Wie sich die vorübergehende Umsatzsteuersenkung auf Energielieferverträge auswirkt

Umsatzsteuersenkung, Energielieferverträge, Abrechnung, Anschläge, Preisanpassung
02.07.2020 | 

Der Gesetzgeber hat vor wenigen Tagen am 12. Juni 2020 im Rahmen des Konjunkturpaketes eine kurzfristige Senkung der Umsatzsteuer, befristet für ein halbes Jahr, beschlossen. Die Änderung gilt für alle umsatzsteuerrelevanten Lieferungen und Leistungen eines klassischen Stadtwerks. Hierzu zählen nicht nur die Strom-, Gas-, Wasser-, Wärmelieferungen, sondern darüber hinaus auch diejenigen der Netz- und Messstellenbetriebssparte.

Wie sind Strom-, Gas- und Wärmelieferungen abzurechnen?

Für SLP-Kunden – vom Grundsatz und seiner Ausnahme

Nach dem aktuellen Entwurf des BMF-Schreibens bestimmt sich grundsätzlich die Umsatzsteuerhöhe der gesamten Jahresabrechnung nach dem Ablesezeitpunkt. Sofern die Ablesezeiträume zwischen dem 1. Juli 2020 und 31. Dezember 2020 liegen, gilt für die gesamte Jahresabrechnung der Umsatzsteuersatz in Höhe von 16%. Wird ab dem 01. Januar 2021 abgelesen und abgerechnet ist für die gesamte Jahresabrechnung 19% anzusetzen.

Die oben dargestellte „Hopp-oder top-Lösung“ soll dann nicht gelten, wenn mit dem Kunden vertraglich eine zeitanteilige Abrechnung vereinbart wurde. Dies zielt nicht nur auf Sonderkundenverträge und bilaterale Abrechnungsvereinbarungen gem. § 40 Abs. 3 EnWG ab, sondern ebenfalls auf grundversorgte Kunden, für die § 12 Strom/GasGVV gilt. Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 Strom/GasGVV ist der Verbrauch bei einer Umsatzsteueränderung zeitanteilig zu berechnen. Hierdurch wird die Ausnahme zum Grundsatz verkehrt. § 12 Abs. 2 Satz 2 Strom/GasGVV wird nämlich für den Großteil der Energielieferverträge zu berücksichtigen sein.

Bei Ablesezeiträumen, die länger als drei Monate dauern, ist die Aufteilung auf der Grundlage einer Mengengewichtung umzusetzen, es sei denn, dass keine jahreszeitlichen Mengenschwankungen bestehen. Dann kann insoweit beim Finanzamt eine Ausnahmegenehmigung beantragt und ausschließlich eine zeitanteilige Aufteilung vorgenommen werden. Diese Vorgabe ist angesichts des § 12 Abs. 2 S. 2 Strom/GasGVV eigentlich überflüssig.

Das Thema „Abschläge“ ist noch einmal gesondert zu betrachten. Aus unserer Sicht spricht einiges dafür, die Abschläge anzupassen. Hintergrund ist, dass in dem Zeitraum, in dem eine Abschlagzahlung vereinnahmt wird, die darauf entfallende Umsatzsteuer bereits entsteht. Dabei gilt grundsätzlich der jeweils gültige Steuersatz. Demnach unterliegen  beispielsweise Abschlagzahlungen, die im Juni 2020 vereinnahmt werden, 19 %. Abschlagzahlungen, die im Juli 2020 vereinnahmt werden, unterliegen erstmals dem Steuersatz in Höhe von 16 %.

Für RLM-Kunden

Die obigen Ausführungen gelten selbstverständlich nicht für RLM-Kunden. Hier werden die innerhalb der Ablesezeiträume vor dem 1. Juli 2020 ausgeführten Lieferungen gesondert abgerechnet, so dass für die Lieferungen vor dem 1. Juli 2020 der allgemeine Umsatzsteuersatz in Höhe von 19 % gilt und für die Lieferungen nach dem 01. Juli 2020 der reduzierte Umsatzsteuersatz.

Ist die Umsatzsteueränderung eine klassische Preisanpassung?

Stadtwerke haben sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob es sich bei der Umsatzsteueränderung (sowohl zum 01. Juli 2020 als auch zum 01. Januar 2021) um eine klassische Preisanpassung i.S.d. §§ 5 Abs. 2, 3, 5 a Strom/GasGVV bzw. § 41 Abs. 3 S. 2 EnWG handelt, so dass dem Kunden die Anpassung (fristgerecht) mitgeteilt und ihm ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt werden muss. Aus unserer Sicht ist zwischen den Grundversorgungs- und Sondervertragskunden zu unterscheiden.

Für Grundversorgungsverträge: Es spricht einiges dafür, dass der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, dass die schlichte Weitergabe der Umsatzsteuer  als  Aufschlag  auf  den  Nettopreis  keine  Preisänderung im Sinne von §§ 5 Abs. 2 und 3, 5a Strom/GasGVV ist. In den §§ 2 Abs. 3 Strom/GasGVV werden die kalkulationsfähigen Nettopreisbestandteile ausdrücklich genannt; die Umsatzsteuer zählt nicht dazu. Zudem heben die §§ 12 Abs. 2 Strom/GasGVV ausdrücklich die Umsatzsteueränderung von einer „klassischen“ Preisanpassung ab. Die Umsatzsteueränderung ist hiernach lediglich zeitanteilig zu berücksichtigen. Hiernach wären die Kunden daher nicht vorab zu informieren und es steht ihnen kein Sonderkündigungsrecht zu.

Für Sonderkunden: Bei  Sonderverträgen  muss nach unserem Dafürhalten im Einzelfall geprüft werden; erstens, ob die Strom- und Gaspreise als Bruttopreise inkl. der Umsatzsteuer oder als Nettopreise zzgl. der jeweils gesetzlich geltenden Umsatzsteuer vereinbart wurden und zweitens, ob  im Vertrag für die Umsatzsteuer, angelehnt an § 29 UStG, eine sog. automatische Preisanpassung vereinbart wurde. Je nach konkreter Vertragsgestaltung könnten Sonderkündigungsrechte entstehen oder eben nicht. 

Was muss kurzfristig angepasst werden? 

Es müssen praktisch alle Preisblätter geändert werden. Hintergrund ist, dass Stadtwerke nach § 3 Preisangabenverordnung dazu verpflichtet sind, die verbrauchsabhängigen und -unabhängigen Preise einschließlich der Umsatzsteuer in der jeweils gesetzlich geltenden Höhe auszuweisen. Jedes Preisblatt, in dem die Umsatzsteuer ausgewiesen wird, ist demnach anzupassen und neu zu veröffentlichen. Dies gilt insbesondere für die Preisblätter der Strom/GasVV, aber auch für die der Netz- und Messstellenbetriebssparte (Preisblätter zu den Ergänzenden Bedingungen zur N(D)AV – bspw. Netzanschlusskosten, Kosten der Wiederherstellung).

Selbstverständlich unterstützen wir Sie bei der Herausforderung, die dargestellten Änderungen in kürzester Zeit anzupassen. Sprechen Sie uns gerne an!

 

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