Urlaubsverfall: Arbeitgeber hat Hinweispflicht

Urlaub, Verfall, Arbeitgebermitteilung, neue Entwicklung im Urlaubsrecht, Hinweispflicht des Arbeitgebers, § 7 Abs. 3 BUrlG, Abgeltung von Urlaubsansprüchen, Initiativlast des Arbeitgebers für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs
08.10.2019 | 

Aktuelle Entwicklung des Verfalls von Urlaubsansprüchen:

 

Ende 2018 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) erneut wesentlichen Einfluss auf das deutsche Urlaubsrecht genommen. Hiernach befand der Gerichtshof, dass ein automatischer Verfall von Urlaubsansprüchen, wie er im deutschen Bundesurlaubsgesetz vorgesehen ist, gegen Europarecht verstößt. Ein Arbeitnehmer darf seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb verlieren, weil er ggf. keinen Urlaub beantragt hat. Entsprechende Ansprüche verfallen vielmehr nur dann, wenn der Arbeitgeber beweise, dass der Mitarbeiter freiwillig auf seinen Urlaub verzichtet habe, nachdem er ihn tatsächlich in die Lage versetzt habe, rechtzeitig Urlaub zu nehmen. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob es sich um einen öffentlichen Arbeitgeber oder ein privates Unternehmen handelt (Urteile vom 06. November 2018 - Az: C-619/16 und C-684/16).

 

Nachfolgend hat das Bundesarbeitsgericht die Anforderungen an diese Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs konkretisiert. Insbesondere hat die Aufforderung, den Urlaub rechtzeitig zu beantragen, für jeden Arbeitnehmer individualisiert zu erfolgen (Urteil vom 19. Februar 2019 - Az: 9 AZR 423/16 -). Bei der somit künftig gebotenen europarechtskonformen Auslegung des Urlaubsrechts kann der Verfall von Urlaub daher in der Regel nur (noch) eintreten, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraumes erlischt.

 

Diese sog. Initiativlast des Arbeitgebers ist dabei nicht auf den originären Urlaubsanspruch im jeweiligen Kalenderjahr beschränkt, sondern bezieht sich auch auf den Urlaub aus den vorangegangenen Kalenderjahren (LAG Köln, Urteil vom 09.04.2019 - Az: 4 Sa 242/18).

 

Eine Ausnahme bilden die Fälle der sog. Langzeiterkrankung. In diesem Fall besteht eine Obliegenheit des Arbeitgebers zur Belehrung über den konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen erst dann, wenn der Mitarbeiter seine Arbeitsfähigkeit wieder erlangt und in der Lage ist, den Urlaub anzutreten (LAG Hamm, Urteil vom 24.07.2019 -Az: 5 Sa 676/19).

 

Praxisempfehlung:

 

Neben den neu geschaffenen hohen Anforderungen für Arbeitgeber, rechtzeitig auf noch bestehende Urlaubsansprüche im Kalenderjahr hinzuweisen, können nun auch Abgeltungsansprüche aus der Vergangenheit auf die Unternehmen zukommen. Umso mehr Bedeutung erlangen die arbeitsrechtlichen Verfall- und Ausschlussklauseln, die es Tarif- und Arbeitsvertragsparteien ermöglichen, die gesetzlichen Fristen zu verkürzen.

 

Zu Urlaubsansprüchen der Vergangenheit lassen sich Regelungen nicht mehr treffen. Umso wichtiger ist es daher, für die Zukunft zu verhindern, dass Mitarbeiter nachträglich noch Abgeltungsansprüche geltend machen. Nach den neuen Vorgaben der Rechtsprechung ist zu empfehlen, die Aufforderung zur Inanspruchnahme von Urlaub und die Belehrung über drohenden Verfall mindestens in Textform (E-Mail) vorzunehmen und einen Nachweis über den Erhalt des Hinweises zu dokumentieren. Dabei muss der Hinweis so rechtzeitig erfolgen, dass der Mitarbeiter den Urlaub auch noch nehmen kann. Dies lässt sich z. B. dadurch erfüllen, dass der Arbeitgeber dem jeweiligen Mitarbeiter zu Beginn des Kalenderjahres in einem standardisierten Anschreiben konkret mitteilt, wie viele Arbeitstage Urlaub ihm im Kalenderjahr zustehen, ihn auffordert, seinen Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann und ihn über die Konsequenzen belehrt, die ggf. eintreten, wenn dieser den Urlaub nicht entsprechend der Aufforderung beantragt. Die rechtlichen Anforderungen an eine „klare“ Unterrichtung sind regelmäßig durch den Hinweis erfüllt, dass der Urlaub grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres verfällt, wenn der Arbeitnehmer in der Lage gewesen ist, seinen Urlaub in diesem Kalenderjahr zu nehmen, er ihn aber nicht beantragt. Abstrakte Angaben etwa im Arbeitsvertrag, in einem Merkblatt oder in einer Kollektivvereinbarung genügen den Anforderungen an eine konkrete und transparente Unterrichtung hingegen in der Regel nicht.

 

Damit soll sich die Belehrung durch den Arbeitgeber auf den konkreten Einzelfall beziehen.

 

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