Nachschussforderungen einer BGB-Gesellschaft gemäß § 735 BGB im Rahmen der Liquidation

BGB-Gesellschaft, Liquidation, Nachschussforderung, Aufwendungsersatzanspruch
08.02.2021 | 

Mit Urteil vom 27. Oktober 2020, Aktenzeichen II ZR 150/19, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine BGB-Gesellschaft (GbR) im Rahmen ihrer Liquidation vertreten durch den Liquidator Nachschüsse zum Zweck des Ausgleichs unter den Gesellschaftern einfordern kann.

Worum geht es?

Die Gesellschafter einer GbR sind gemäß § 735 BGB im Rahmen der Liquidation der Gesellschaft verpflichtet, Nachschüsse zu leisten, soweit dies zur Befriedigung von Gläubigern der Gesellschaft erforderlich ist. Es stellte sich jedoch die Frage, ob eine solche Nachschusspflicht auch dann besteht, wenn es nicht um Drittgläubiger-Ansprüche geht, die zu befriedigen sind, sondern um Ansprüche von Gesellschaftern. Solche Ansprüche können sich insbesondere daraus ergeben, dass ein Gesellschafter während des Bestehens der Gesellschaft Aufwendungen für die Gesellschaft hatte, beispielsweise indem er Verbindlichkeiten der Gesellschaft getilgt hat. Einem GbR-Gesellschafter steht gemäß §§ 713, 670 BGB ein Aufwendungsersatzanspruch gegenüber der Gesellschaft für Aufwendungen zu, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Ein entsprechender Aufwendungsersatzanspruch ergibt sich in Bezug auf Personenhandelsgesellschaften (OHG und KG) aus § 110 HGB. Kann die Gesellschaft im Rahmen ihrer Liquidation aus dem ihr zur Verfügung stehenden Vermögen diesen Anspruch des Gesellschafters nicht erfüllen, so stellt sich die Frage, ob die Gesellschaft selbst die übrigen Gesellschafter auf Nachschusszahlungen gemäß § 735 BGB in Anspruch nehmen kann, um sich so die notwendige Liquidität zu verschaffen, Aufwendungsersatzansprüche eines Mitgesellschafters zu erfüllen.

Die Entwicklung der Rechtsprechung

Mit Urteil vom 22. Februar 2011 (Aktenzeichen II ZR 158/09) hatte der Bundesgerichtshof zunächst allgemein festgestellt, dass ein Gesellschafter Mitgesellschafter im Hinblick auf seinen gegenüber der Gesellschaft bestehenden Aufwendungsersatzanspruch im Wege des Rückgriffs anteilig unmittelbar in Anspruch nehmen kann, sofern der Gesellschaft selbst keine hinreichend freien Mittel zur Verfügung stehen, um diesen Anspruch zu befriedigen. Darüber hinaus betont der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung, dass im Rahmen der Liquidation der GbR hinsichtlich des Aufwendungsersatzanspruchs eines Gesellschafters eine Durchsetzungssperre besteht, die zur Folge hat, dass der Anspruch nicht mehr separat gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht werden kann, sondern als unselbstständiger Rechnungsposten in die Schlussrechnung mit aufzunehmen ist. Offen blieb in dieser Entscheidung noch die Frage, wie vorzugehen ist, wenn sich aus der Liquidationsschlussabrechnung ergibt, dass die Gesellschaft den Anspruch des Gesellschafters nicht befriedigen kann.

Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof - allerdings nur in Bezug auf Publikumsgesellschaften - mit zwei Urteilen vom 15. November 2011 (Aktenzeichen II ZR 266/09 und 272/09) auseinandergesetzt. In diesen Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass im Rahmen der Liquidation von Publikumsgesellschaften auch ohne eine besondere Regelung im Gesellschaftsvertrag auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhende Ansprüche zwischen den Gesellschaftern und gegenüber der Gesellschaft in die Auseinandersetzungsrechnung einzustellen sind und der auf dieser Grundlage auf jeden Gesellschafter entfallende Fehlbetrag zu ermitteln ist. Sodann hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Liquidatoren berechtigt sind, die zur Berichtigung dieser Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber einem Mitgesellschafter erforderlichen Nachschüsse von den Gesellschaftern auf Basis der so erstellten Schlussabrechnung einzufordern. Schließlich hat der Bundesgerichtshof schon in diesen Entscheidungen festgestellt, dass bei mangelnder Leistungsfähigkeit einzelner Gesellschafter die übrigen Gesellschafter entsprechend höher in Anspruch zu nehmen sind.

Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 30. Januar 2018, Aktenzeichen II ZR 95/16, in Bezug auf eine Publikums-KG bestätigt. Danach kann der Liquidator im Rahmen der Liquidation einer Publikums-KG zum Zwecke des Gesellschafterausgleichs rückständige Einlagen von den Gesellschaftern einfordern.

Das Urteil vom 27. Oktober 2020

Diese Rechtsprechung setzt der Bundesgerichtshof mit seinem aktuellen Urteil vom 27. Oktober 2020 konsequent fort, indem er in Bezug auf eine GbR klarstellt, dass die Gesellschaft auch dann, wenn es sich nicht um einen Publikumsgesellschaft handelt, Nachschüsse von Gesellschafters gemäß § 735 BGB einfordern kann, auch wenn diese Nachschüsse nur noch dem Ausgleich unter den Gesellschaftern, beispielsweise zur Erfüllung von Aufwendungsersatzansprüchen von Mitgesellschaftern, dienen. Der Bundesgerichtshof begründet dies damit, dass es sich bei Aufwendungsersatzansprüchen nicht um reine Ansprüche der Gesellschafter untereinander handelt, sondern hebt hervor, dass die Ansprüche zunächst gegen die Gesellschaft selbst gerichtet sind, sie somit durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, sodass es sich um Sozialansprüche bzw. Sozialverbindlichkeiten handelt, die im Rahmen der Liquidation auszugleichen sind.

Handlungsoptionen

Im Hinblick auf Aufwendungsersatzansprüche eines Gesellschafters ergeben sich danach im Rahmen der Liquidation einer Personen(handels)gesellschaft grundsätzlich zwei Handlungsoptionen: Kann die Gesellschaft aus der Liquidationsmasse den Anspruch gegenüber dem Gesellschafter nicht erfüllen, steht es dem betroffenen Gesellschafter frei, die Mitgesellschafter unmittelbar anteilig in Regress zu nehmen. Auf Grundlage des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 27. Oktober 2020 besteht alternativ die Möglichkeit, dass die Gesellschaft selbst den Innenausgleich durch Einforderung von Nachschüssen nach § 735 BGB herbeiführt. Dabei betont der Bundesgerichtshof allerdings, dass der Anspruch der Gesellschaft dann entfällt, wenn und soweit der Gesellschafter seine Mitgesellschafter unmittelbar in Anspruch nimmt. Der Anspruch der Gesellschaft ist damit subsidiär. Sofern ein Liquidator mithin beabsichtigt, solche Ansprüche geltend zu machen, sollte er sich zuvor mit dem Gesellschafter, um dessen Forderungen es letztlich geht, abstimmen, um ein einheitliches Vorgehen zu gewährleisten.

 

Redaktion:

Rechtsanwalt Dr. Christian Stari

BEHTGE.REIMANN.STARI Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin

Sekretariat: Diana von Pentz, Tel.: 030 / 89 04 92 - 34, Fax: 030 / 89 04 92 - 10

Recht aktuell wird nach sorgfältig ausgewählten Unterlagen erstellt. Diese Veröffentlichung verfolgt ausschließlich den Zweck, bestimmte Themen anzusprechen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für die Anwendung im konkreten Fall kann eine Haftung nicht übernommen werden. Sollten Sie weitere Fragen zu den angesprochenen Themen haben, so wenden Sie sich bitte an unsere Ansprechpartner. Der Nachdruck - auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe gestattet.

Sie sind berechtigt, einer Direktwerbung jederzeit telefonisch, schriftlich oder per Email an datenschutz@brs-rechtsanwaelte.de mit Wirkung für die Zukunft zu widersprechen. Wenn Sie die Publikation nicht mehr erhalten wollen, teilen Sie uns dies bitte per E-Mail mit.

Bethge.Reimann.Stari Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Partnerschaftsregister: Amtsgericht Berlin, Registernummer: PR 1040 B, Kurfürstendamm 67, 10707 Berlin, Tel.: +49 30 – 890492-0, Fax: +49 30 – 890492-10, E-Mail: brs@brs-rechtsanwaelte.de



# Tags: Recht Aktuell, Gesellschaftsrecht, Dr. Christian Stari