Zweckentfremdungsverbot – Teilweise rechtsunwirksam?

Zweckentfremdungsverbot-Gesetz, Zweckentfremdungsverbot-Verordnung, ZwVbG, ZwVbVO, Zweckentfremdung von Wohnraum, Mietobergrenze für Ersatzwohnraum, Verwaltungsgericht Berlin, Neubau mit höheren Mieten zulässig, Unwirksamkeit, VG 6 K 452.18, OVG 5 B 29.19
02.07.2020 | 

Die Entscheidung:

Nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Berlin verstößt die landesrechtliche Zweckentfremdungsverbot-Verordnung-ZwVbVO zur Mietobergrenze bei Ersatzwohnraum gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist daher nichtig.

In seinem Urteil vom 27. August 2019 - Az: VG 6 K 452.18 - führt das Gericht hierzu u. a. aus, dass die Bestimmungen zum Zweckentfremdungsverbot Wohnraum nicht um seiner selbst willen schützen. Es diene insoweit auch nicht dem Schutz der Mieter. Vielmehr soll es den Wohnraumbestand vor Nutzungen zu anderen als Wohnzwecken bewahren und hierdurch die ohnehin knappe Wohnraumversorgung sichern. Vor diesem Regelungszweck sei eine Mietpreisregulierung für neu geschaffenen Ersatzwohnraum nicht gedeckt. Im Gegenteil werde hierdurch der Neubau von Wohnraum wesentlich erschwert. Die starre und zeitlich unbegrenzte Festlegung eines geringen Mietpreises im Bundesland Berlin für Ersatzwohnraum jeglicher Art und Lage verletze daher den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Hintergrund:

Seit geraumer Zeit gehen die Berliner Bezirke wegen des bestehenden Wohnraummangels verstärkt gegen Eigentümer vor, die ihre Wohnungen (a) leer stehen lassen, (b) umnutzen oder (c) abreißen wollen. Dabei stützen sie sich auf das sog. Zweckentfremdungsrecht.

Dies dient dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung von Wohnraum und weist bereits eine längere Historie auf. Wohnungs- und Wohngebäudeeigentümer können die für den Abriss oder eine beabsichtigte Umnutzung von Wohnraum danach erforderliche besondere Zweckentfremdungsgenehmigung u. a. dadurch erlangen, dass sie den durch die „Zweckentfremdung“ eintretenden Wohnraumverlust - ggf. auch rückwirkend - „durch die Schaffung von angemessenem Ersatzwohnraum“ ausgleichen. Dabei muss dieser Ersatzwohnraum im Falle einer Vermietung dem Wohnungsmarkt allerdings „zu angemessenen Bedingungen“ zur Verfügung stehen. Diese erkennt das Gesetz nur dann an, wenn die Miete auch „von einem durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmerhaushalt allgemein aufgebracht werden“ kann. Das gesetzgeberische Ziel besteht mithin darin zu verhindern, dass der Wohnungsbestand durch Luxuswohnraum ersetzt und verdrängt wird.

Auch in Berlin gilt dieses Genehmigungserfordernis im gesamten Stadtgebiet, eingeführt durch die sog. Zweckentfremdungsverbot-Verordnung vom 04. März 2014. Dabei ist die Berliner Regelung - im Vergleich zu den übrigen Bundesländern - inhaltlich am strengsten ausgestaltet, denn hier steht die Erteilung der Genehmigung selbst dann im Ermessen der zuständigen Behörde („kann“), wenn alle übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Damit handelt es sich um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt.

Inhaltlich definiert die Berliner Bestimmung auch eine Mietobergrenze für „angemessenen“ Ersatzwohnraum. Soll hiernach künftig eine höhere Miete als 7,92 EUR/m² netto kalt verlangt werden, ist eine genehmigungsfähige Anerkennung der neu geschaffenen Wohn-einheiten als „Ersatzwohnraum“ rechtlich ausgeschlossen.

Dieser Beschränkung folgten die Richter nicht. Auch wenn der neue Ersatzwohnraum, z. B. Eigentumswohnungen, einen höheren Standard als die alten Mietwohnungen aufweisen sollte, dient er doch in gleicher Weise der Versorgung des allgemeinen Wohnungsmarktes, sofern er die „Luxusgrenze“ nicht überschreitet. Das gilt in gleicher Weise, wenn die künftige Nettokaltmiete für den Ersatzwohnraum oberhalb der verordnungsrechtlichen Deckelung liegen sollte. Das Zweckentfremdungsverbot kann nicht herangezogen werden, um die Mietentwicklung losgelöst von den mietrechtlichen Vorschriften zu begrenzen.

Ausblick:

Eine abschließende Klärung steht noch aus. Das Land Berlin hat Berufung eingelegt. Ob das OVG Berlin-Brandenburg - Az: 5 B 29.19 - der rechtlichen Bewertung des Ausgangs-gerichts folgt - was rechtlich mehr als vertretbar erscheint - bleibt abzuwarten. Unabhängig davon, ob diese Regelung ggf. auch ganz abgeschafft werden muss, besteht gegenwärtig jedenfalls eine differenzierte Regelung zur Mietobergrenze bei Ersatzwohnraum, auf welche sich Wohnungs- und Gebäudeeigentümer berufen können. Sofern die Bezirksämter die Einhaltung dieser Mietobergrenze für Ersatzwohnraum gleichwohl weiterhin einfordern oder die Absicherung durch beschränkt persönliche Dienstbarkeiten geltend machen, bleibt jedenfalls in den meisten Fällen wohl nur der Gang zu Gericht. 

 

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