Geplante Änderungen in der Strom- und GasGVV

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27.09.2021 | 

Nach einer Änderung des EnWG (vgl. hierzu unsere Kurzinfo zum Energierecht Nr. 76 vom 03. August 2021) steht nun die Änderung der Strom- und GasGVV kurz bevor. Der Verordnungsentwurf der Bundesregierung befindet sich momentan noch in der Ausschussberatung im Bundesrat („Entwurf einer Verordnung zur Anpassung der Stromgrundversorgungsverordnung und der Gasgrundversorgungsverordnung an unionsrechtliche Vorgaben, BR-Drs. 724/21). Der Bundesrat hat den Verordnungsentwurf federführend an seinen Wirtschaftsausschuss sowie an den Rechtsausschuss, verwiesen. Mit einer Beschlussfassung des Bundesrats ist nicht vor Anfang November 2021 zu rechnen. Dennoch sollten Sie sich bereits jetzt vorbereiten, da die Verordnung weitestgehend keine Übergangsfristen vorsieht.

Nachfolgend stellen wir dar, mit welchen Änderungen voraussichtlich sicher gerechnet werden muss (dazu unter A.) und bei welchen Änderungen es ggf. noch keine abschließende Fassung gibt oder jedenfalls aus unserer Sicht in dieser Form auch nicht geben sollte, da die Regelungen in der jetzigen Fassung viele Unklarheiten mit sich bringen (dazu unter B.).

Wann die neuen Regelungen genau in Kraft treten und ob die Verordnungen ohne Änderungen in Kraft treten werden, ist noch nicht bekannt.

Unsere Ausführungen beziehen sich derzeit auf die Fassung der Verordnungen, die von der Bundesregierung dem Bundesrat zugeleitet wurde. Sobald näher bekannt ist, wann die Regelungen endgültig sind, werden wir Sie abermals informieren.

A. Änderungen, die mit großer Sicherheit zu erwarten sind

Dass die erheblichen Änderungen, die durch das Gesetz zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht (EnWG-Novelle) hinsichtlich der Energielieferverträge verursacht wurden, auch für die Grundversorgungsverhältnisse umgesetzt werden sollen, kündigte schon die damalige Gesetzesbegründung an.

Da die Neuerungen aus dem EnWG 2021 für die Kunden außerhalb der Grundversorgung ohnehin umgesetzt werden müssen, ist zu empfehlen, dass Sie auch für die Grundversorgungskunden diese Anpassungen bereits jetzt vornehmen bzw. vorbereiten.

I. Grundversorgungstarife und Messstellenentgelte

In § 1 Abs. 1 S. 3 wird noch näher konkretisiert, dass in den Grundversorgungstarifen grds. alle Messstellenentgelte enthalten sind. Konventionelle Zähler sind als Teil der Netzentgelte zu verstehen. Entgelte für moderne Messeinrichtungen oder intelligente Messsysteme werden aufgrund von Messstellenverträgen berechnet, solange der Kunde keinen kombinierten Vertrag im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 MsbG mit seinem Lieferanten abgeschlossen hat. Für die Grundversorgung hat der Verordnungsgeber bereits jetzt fingiert, dass ein kombinierter Vertrag im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 MsbG vorliegt.

Auf Wunsch des Kunden (NICHT auf Wunsch des Grundversorgers) kann hiervon (kombinierter Vertrag) jedoch abgewichen werden. Dies beabsichtigt der Verordnungsgeber nun mit einem neuen S. 3 weiter klarzustellen. Energieversorger sollten darüber nachdenken, ob sie Messentgelte informatorisch gesondert als Preisbestandteil des Grundversorgungstarifs anweisen.

II. Pflichtinhalte in Vertragsbestätigung (entspricht § 41 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 11 EnWG)

Hier kommt es – wie schon nach dem EnWG vorgesehen – zu weiteren Pflichtinhalten, die bei der Vertragsbestätigung gem. § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StromGVV künftig vorzusehen sind:

  • Angaben zur belieferten Verbrauchsstelle
  • Bezeichnung der für die Entnahmestelle verwendeten Identifikationsnummer
  • Verbraucherschlichtungsstelle (nur sprachliche Anpassung)
  • Verbraucherservice der Bundesnetzagentur (nur sprachliche Anpassung)
  • Muster einer Abwendungsvereinbarung (NEU) – siehe dazu unter B.II.5.

Die letzten drei Angaben sind auch auf der Internetseite zu machen!

III. Verbrauchsermittlung (Änderungen wie nach dem EnWG für andere Kunden)

Der bisher mit „Ablesung“ überschriebene § 11 StromGVV/GasGVV wird neu gefasst werden.

§ 11 StromGVV/GasGVV soll künftig die Überschrift „Verbrauchsermittlung“ tragen. Für die Verbrauchsermittlung zur Abrechnung soll künftig die Geltung von § 40a EnWG direkt angeordnet werden (vgl. hierzu unsere Kurzinfo zum Energierecht Nr. 76 vom 03. August 2021).

Damit sind hinsichtlich der Verbrauchsermittlung keine großen Änderungen verbunden. Die Regelungen aus § 40a EnWG entsprechend weitestgehend dem System der Verbrauchsermittlung, welches ohnehin bereits in der Grundversorgung galt.

Auch künftig besteht die Möglichkeit, entweder

=> die vom Messstellenbetreiber oder Netzbetreiber erhaltenen Ablesewerte (oder rechtmäßigen Ersatzwerte),

=> die durch den Grundversorger selbst abgelesenen Werte oder

=> die durch eine Selbstablesung des Letztverbrauchers erlangten Werte zu verwenden.

Ebenso bleibt es bei einem Widerspruchsrecht des Kunden, wenn ihm die Ablesung unzumutbar ist.

Änderungen erfahren dagegen die Regelungen zur Schätzung des Energieverbrauchs. Durch den Verweis auf § 40a Abs. 2 EnWG sind nun die dort aufgenommenen neuen, ausführlicheren Anforderungen und Hinweispflichten auch in der Grundversorgung zu beachten.

=> Voraussetzung für eine Schätzung bleibt, dass der Grundversorgungskunde eine verpflichtende Selbstablesung nicht durchführt oder der Grundversorger aus anderen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen, den tatsächlichen Verbrauch nicht ermitteln konnte.

=> Die Schätzung muss die tatsächlichen Verhältnisse angemessen berücksichtigen.

=> Wird eine Schätzung vorgenommen, muss ausdrücklich und optisch besonders hervorgehoben unter Nennung des Grunds für die Zulässigkeit auf die Schätzung hingewiesen werden. Die der Schätzung zugrunde gelegten Faktoren sind in der Rechnung anzugeben und auf Wunsch des Grundversorgungskunden in Textform und unentgeltlich zu erläutern.

IV. Rechnungen und Zahlungsweisen (Änderungen wie nach dem EnWG für andere Kunden)

Die Pflichtinhalte für Rechnungen sowie die Erläuterungspflichten aus § 40 Abs. 1 bis 4 EnWG (vgl. hierzu unsere Kurzinfo zum Energierecht Nr. 76 vom 03. August 2021) sollen künftig auch für die Grundversorgung gelten.

Zu den neuen Pflichtangaben nach § 40 Abs. 2 EnWG zählen dabei insbesondere folgende Hinweise,

=> dass die Belieferung im Rahmen der Grundversorgung stattfindet. Dieser Hinweis ist insbesondere dann erforderlich, wenn aus der Tarifbezeichnung selbst nicht hervorgeht, dass ein Grundversorgungsverhältnis besteht.

=> Neu ist ebenfalls, dass die Rechnung einen Vergleich des ermittelten Verbrauchs mit dem Verbrauch des Vorjahreszeitraums enthalten muss. Der Vergleich muss auch grafisch erfolgen.

=> Auch die Pflicht zur verständlichen und unentgeltlichen Erläuterung der Rechnung wird dadurch auf die Grundversorgung ausgedehnt. Rechnungen sind so zu gestalten, dass sie einfach und verständlich sind. Der Rechnungsbetrag und das Datum der Fälligkeit müssen deutlich erkennbar sein und optisch hervorgehoben werden.

=> § 40 Abs. 3 EnWG n.F. verpflichtet ferner in Rechnungen besondere Belastungen auszuweisen, sofern diese Kalkulationsbestandteile der in die Rechnung einfließenden Preise sind. Dies galt allerdings für die Grundversorgung bereits nach § 2 Abs. 3 Nr. 5 StromGVV, bei der GasGVV waren bisher nur die Energiesteuer und Konzessionsabgaben gesondert auszuweisen. Hier wird nun der CO2-Preis hinzugefügt.

Insgesamt auszuweisen sind:

  • Stromsteuer oder Energiesteuer
  • Konzessionsabgabe
  • Jeweils gesondert für Strom: EEG-Umlage, KWK-Umlage, § 19 Abs. 2 StromNEV-Umlage, AbLaV-Umlage
  • Jeweils gesondert für Strom: Netzentgelte; Entgelte des Messstellenbetreibers (soweit Gegenstand des Liefervertrags)
  • Nur bei Gasrechnungen bis 31. Dezember 2025: Kosten in Cent/kWh für Erwerb von CO2-Emissionszertifikaten nach BEHG

V. Unterschiedliche Zahlungsweisen (§ 16 Abs. 2 S. 2 (neu)

Auch in der Grundversorgung gilt danach § 41 Abs. 2 S. 2 und 3 EnWG:

„Unterschiede bei Zahlungsarten oder Vorauszahlungssystemen müssen objektiv, diskriminierungsfrei und verhältnismäßig sein. Letztverbrauchern in Rechnung gestellte Kosten für die Nutzung der unterschiedlichen Zahlungsarten oder Vorauszahlungssysteme dürfen die unmittelbaren Kosten, die dem Zahlungsempfänger für die Nutzung der jeweiligen Zahlungsart oder eines Vorauszahlungssystems entstehen, nicht übersteigen.“

Achtung! Regelungswiderspruch in der Verordnung! Hier bleibt abzuwarten, wie sich diese Regelung im Verhältnis zu den beabsichtigten Regelungen zur Sperrung verhält. Denn während nach § 41 Abs. 2 S. 3 EnWG i.V.m. § 16 Abs. 2 S. 2 StromGVV/GasGVV Entgelte für Vorauszahlungssysteme zulässig sind, fordert der Verordnungsgeber im Rahmen der Sperrvoraussetzungen derzeit noch, dass durch das Angebot eines Vorauszahlungssystems „keine Mehrkosten“ beim Kunden entstehen dürfen (vgl. hierzu unter B.II.4.).

VI. Kündigungsbestätigung (vgl. § 41 b Abs. 1 EnWG)

Kündigt der Kunde das Grundversorgungsverhältnis, so muss der Grundversorger ihm die Kündigung unverzüglich nach Eingang (bei anderen Kunden nach Abs. 1 innerhalb 1 Woche) in Textform bestätigen. Dabei ist das Datum des Vertragsendes anzugeben.

Auch hier war Treiber, dass der Kunde zeitnah erfahren soll, wenn z.B. ein Dritter seinen Vertrag für ihn gekündigt hat. Auch in diesen Fällen soll eine Kündigungsbestätigung deshalb ausdrücklich gegenüber dem Kunden erfolgen.

Insoweit sind die Prozesse ähnlich wie bei anderen Kunden anzupassen und Kündigungsfristen zu hinterlegen.

Achtung! Die neue Umzugsregelung aus § 41 b Abs. 4 EnWG für Kunden außerhalb der Grundversorgung wurde nicht in die Strom-/GasGVV aufgenommen.

B. Neue Regeln zur Sperrung der Versorgung

I. Europäische Vorgaben

Der Verordnungsgeber plant derzeit die Möglichkeiten einer Versorgungssperrung erheblich zu beschränken und von der Einhaltung vieler, zum Teil unklarer Voraussetzungen abhängig zu machen. Hier bleibt zu hoffen, dass der Verordnungsgeber teilweise vom Bundesrat noch „eingefangen“ werden kann.

Hintergrund der Regelung ist Art. 28 der Richtlinie EU 2019/944. Dieser ordnet allerdings nur Folgendes an.

(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen zum Schutz der Kunden und tragen insbesondere dafür Sorge, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz besteht. In diesem Zusammenhang definiert jeder Mitgliedstaat den Begriff „schutzbedürftiger Kunde“, der auf Energiearmut abstellen und auf das Verbot, solche Kunden in schwierigen Zeiten von der Energieversorgung auszuschließen, hinweisen kann. Für die Definition des Begriffs „schutzbedürftiger Kunde“ können die Höhe des Einkommens, der Anteil der Energieausgaben am verfügbaren Einkommen, die Energieeffizienz von Wohnungen, die kritische Abhängigkeit von elektrischen Geräten für gesundheitliche Zwecke, das Alter und weitere Kriterien herangezogen werden. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechte und Verpflichtungen im Zusammenhang mit schutzbedürftigen Kunden gewährt bzw. eingehalten werden. Insbesondere treffen sie Vorkehrungen, um Endkunden in abgelegenen Gebieten zu schützen. Die Mitgliedstaaten gewährleisten einen hohen Verbraucherschutz, insbesondere bei der Transparenz der Vertragsbedingungen, allgemeinen Informationen und Streitbeilegungsverfahren.

(2) Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, beispielsweise Leistungen im Rahmen der Systeme der sozialen Sicherheit zu gewähren, um die notwendige Versorgung für schutzbedürftige Kunden zu gewährleisten, oder Zuschüsse für Verbesserungen der Energieeffizienz zu gewähren sowie Energiearmut, sofern sie gemäß Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2018/1999 festgestellt wurde, auch im breiteren Kontext der Armut, zu bekämpfen. Durch diese Maßnahmen dürfen die in Artikel 4 geforderte wirksame Öffnung des Marktes oder das Funktionieren des Marktes nicht beeinträchtigt werden, und die Kommission ist gegebenenfalls gemäß Artikel 9 Absatz 4 von ihnen in Kenntnis zu setzen. Die entsprechenden Mitteilungen können auch Maßnahmen innerhalb des allgemeinen Systems der sozialen Sicherheit enthalten.

Während dem europäischen Gesetzgeber eher vorschwebte, dass der Staat im Rahmen sozialer Sicherungssystem die Teilhabe der „schutzbedürftigen Kunden“ an der Energieversorgung sicherstellt, hat der deutsche Gesetzgeber diese Anforderung dadurch gelöst, dass es dem Grundversorger nahezu unmöglich gemacht wird, Kunden von der Energieversorgung zu trennen, selbst wenn diese ihre Rechnungen nicht bezahlen.

Hier besteht aber durchaus ein anderer Umsetzungsspielraum, der noch genutzt werden sollte.

II. Regelungsentwürfe

Zu den Regelungsentwürfen im Einzelnen:

1. Verhältnismäßigkeit der Versorgungsunterbrechung (nicht neu)

Hinsichtlich der weiterhin durchzuführenden Verhältnismäßigkeitsprüfung soll nach § 19 Abs. 2 S. 2 StromGVV/GasGVV die Verhältnismäßigkeit insbesondere dann nicht gewahrt sein, wenn durch die Unterbrechung eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben der dadurch Betroffenen zu befürchten ist. Das ist nicht wirklich neu.

2. Neue Hinweispflichten für die Androhung der Unterbrechung

Bei der Androhung der Unterbrechung, die auch weiterhin zugleich mit der Mahnung erfolgen kann, soll der Grundversorger künftig

=> darauf hinweisen müssen, dass der Kunde Gründe für eine Unverhältnismäßigkeit der Unterbrechung und dabei insbesondere für eine Gefahr für Leib oder Leben in Textform vortragen kann. Bisher mussten nur bekannte Gründe berücksichtigt werden. Nun muss sich der Grundversorger um Kenntnis bemühen.

=> in klar und hervorgehobener Form auf den Unterbrechungsgrund sowie auf die Kosten für Unterbrechung und nachfolgender Wiederherstellung der Versorgung hinzuweisen müssen.

3. Neue Wertgrenzen für die Unterbrechung für Strom- und GasGVV gleich

Es gelten nun folgende Wertgrenzen:

=> 100,00 EUR Mindestaußenstände

oder

=> mindestens das Doppelte der im laufenden Monat anfallenden Abschlags- oder Vorauszahlungen

oder

=> mindestens 1/6 der voraussichtlichen Jahresrechnung.

Es ist jeweils der höchste Mindestbetrag zu beachten.

4. Neue Informationspflichten vor der Sperrung

Hinzu treten sollen außerdem, wie bereits in § 41b Abs. 2 EnWG eingeführt, Informationspflichten vor einer Versorgungsunterbrechung wegen Zahlungsverzug.

Die beispielhafte Aufzählung möglicher Hinweise in StromGVV/GasGVV entspricht der in § 41b Abs. 2 S. 2 EnWG.

Möglichkeiten zur Vermeidung der Unterbrechung, die für den Kunden keine Mehrkosten verursachen, sind danach z.B.

  • Örtliche Hilfsangebote zur Abwendung einer Versorgungsunterbrechung wg. Nichtzahlung
  • Vorauszahlungssysteme (Widerspruch zu § 14 Abs. 3 i.V.m. § 16 StromGVV, da danach Mehrkosten zulässig sind.)
  • Informationen zu Energieaudits und zu Energieberatungsdiensten
  • Hinweis auf staatliche Unterstützungsmöglichkeiten der sozialen Mindestsicherung oder auf eine anerkannte Schuldner- und Verbraucherberatung.

Diese Information muss dem Kunden mit der Androhung der Unterbrechung zugehen. Unklar bleibt dabei, wie auch schon im EnWG, welche Konsequenzen die Nutzung dieser Hilfsangebote durch den Kunden hat und ob schon die Inanspruchnahme der Hilfsangebote eine Sperrung ausschließt.

Zusätzlich soll auch auf die künftig verpflichtende Abwendungsvereinbarung (NEU) hinzuweisen sein.

5. Verpflichtendes Angebot einer Abwendungsvereinbarung

Diese Abwendungsvereinbarung soll jedem Kunden angeboten werden müssen, bei dem eine Sperrung der Versorgung beabsichtigt ist.

a) Inhalt der Abwendungsvereinbarung

=> Angebot einer zinsfreien Ratenzahlungsvereinbarung

=> wirtschaftlich zumutbarer Zeitraum für die Ratenzahlung, in der Regel sechs bis 18 Monate.

=> Vereinbarung einer Weiterversorgung auf Vorauszahlungsbasis nach § 14 Abs. 1 und 2 Strom-/GasGVV

Achtung! Prepaid-Zähler gem. Abs. 3 würden danach gerade nicht gehen!

Achtung: Wichtiger Hinweis zur Ratenzahlungsvereinbarung: Nach dem BGB gelten auch zinslose Ratenzahlungsvereinbarungen gegenüber Verbrauchern als unentgeltlicher Zahlungsaufschub (§ 515 BGB). Danach ist vor Abschluss zwingend eine Kreditwürdigkeitsprüfung vom Versorger durchzuführen. Gerade eine solche dürfte bei säumigen Kunden aber häufig ein negatives Ergebnis bringen. Ein Abschluss entgegen einer negativen Bonitätsauskunft oder der Verzicht auf eine Bonitätsprüfung löst jedoch ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Verbrauchers aus (§ 505d Abs. 1 S. 3, 1. HS BGB). Durch die Verpflichtung zum Angebot der Abwendungsvereinbarung ist aber jedenfalls denkbar, dass es auf das Ergebnis einer solchen Bonitätsprüfung nicht ankommen soll. Dies widerspräche aber der Normenhierarchie, wonach das BGB der StromGVV/GasGVV vorgeht. Erkennbar hat der Gesetzgeber diesen Konflikt nicht gesehen!

b) Rechtsfolge: Abschuss einer Abwendungsvereinbarung

Wenn der Kunde die Abwendungsvereinbarung annimmt, darf keine Unterbrechung mehr vorgenommen werden.

Eine Versorgungsunterbrechung käme erst dann in Frage, wenn der Kunde gegen die Vereinbarung durch Nichtzahlung verstößt. Für die Abwendungsvereinbarung ist Textform vorgeschrieben, der Kunde kann sie auch in Textform annehmen.

6. Neue Sperrfrist: 4 Wochen Androhung, Sperrankündigung: 8 Tage

Künftig soll acht Tage, statt wie bisher drei Tage, vor der Unterbrechung dem Kunden die Unterbrechung mitgeteilt werden. Hierfür ist vorgesehen, dass diese Ankündigung brieflich erfolgen muss. Zusätzlich soll die Ankündigung nach Möglichkeit auch elektronisch in Textform versendet werden. Auch hier muss noch einmal wie bereits in der Androhung klar und in hervorgehobener Weise auf den Unterbrechungsgrund sowie auf die Kosten für Unterbrechung und nachfolgender Wiederherstellung der Versorgung hingewiesen werden.

7. Überblick neue Rechtslage zur Versorgungsunterbrechung

Voraussetzungen einer Versorgungsunterbrechung künftig:

Zahlungsverzug:

=> Mindestens 2 x Höhe der auf laufenden Kalendermonat entfallenden Abschlags- oder Vorauszahlung

=> oder, wenn keine Abschlags-/Vorauszahlungen erhoben werden: min. 1/6 des voraussichtlichen Betrags der Jahresrechnung

=> und in jedem Fall ein Zahlungsverzug in Höhe von mindestens 100,00 EUR

=> Verhältnismäßigkeit der Sperrung, insbesondere keine Gefahr für Leib oder Leben der Betroffenen

=> Androhung vier Wochen vor Unterbrechung, auch zugleich mit der Mahnung

=> (neu) Hinweispflichten: Abfrage von Gründen, die gegen eine Sperrung sprechen, Hinweis auf Möglichkeiten zur Vermeidung der Unterbrechung, Möglichkeit zum Abschluss einer Abwendungsvereinbarung, Grund der Unterbrechung, Kosten für Sperrung und Wiederherstellung der Versorgung

Angebot einer Abwendungsvereinbarung:

=> Ratenzahlungsvereinbarung

und

=> Weiterversorgung auf Vorauszahlungsbasis

=> Sperrankündigung acht Tage im Voraus, mit Hinweisen auf Grund der Unterbrechung, Kosten für Sperrung und Wiederherstellung der Versorgung

Für die Abwendungsvereinbarung sollen die Grundversorger ein Muster erstellen, welches ab dem 1. Januar 2022 auch auf ihrer Internetseite abrufbar sein muss.

Erstellt werden müsste das Muster schon vorher, da die Verpflichtung, die Abwendungsvereinbarung anzubieten, sofort und ohne Übergangsfrist in Kraft treten soll.

C. Fazit

Es ist zu erwarten, dass die neuen Hürden auch zu einer noch schwierigeren Herbeiführung von Versorgungsunterbrechung führen werden. Problematisch ist dabei insbesondere das verpflichtende Angebot von Ratenzahlungsvereinbarungen im Rahmen von Abwendungsvereinbarungen. Der Gesetzgeber verkennt hier die zusätzlichen Anforderungen, die das Zivilrecht an solche Ratenzahlungsvereinbarungen stellt. Es ist bereits absehbar, dass bei unveränderter Übernahme in der Praxis erhebliche Unsicherheiten entstehen werden. Hier bleibt zu hoffen, dass der Bundesrat noch Änderungsvorschläge unterbreitet. Die weiteren beabsichtigten Änderungen dagegen stellen keine größeren Überraschungen dar. Die Angleichung insbesondere bei der Abrechnung und den Rechnungsinhalten war bereits bei der EnWG-Novelle absehbar.

Wenn Sie Unterstützung bei der Umsetzung benötigen oder Fragen zu den Neuregelungen haben, sprechen Sie uns gerne an.

 

Redaktion:

Rechtsanwältin Wibke Reimann

BEHTGE.REIMANN.STARI Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin

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