Sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge - K.O. für Berlin?

sanierungsrechtlicher Ausgleichsbetrag, Sanierungsgebiet, Rechtsverordnung, BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2020 – Az: 4 B 11.19, OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.10.2018 - Az: OVG 2 B 2.16, §§ 154 ff. BauGB, Sanierungsgebiet „Spandauer Vorstadt“, Sanierungsgebiet „Kollwitzplatz“, Sanierungsgebiet „Helmholtzplatz“, Festsetzungsverjährung, Lagewertanteil, LVmax, Bodenwertsteigerung, Plausibilitätskontrolle
22.09.2020 | 

Die Entscheidung:

Die (umstrittene) Rechtsansicht des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, wonach die Bewertungsmethode der Berliner Bezirke zur Ermittlung sog. sanierungsrechtlicher Bodenwertsteigerungen - trotz eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle - nicht plausibel und nachvollziehbar begründet wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht nunmehr bestätigt.

In mehreren gleichlautenden Beschlüssen vom 24. Juli 2020 haben die Bundesrichter die Nichtzulassungsbeschwerden des Landes Berlin gegen die obergerichtliche Rechtsprechung zurückgewiesen. Zu Recht sei die Vorinstanz (OVG) jeweils davon ausgegangen, dass die Berechnung des Ausgleichsbetrages - nach der besonderen Berliner Methode - fehlerhaft sei, da sie Bodenwertzuwächse zum Nachteil der Grundstückseigentümer berücksichtige, die nicht kausal durch die Sanierung im Umgebungsgebiet bedingt seien. Das gelte sowohl mit Blick auf die unzureichende Berücksichtigung externer werterhöhender Effekte einer-seits wie auch die Berücksichtigung eines nicht näher bestimmten „maximal veränderbaren Lagewertanteils“ andererseits (BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2020 - Az: 4 B 11.19 u.a.).

Hintergrund:

In der Vergangenheit haben zahlreiche Berliner Bezirke private Haus- und Wohnungseigentümer in Sanierungsgebieten über sog. sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge „zur Kasse“ gebeten. In Sanierungsgebieten, die mit staatlichen Mitteln aufgewertet wurden, müssen diese Eigentümer einen - teilweise sechsstelligen - Ausgleichsbetrag zahlen, der wertmäßig der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung entspricht. Dies kann auch noch Jahre nach dem Erwerb der Immobilie in einem Sanierungsgebiet geschehen, was trotz der hiermit verbundenen Steuervorteile (§ 7h EStG) zu berücksichtigen ist.

Gemeinden ist bei der Bewertung von Grundstücksflächen ein Wertermittlungsspielraum eingeräumt, der grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle zugänglich ist, insbesondere weil der Gesetzgeber keine ausdrückliche Regelung zur Methode der Wert-ermittlung getroffen hat. Soweit dieser Wertermittlungsspielraum reicht, findet jedoch eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle in Form einer „Plausibilitätskontrolle“ statt.

Hiervon ausgehend lag zur Überzeugung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg wegen der gleichzeitig mit der Sanierung wirksam gewordenen Effekte der Wiederver-einigung sowie der herausragenden Lage und Qualität des damit für Investoren attraktiven Stadtgebiets („Spandauer Vorstadt“) ein Sonderfall vor, in dem es gewiss sei, dass es auch ohne die angeordnete Sanierung zu einer qualitativen Fortentwicklung des Gebiets und einer entsprechenden Bodenwerterhöhung gekommen wäre („wendebedingte Effekte“). Diese externen Effekte dürfen sich jedoch nicht in dem Ausgleichsbetrag niederschlagen (u.a. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.10.2018 - Az: OVG 2 B 2.16). Diesen fehlenden kausalen Zusammenhang zur Sanierungsmaßnahme habe der Bezirk indes nicht herausgerechnet. War das angewandte Wertermittlungsverfahren insoweit nicht geeignet, den tatsächlichen Umständen Rechnung zu tragen, sei das Gericht auch nicht zur Ermittlung des zutreffenden Zahlungsbetrages verpflichtet und der Bescheid - in Gänze - aufzuheben.

Die Bundesrichter haben diese Feststellungen bestätigt und insbesondere ausgeführt, dass die Gemeinde für die richtige Ermittlung der sanierungsbedingten Bodenwertsteigerung beweispflichtig ist. Dies schließe es auch aus, die Behauptung einer fehlenden Kausalität durch den Eigentümer als „Einwendung“ gegen den gemeindlichen Zahlungsanspruch zu behandeln mit der Folge, dass der Eigentümer für die tragenden Umstände beweisbelastet ist. Gescheitert ist das Land Berlin auch mit seiner Kritik an der tatrichterlichen Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, wonach die Ableitung des sog. „maximal veränderbaren Lagewertanteils (LVmax)“ nicht ausreichend plausibel und nachvollziehbar begründet sei. Diese Feststellung halte sich innerhalb der gerichtlichen Plausibilitätskontrolle, welche auch die wertbildenden Faktoren als Bestandteil der Wertermittlung (mit) umfasse.

Ausblick:

Bei den nun auch höchstrichterlich bestätigten Rechtsfehlern handelt es sich um grundsätzliche Mängel in der Wertbestimmung für sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge in den Sanierungsgebieten der Berliner Bezirke. Zwar wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob die von den Gerichten festgestellte „Sondersituation“ eines Sanierungsgebiets für „wendebedingte Effekte“ auch in anderen Stadtgebieten vorliegt, was eine herausragende Lage und Qualität mit hohem Investitionsdruck erfordert. Indes spricht einiges dafür, dass dies zumindest auch für diejenigen Sanierungsgebiete in zentraler Lage im Ostteil der Stadt, insbesondere mit hoher Aufwertung, zutrifft (z. B. Sanierungsgebiet „Kollwitzplatz“).

Besonders schwerwiegend dürfte jedoch die gerichtliche Kritik am „maximal veränderbaren Lagewertanteil (LVmax)“ wiegen. Die Berücksichtigung dieses Wertes ist unabhängig vom jeweiligen Sanierungsgebiet ausdrücklich in der entsprechenden Ausführungsvorschrift des Landes festgeschrieben und betrifft die Sanierungsgebiete der 9. bis 12. Verordnung zur Festlegung von Sanierungsgebieten. Festsetzungsbescheide, die hierunter fallen, dürften sich danach flächendeckend als rechtswidrig erweisen. Denn nach der höchstrichterlichen Bestätigung steht fest, dass die gerichtliche Kontrolle insoweit nicht durch eine besondere Fachkompetenz der Bewertungssachverständigen beschränkt oder ausgeschlossen wird. In dem Fall sind die Festsetzungs- und Leistungsbescheide der betroffenen Bezirke vollständig aufzuheben, wobei auch eine Nacherhebung mit Blick auf den zwischenzeitlichen Eintritt der sog. Festsetzungsverjährung überwiegend ausgeschlossen sein dürfte.

Eine rechtliche Überprüfung dürfte sich daher in vielen Fällen wirtschaftlich lohnen.

 

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