten Wettbewerb sicherzustellen. Hierbei sieht die SektVO für Stadtwerke einige Erleichterungen vor, die sie für sich nutzen sollten. Hierzu gehört beispielweise, dass Sektorenauftraggeber die Verfahrensart grundsätzlich frei wählen können.

Unsere Erfahrung zeigt, dass das Vergaberecht für Stadtwerke sinnvoller ist als der Ruf, der ihm vorauseilt. Stadtwerke sollten die Chancen eines Vergabeverfahrens ergreifen. Oft können nur durch ein entsprechendes Verfahren wettbewerbliche Konditionen erzielt werden, die ohne nicht möglich gewesen wären.

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