Stundung von Ansprüchen auf Rückzahlung, Zins- und Tilgungsleistungen sowie zum Kündigungsausschluss bei Verbraucherdarlehensverträgen

Darlehensrecht, COVID-19, Zins- und Tilgungsleistungen
26.03.2020 | 

Was regelt der Gesetzesentwurf in Bezug auf das Darlehensrecht?

Für Verbraucherdarlehensverträge, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden, werden Ansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlung sowie Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet, wenn der Verbraucher aufgrund der durch Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist (vgl. Art. 240, § 2 Abs. 1 EGBGB).

Darüber hinaus sind in diesem Fall Kündigungen des Darlehensgebers wegen Zahlungsverzugs, wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers oder der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit bis zum Ablauf der Stundung ausgeschlossen (Art. 240, § 2 Abs. 1 EGBGB).

Hintergrund dieser Regelungen ist, dass die COVID-19-Pandemie und dadurch verursachte Einnahmeausfälle auch viele Darlehensnehmer schmerzhaft treffen werden. Die zur Zeit der Darlehensaufnahme unvorhersehbaren krisenbedingten Einbußen werden vielerorts dazu führen, dass die Rückzahlung von Darlehen oder die regelmäßigen Zins- und Tilgungszahlungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht oder nur noch mit Abstrichen geleistet werden können. Verbraucher geraten so in Gefahr, dass das Darlehen verzugsbedingt gekündigt und die eingeräumte Sicherheit verwertet wird.

Diese Gefahr soll durch das im Entwurf vorgelegte Gesetz abgemildert werden.

Für wen gelten diese Regelungen?

Diese Regelungen gelten ausschließlich für Verbraucherdarlehensverträge, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen worden sind. Verbraucherdarlehensverträge sind entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer (vgl. § 491 BGB). Nicht von diesen Regelungen betroffen sind somit zunächst Darlehensverträge, bei denen der Unternehmer Darlehensnehmer ist.

Die Bundesregierung ist jedoch ermächtigt, durch Rechtsverordnung auch Kleinstunternehmer sowie kleinere und mittlere Unternehmen in den Anwendungsbereich mit einzubeziehen (vgl. Art. 240, § 2 Abs. 8 EGBGB). Die Bundesregierung kann diese Regelungen also auch auf solche Darlehensverträge erweitern, die Unternehmer als Darlehensnehmer abgeschlossen haben.

Weitere Voraussetzung für die Anwendung des Gesetzes ist, dass der Darlehensnehmer aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sein angemessener Lebensunterhalt oder der angemessene Lebensunterhalt seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet ist.

Wer trägt die Beweislast für diese Voraussetzungen?

Im Gesetzesentwurf steht hierzu lediglich, dass der Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und den Einnahmeausfällen vermutet wird. Daraus lässt sich schließen, dass der Darlehensnehmer die Voraussetzungen im Übrigen darzulegen und – in einem etwaigen Rechtsstreit – auch zu beweisen hat. Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung.

Konkret bedeutet das, dass sich der Verbraucher, der sich im Zusammenhang mit der Geltendmachung der aufgezeigten Rechte auf das Vorliegen eines Verbraucherdarlehensvertrages beruft, hierfür darlegungs- und beweisbelastet ist. In den meisten Fällen wird diese Frage nicht streitig werden.

Darüber hinaus wird der Darlehensnehmer indes darzulegen haben, dass er Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist, was insbesondere der Fall ist, wenn sein angemessener Lebensunterhalt oder der angemessene Lebensunterhalt seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet ist.

Erst wenn der Darlehensnehmer diese Voraussetzungen dargelegt und nachgewiesen hat, wird zu seinen Gunsten vermutet, dass diese Einnahmeausfälle aus der COVID-19-Pandemie herrühren.

Wie genau wirken diese Regelungen?

a) Stundung der Rückzahlung, Zins- und Tilgungsleistungen

Liegen die oben genannten Voraussetzungen vor, werden die Ansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet. Die Vertragslaufzeit verlängert sich in diesem Fall grundsätzlich um drei Monate.

Dem Darlehensnehmer steht es indes frei, trotz des Vorliegens der Voraussetzungen, seinen vertraglichen Pflichten auf Rückzahlung bzw. Zins- und Tilgungsleistungen nachzukommen. Zahlt der Darlehensnehmer auf einen fällig gewordenen Anspruch des Darlehensnehmers, kann er sich im Anschluss insoweit nicht mehr auf eine Stundung berufen. Zahlt ein Darlehensnehmer also z. B. seine für den Monat April fällig werdende Darlehensrate, kann er sich für den Monat April nicht mehr auf die Stundung berufen. Für die im Mai fällig werdende Rate dürfte er sich indes wieder auf die Stundung berufen. Die Vertragslaufzeit dürfte sich in diesem Fall lediglich um die Monate verlängern, für die die Stundung in Anspruch genommen wurde.

b) Kündigungsausschluss

Kündigungen des Darlehensgebers wegen Zahlungsverzugs, wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers oder der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit sind bis zum Ablauf der Stundung ebenfalls ausgeschlossen. Voraussetzung ist jedoch auch insoweit, dass die Voraussetzungen für eine Stundung vorliegen.

Was ist von Seiten der Vertragspartner zu tun?

Die Darlehensgeber müssen von sich aus grundsätzlich nicht tätig werden. Es obliegt daher in erster Linie den Darlehensnehmern, sich an den Darlehensgeber zu wenden und geltend zu machen, dass die Voraussetzungen für eine Stundung und den Kündigungsausschluss vorliegen.

a) Gespräch zwischen den Vertragsbeteiligten

Der Darlehensgeber – also in der Regel die Bank - soll dem Verbraucher ein Gespräch über die Möglichkeit einer einverständlichen Regelung und über mögliche Unterstützungsmaßnahmen anbieten. Für dieses können auch Fernkommunikationsmittel (z. B. Telefon) genutzt werden.

Diese Regelung ist unter Berücksichtigung der zahlreichen Verbraucher schützenden Vorschriften, die in den letzten Jahren ergangen sind, bemerkenswert. Natürlich soll den Parteien auch hier die Möglichkeit gegeben werden, ohne direkten Kontakt und somit ohne Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus miteinander zu kommunizieren. Im Interesse beider Parteien sollte ein Gesprächsprotokoll angefertigt werden, das den wesentlichen Inhalt und das Ergebnis des Gesprächs zusammenfasst und deren Richtigkeit von beiden Parteien – zumindest per E-Mail – bestätigt wird.

b) Abweichende Vereinbarungen zwischen den Vertragsbeteiligten

Die Vertragsparteien können von den Regelungen des Gesetzes abweichende Vereinbarungen, insbesondere über mögliche Teilleistungen, Zins- und Tilgungsanpassungen oder Umschuldungen treffen.

Kann der Darlehensnehmer zumindest Teilleistungen erbringen, können die Parteien z. B. vereinbaren, dass sich die Stundung nur auf die Tilgung und nicht auf die Zinszahlungen bezieht. Auch wenn die Gesetzesbegründung hierzu keine konkreten Hinweise enthält, dürften die Parteien nach unserem Verständnis auch dann einvernehmliche Regelungen treffen, wenn der Darlehensnehmer die Einnahmeausfälle, die zur Unzumutbarkeit der Erbringung der geschuldeten Leistung führen, nicht oder nur eingeschränkt nachweisen kann. In allen Fällen sollten die Parteien auch regeln, ob und inwieweit sich die Laufzeit des Darlehensvertrages verlängert, wenn eine vom Gesetz abweichende Regelung getroffen wird.

Die Parteien können indes keine Vereinbarung wirksam treffen, die den im Gesetz vorgesehenen Kündigungsausschluss zu Lasten des Darlehensnehmers einschränken würden.

Vereinbaren die Parteien eine Änderung des Vertrages, hat der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine Abschrift des Vertrages mit den vereinbarten Vertragsänderungen zur Verfügung zu stellen.

c) Keine einvernehmliche Regelung

Kommt eine einverständliche Regelung für den Zeitraum nach dem 30. Juni 2020 nicht zustande, verlängert sich die Vertragslaufzeit um drei Monate. Die jeweilige Fälligkeit der vertraglichen Leistungen wird um diese Frist hinausgeschoben.

Sollten die Vertragsparteien keine einverständliche Regelung treffen, hat der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine Abschrift des Vertrages zur Verfügung zu stellen, aus der sich die Stundung der Ansprüche des Darlehensgebers bis zum 30. Juni 2020 und die Verlängerung der Vertragslaufzeit bis zum 30. September 2020 ergibt.

Gibt es Ausnahmen für bestimmte Darlehensgeber?

Die dargestellten Regelungen zum Schutz des Darlehensnehmers gelten nicht, wenn dem Darlehensgeber die Stundung oder der Ausschluss der Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls einschließlich der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Veränderungen der allgemeinen Lebensumstände unzumutbar ist.

Diese Vorschrift soll davor schützen, dass Darlehensgeber durch die vorgesehenen Maßnahmen selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Das könnte davon abhängig sein, wie viele Darlehensnehmer die Stundung in Anspruch nehmen. Dabei ist indes zu berücksichtigen, dass die Einnahmeausfälle der Darlehensgeber auch dadurch verringert werden können, dass sie mit den Darlehensnehmern – je nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit - einvernehmliche Regelungen treffen, wonach z. B. nur die Tilgungsraten ausgesetzt werden. Der Darlehensgeber muss unseres Erachtens zunächst versuchen, solche Vereinbarungen zu treffen, bevor er sich auf die Ausnahmevorschrift berufen kann. Diese Ausnahmevorschrift dürfte daher tatsächlich nur selten anwendbar sein.

Was gilt bei mehreren Darlehensnehmern?

Die vorgenannten Regelungen gelten entsprechend für den Ausgleich und den Rückgriff unter Gesamtschuldnern nach § 426 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Diese Regelung lässt sich an nachfolgendem Beispiel erklären:

Wenn zwei Darlehensnehmer ein Darlehen als Gesamtschuldner aufgenommen haben, haften beide Darlehensnehmer grundsätzlich in voller Höhe gegenüber dem Darlehensgeber. In unserem Beispiel liegen beim Darlehensnehmer 1 die oben genannten Voraussetzungen vor, so dass für ihn die Stundungswirkung eintritt. Der Darlehensnehmer 2 hat dagegen keine Einnahmeneinbußen, so dass er weiter zur Leistung verpflichtet ist.

In diesem Fall soll der Darlehensgeber während des Stundungszeitraums nicht berechtigt sein, gemäß § 426 Absatz 1 BGB den gestundeten Betrag vom Darlehensnehmer 2 zu verlangen. Auch wenn der Darlehensnehmer 2 den Darlehensgeber befriedigt, soll er während des Stundungszeitraums vom Darlehensnehmer 1 nicht gemäß § 426 Absatz 2 BGB Ausgleich verlangen dürfen.

Aus dieser Regelung wird zudem deutlich, dass es bei einem Darlehensvertrag mit mehreren Darlehensnehmern auf die wirtschaftlichen Verhältnisse jedes einzelnen Darlehensnehmers ankommt und die Stundung im Verhältnis zum Darlehensgeber auch nur für den einzelnen Darlehensnehmer gilt.

Was gilt nach dem 30. Juni 2020?

Die Bundesregierung soll ermächtigt werden, die Regelung zunächst bis zum 30. September 2020 zu verlängern und die geregelte Verlängerung der Vertragslaufzeit auf bis zu zwölf Monaten zu erstrecken. Auch eine darüber hinausgehende Verlängerungsmöglichkeit ist in dem Entwurf bereits vorgesehen, sofern die Beeinträchtigungen durch die COVID-19-Pandemie weiter fortbestehen.

Es ist zu erwarten, dass auch Unternehmen von der COVID-19-Pandemie stark betroffen sein werden und sie sich trotz öffentlicher Hilfsangebote in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sehen. Nach der Gesetzesbegründung soll gerade in diesem Fall von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden können, den Anwendungsbereich auf weitere Darlehensnehmergruppen, insbesondere auf Kleinstunternehmen, zu erstrecken.

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